Nicht mehr unantastbar? VW-Fabrik in Brüssel auf der Kippe
Insgesamt 114 Auto-Fabriken betreibt der Volkswagen-Konzern weltweit. Vor allem in Europa galten sie als unantastbar. Doch jetzt das Werk in Brüssel auf dem Prüfstand.
Wenn sich die Beschäftigten im Volkswagen-Konzern seit Jahrzehnten auf etwas verlassen konnten, war das die Sicherheit der Standorte und Arbeitsplätze. Auch schwächere oder teure Werke wurden verlässlich mit Aufträgen versorgt. Diese eiserne VW-Tradition gerät jetzt ins Wanken. Die VW-Premiumtochter Audi stellt ihr Werk in Brüssel auf den Prüfstand. Einen Beschluss gibt es nicht, aber Gespräche über ein mögliches Ende des Audi-Standorts laufen.
Werk in Brüssel gilt als zu teuer
Am Audi-Standort in Brüssel sind rund 3.000 Mitarbeiter beschäftigt. Sie produzieren ausschließlich den Audi Q8 e-tron, ein elektrisches Oberklasse-Modell. Im vergangenen Jahr liefen gut 53.000 Stück vom Band. Das Werk gilt schon länger als zu teuer. Nun sind die Auftragsbücher leer, das Modell läuft aus. Aber anstatt, wie sonst bei VW üblich, die Produktion anderer Modelle nach Brüssel zu holen, steht die Fabrik auf der Streichliste. Denkbar sei ein Umbau des Werks für andere Zwecke oder der Verkauf an einen Investor, heißt es aus Konzernkreisen.
Hoffnung für Arbeitsplätze
Die gute Nachricht für die Beschäftigten: In Belgien kann ein Unternehmen nicht einfach schließen, sondern es muss ausführlich über Alternativen verhandelt werden. Dieses sogenannte "Renault-Verfahren" ist für die Arbeitnehmerseite ein starker Hebel, damit Arbeitsplätze erhalten bleiben. Ob die Beschäftigten dann noch für den VW-Konzern arbeiten oder für ein anderes Unternehmen, ist offen. Wie auch immer eine Lösung aussieht - für Volkswagen könnte es teuer werden. Der Konzern rechnet mit zusätzlichen Kosten von 2,6 Milliarden Euro in diesem Jahr - ein großer Teil offenbar für mögliche Umbau-Kosten oder Abfindungen in Brüssel
.
Letztes VW-Fabrik-Aus vor mehr als 30 Jahren
Das Ende des Audi-Werks in Brüssel wäre für VW eine Zeitenwende. Die letzte Schließung eines größeren VW-Standorts ist mehr als 30 Jahre her: 1988 hatte VW seine Fabrik in Westmoreland in den USA dicht gemacht. Bei dem Wolfsburger Autobauer sorgt traditionell der starke Betriebsrat dafür, dass Fabriken und Arbeitsplätze langfristig geschont werden. Dass das für Brüssel jetzt nicht gilt, zeigt, dass VW-Vorstandschef Oliver Blume darauf nur noch bedingt Rücksicht nehmen kann. Das Werk in Brüssel ist offenbar wirtschaftlich nicht mehr zu retten.