Russen in Göttingen protestieren regelmäßig gegen den Krieg
Eine Gruppe von Menschen aus Russland engagiert sich in Göttingen seit Beginn des russischen Angriffskrieges für Ukrainer und protestiert regelmäßig gegen Putin. Dafür wird sie teils auch angefeindet.
Um den Gänseliesel-Brunnen in Göttingens Innenstadt haben sich eine Handvoll Menschen versammelt. "Putin ist ein Mörder" oder "Ich bin russisch und gegen den Krieg" steht in verschiedenen Sprachen auf Plakaten und T-Shirts. Olga Fishkis, eine aus Russland stammende Göttingerin, hatte direkt nach Kriegsbeginn die Gruppe "Russ*innen gegen den Krieg" gegründet. Per Messenger-Chat hat sie rund 50 russischstämmige Menschen gefunden, mit denen sie regelmäßig Protestaktionen veranstaltet.
Klare Position gegen Putin beziehen
Vor eineinhalb Jahren, am 24. Februar 2022, hat Russland die Ukraine angegriffen. Seitdem besonders im Fokus: die russischsprachigen und russischstämmigen Menschen in Deutschland. Die Gruppe "Russ*innen gegen den Krieg" möchte mit ihren regelmäßigen Protestaktionen auch klar Position gegen Pro-Putin-Demos, für Waffenlieferungen und gegen die AfD beziehen: "Diese Leute sind meistens lauter, die für Putin sind", führt Mit-Organisator Valeri aus. "Es ist ein ungerechter Krieg, es ist ein Angriffskrieg, es muss auch so benannt werden."
Tausende Russen wegen Protesten gegen Krieg verhaftet
Ende der 90er-Jahre ist das Ehepaar Valeri und Natalia als Spätaussiedler aus Russland nach Deutschland gekommen. Sie haben, wie viele andere der Protestteilnehmer, Verwandte in Russland und möchten zum Schutz ihrer Angehörigen ihren Nachnamen nicht in der Berichterstattung sehen. Laut der Nichtregierungsorganisation OVD-Info sind seit dem Angriffskrieg fast 20.000 Menschen in Russland verhaftet worden, die gegen den Krieg protestiert haben.
Teilnehmerin: Protest als Pflicht der Exilrussen
Lilllia Zaitceva-Sundmacher ist vor acht Jahren aus Russland ausgewandert, zunächst nach Portugal, seit Kurzem ist sie in Deutschland. Sie lebt in Bremen und ist extra zu dem Protest nach Göttingen gekommen. Aktionen wie diese bedeuten ihr viel: "Für uns ist es sehr wichtig, als Russen in Europa zu zeigen, dass wir gegen diesen Krieg sind. Und Putin ein Mörder ist: als erstes von den Ukrainern, aber auch ein Mörder des eigenen russischen Staates." Mehr noch: Sie sieht es als als Pflicht der Exilrussen an, auf die Straße zu gehen, da sie nun in einem demokratischen System leben.
Russisch als gemeinsame Sprache
Die Gruppe "Russ*innen gegen den Krieg" nutzt ihr Netzwerk und hilft seit eineinhalb Jahren zusammen mit dem Migrationszentrum Göttingen Ukrainern bei Behördenfragen, Wohnungssuche und Alltagsfragen. Jeden Montag bieten sie einen Konversationskurs an. Die aus Russland eingewanderten Göttinger haben wie die Ukrainer selbst erlebt, wie es ist, anzukommen und die Sprache nicht oder kaum zu sprechen. Valeri erzählt, dadurch sei es einfacher, sich hineinzufühlen - auch, weil die Verständigungsgrenze wegfalle, da die meisten Geflüchteten aus der Ukraine auch russisch sprächen.
Ukrainerin: "Eine große Hilfe"
Für die ukrainischen Teilnehmer ist es kein Problem, dass die Organisatoren aus Russland stammen. Olha aus der Ostukraine erklärt, sie wisse, dass in Deutschland mehrere Millionen Aussiedler oder Deutschrussen aus der ehemaligen Sowjetunion stammen, darunter auch aus den Herkunftsländern Russland und Kasachstan: "Aber sie denken anders als das russische Volk und sind uns mit der Sprache eine große Hilfe."
Anfeindungen für den Gruppennamen
Teilweise bekommt die Gruppe mit ihrem Angebot auch Kritik, erzählt Gruppengründerin Olga Fishskis. Immer wieder tauchen vereinzelt böswillige Kommentare auf, wenn sie mit ihrem Gruppennamen "Russ*innen gegen den Krieg" ihre Hilfsangebote im Internet posten. "Manche Leute finden es auch unglaublich, dass wir uns noch trauen, uns Russen zu nennen", so Fishkis. "Aber unsere Intention ist es, zu zeigen, dass es eben auch Russen gibt, die auf der Seite der Ukraine stehen." Und das wollen sie noch weiter verfolgen: Die Gruppe wird sich, solange es noch nötig ist, weiter gegen den Krieg und für ukrainische Geflüchtete engagieren.