Mehr ausländische Ärztinnen und Ärzte an Kliniken
Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland kompensieren den Mangel an medizinischem Fachpersonal in Niedersachsen. Seit 2011 hat sich die Zahl der neu zugelassenen nicht-deutschen Mediziner in etwa verdoppelt.
Medizinische Fachkräfte aus dem Ausland sind längst zu einer festen Säule im Gesundheitssystem geworden: Im Jahr 2022 hat der zuständige Verband in Niedersachsen 1818 neuen Ärztinnen und Ärzten aus dem Ausland erlaubt, ihrem Beruf hierzulande nachzugehen. 2011 war diese Erlaubnis nur etwa halb so oft erteilt worden, und zwar 972 Mal. Abschließende Daten für 2023 liegen noch nicht vor, aber die Zahlen liegen nach Angaben des Zweckverbandes zur Approbationserteilung in etwa auf dem Niveau des Vorjahres. "Die medizinische und pflegerische Versorgung in den Kliniken würde ohne Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte aus dem Ausland beziehungsweise mit Migrationshintergrund sofort zusammenbrechen", fasst es Helge Engelke, Verbandsdirektor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft, zusammen.
Könnten "Krankenhaus abschließen" ohne ausländische Fachkräfte
Vor allem bei den Assistenzärztinnen und -ärzten ist der Anteil der Menschen mit Migrationsgeschichte oft hoch. So berichtet das katholische Bernward-Krankenhaus (BK) in Hildesheim, dass mittlerweile nahezu jede dritte Assistenzarztstelle mit einer Fachkraft aus dem Ausland besetzt ist. Die Klinik beschäftigt Menschen aus 42 Nationen, die häufigsten Herkunftsländer sind nach Angaben des Geschäftsführers Stefan Fischer Syrien, die Türkei und Polen. Letztendlich, sagte Fischer, sei die Nationalität eines Menschen aber nicht entscheidend. "Sondern es ist wichtig, dass er sich mit unserem Leitbild identifiziert und das Wohl der Patientinnen und Patienten im Blick hat." Wie sein Krankenhaus ohne die Beschäftigten mit Migrationsgeschichte aussähe? "Wir könnten das Krankenhaus abschließen, und zwar von außen."
Forderung: mehr Medizin-Studienplätze
Stress, Schichtdienst, lange Arbeitstage - Fischer glaubt trotzdem nicht, dass der Mangel an deutschen Ärztinnen und Ärzten daran liegt, dass diesen die Jobs im Krankenhaus zu unattraktiv erscheinen. Seine Erklärung: Es gebe deutlich zu wenig Studienplätze, die Anzahl sei in den vergangenen Jahren nur minimal erhöht worden. Tatsächlich werden immer wieder Forderungen von unterschiedlichen Seiten laut, die Zahl der Medizin-Studienplätze in Niedersachsen deutlicher zu erhöhen, auch die CDU im Landtag fordert das.
Ausländische Ärztinnen und Ärzte brauchen Approbation
Aktuell verstärken die Kliniken ihre Teams aber zunehmend mit Fachkräften aus dem Ausland. Wer beispielsweise in Syrien oder der Ukraine Medizin studiert hat, muss allerdings zunächst eine fachliche und sprachliche Prüfung ablegen. Erst dann erteilt die zuständige Stelle in Niedersachsen, der Zweckverband zur Approbationserteilung, eine eingeschränkte Berufserlaubnis oder eine vollumfängliche medizinische Zulassung (Approbation). In einigen Krankenhäusern ist der Mangel so groß, dass die ausländischen Ärztinnen und Ärzte auch schon mit der eingeschränkten Berufserlaubnis arbeiten dürfen - allerdings nur in begrenztem Rahmen und unter Anleitung.
Multikulturelle Teams - Herausforderung und Gewinn
Wenn Menschen aus aller Welt und aus unterschiedlichsten Kulturen in einem Klinik-Team arbeiten, sei das nicht nur eine Herausforderung, sondern gleichzeitig ein Gewinn, sagt das BK in Hildesheim. Welche Diagnosemöglichkeiten gibt es in anderen Ländern, wie wird dort gearbeitet, welche Therapien werden empfohlen, über so etwas tausche man sich aus. Susanne Peschel, Chefärztin der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am BK, beobachtet zudem, dass die jungen Medizinerinnen und Mediziner aus dem Ausland oft "besonders selbständig" sind. "Die meisten müssen schließlich auch ohne die Unterstützung ihrer Familien klarkommen."
Auch die Patientinnen und Patienten sind international
Hinzu komme, dass auch die Patientinnen und Patienten zunehmend international sind und manchmal kein Deutsch sprechen. Mahran Thomas ist Gynäkologe und Oberarzt am BK: "Wir haben oft Frauen, die nur arabisch können. Da hilft es, dass meine Muttersprache arabisch ist, vor allem, wenn die Frau Beschwerden oder Schmerzen hat und das genau ausdrücken möchte." Umgekehrt habe er es aber auch schon erlebt, dass eine Frau ausdrücklich einen deutschen Arzt verlangt habe. Offen feindselig sei ihm aber noch niemand begegnet.
Ausländische Fachkräfte "beunruhigt"
Das veränderte gesellschaftliche Klima, die aktuellen Debatten zum Thema Abschiebung, den zunehmenden Antisemitismus - all das beobachten auch ausländische Ärztinnen und Ärzte ganz genau. "Wir sind damals vor vielen Jahren gekommen in der Hoffnung, dass gerade Deutschland diese Probleme nicht hat", sagt Alexander Beider, Chefarzt der Neonatologie und Kinderklinik am BK dem NDR Niedersachsen. "Das beunruhigt schon ungemein."
Angehende Pflegekräfte: zu wenig deutsche Bewerberinnen und Bewerber
Dabei sind es längst nicht nur die ausländischen Ärztinnen und Ärzte, die entscheidend dabei helfen, den Betrieb in den Kliniken am Laufen zu halten. Es sind auch die Reinigungs- und Küchenkräfte, die Pflegerinnen und Pfleger und die Hebammen mit Migrationsgeschichte. Am BK werden sie eigenen Angaben zufolge demnächst einen Ausbildungsjahrgang für Pflegekräfte ausschließlich mit Bewerberinnen und Bewerbern aus dem Ausland starten. Mit deutschen Schulabgängerinnen und -abgängern allein könnten sie die Lücken bei weitem nicht mehr schließen, hieß es.