Russen in Göttingen protestieren regelmäßig gegen den Krieg

Stand: 24.08.2023 06:00 Uhr

Eine Gruppe von Menschen aus Russland engagiert sich in Göttingen seit Beginn des russischen Angriffskrieges für Ukrainer und protestiert regelmäßig gegen Putin. Dafür wird sie teils auch angefeindet.

von Larissa Mass

Um den Gänseliesel-Brunnen in Göttingens Innenstadt haben sich eine Handvoll Menschen versammelt. "Putin ist ein Mörder" oder "Ich bin russisch und gegen den Krieg" steht in verschiedenen Sprachen auf Plakaten und T-Shirts. Olga Fishkis, eine aus Russland stammende Göttingerin, hatte direkt nach Kriegsbeginn die Gruppe "Russ*innen gegen den Krieg" gegründet. Per Messenger-Chat hat sie rund 50 russischstämmige Menschen gefunden, mit denen sie regelmäßig Protestaktionen veranstaltet.

VIDEO: Spendenbereitschaft für die Ukraine nimmt ab (31.07.2023) (1 Min)

Klare Position gegen Putin beziehen

Vor eineinhalb Jahren, am 24. Februar 2022, hat Russland die Ukraine angegriffen. Seitdem besonders im Fokus: die russischsprachigen und russischstämmigen Menschen in Deutschland. Die Gruppe "Russ*innen gegen den Krieg" möchte mit ihren regelmäßigen Protestaktionen auch klar Position gegen Pro-Putin-Demos, für Waffenlieferungen und gegen die AfD beziehen: "Diese Leute sind meistens lauter, die für Putin sind", führt Mit-Organisator Valeri aus. "Es ist ein ungerechter Krieg, es ist ein Angriffskrieg, es muss auch so benannt werden."

Tausende Russen wegen Protesten gegen Krieg verhaftet

Ende der 90er-Jahre ist das Ehepaar Valeri und Natalia als Spätaussiedler aus Russland nach Deutschland gekommen. Sie haben, wie viele andere der Protestteilnehmer, Verwandte in Russland und möchten zum Schutz ihrer Angehörigen ihren Nachnamen nicht in der Berichterstattung sehen. Laut der Nichtregierungsorganisation OVD-Info sind seit dem Angriffskrieg fast 20.000 Menschen in Russland verhaftet worden, die gegen den Krieg protestiert haben.

Teilnehmerin: Protest als Pflicht der Exilrussen

Lilllia Zaitceva-Sundmacher ist vor acht Jahren aus Russland ausgewandert, zunächst nach Portugal, seit Kurzem ist sie in Deutschland. Sie lebt in Bremen und ist extra zu dem Protest nach Göttingen gekommen. Aktionen wie diese bedeuten ihr viel: "Für uns ist es sehr wichtig, als Russen in Europa zu zeigen, dass wir gegen diesen Krieg sind. Und Putin ein Mörder ist: als erstes von den Ukrainern, aber auch ein Mörder des eigenen russischen Staates." Mehr noch: Sie sieht es als als Pflicht der Exilrussen an, auf die Straße zu gehen, da sie nun in einem demokratischen System leben.

Russisch als gemeinsame Sprache

Die Gruppe "Russ*innen gegen den Krieg" nutzt ihr Netzwerk und hilft seit eineinhalb Jahren zusammen mit dem Migrationszentrum Göttingen Ukrainern bei Behördenfragen, Wohnungssuche und Alltagsfragen. Jeden Montag bieten sie einen Konversationskurs an. Die aus Russland eingewanderten Göttinger haben wie die Ukrainer selbst erlebt, wie es ist, anzukommen und die Sprache nicht oder kaum zu sprechen. Valeri erzählt, dadurch sei es einfacher, sich hineinzufühlen - auch, weil die Verständigungsgrenze wegfalle, da die meisten Geflüchteten aus der Ukraine auch russisch sprächen.

Weitere Informationen
Fertig verpackt Lagern Kisten mit Hilfsgütern für die Ukraine. © picture alliance / Panama Pictures

Ukrainischer Verein in Niedersachsen bittet dringend um Spenden

Die Spendenbereitschaft nimmt demnach ab. Im Humanitären Zentrum Bornum fehlen unter anderem Medikamente und Hygieneartikel. (31.07.2023) mehr

Ukrainerin: "Eine große Hilfe"

Für die ukrainischen Teilnehmer ist es kein Problem, dass die Organisatoren aus Russland stammen. Olha aus der Ostukraine erklärt, sie wisse, dass in Deutschland mehrere Millionen Aussiedler oder Deutschrussen aus der ehemaligen Sowjetunion stammen, darunter auch aus den Herkunftsländern Russland und Kasachstan: "Aber sie denken anders als das russische Volk und sind uns mit der Sprache eine große Hilfe."

Anfeindungen für den Gruppennamen

Teilweise bekommt die Gruppe mit ihrem Angebot auch Kritik, erzählt Gruppengründerin Olga Fishskis. Immer wieder tauchen vereinzelt böswillige Kommentare auf, wenn sie mit ihrem Gruppennamen "Russ*innen gegen den Krieg" ihre Hilfsangebote im Internet posten. "Manche Leute finden es auch unglaublich, dass wir uns noch trauen, uns Russen zu nennen", so Fishkis. "Aber unsere Intention ist es, zu zeigen, dass es eben auch Russen gibt, die auf der Seite der Ukraine stehen." Und das wollen sie noch weiter verfolgen: Die Gruppe wird sich, solange es noch nötig ist, weiter gegen den Krieg und für ukrainische Geflüchtete engagieren.

Weitere Informationen
Eine Einbürgerungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland (li) und ein deutscher Reisepass liegen nebeneinander. © Fernando Gutierrez-Juarez/dpa Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa

Niedersachsen: Mehr Menschen haben sich einbürgern lassen

Mit 13.000 Einbürgerungen ist die Zahl im Jahr 2022 deutlich gestiegen. Die meisten Eingebürgerten kamen aus Syrien. (08.07.2023) mehr

Eine im Bau befindliche und noch unbewohnte Containerstadt für Flüchtlinge in Hannover Vinnhorst. © picture alliance / dpa | Holger Hollemann Foto: Holger Hollemann

Niedersachsen will mehr Platz für Geflüchtete schaffen

Die Plätze in der Landesaufnahmebehörde sollen von 5.000 auf 7.500 steigen. Dafür sind neue Standorte geplant. (07.07.2023) mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 24.08.2023 | 19:30 Uhr

Mehr Nachrichten aus der Region

Ein E-Auto tankt Strom an einer Ladesäule. © Colourbox Foto: Patrick Daxenbichler

Studie: Wolfsburg ist die nachhaltigste Stadt Deutschlands

In einer Studie der Wirtschaftswoche belegte die VW-Stadt Platz 1. Besonders im Bereich Ökonomie stach Wolfsburg heraus. mehr

Aktuelle Videos aus Niedersachsen

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?