Sendedatum: 24.11.2015 21:15 Uhr

Falsche Energieeffizienz-Klassen bei VW?

von Mareike Burgschat, Johannes Edelhoff & Kaveh Kooroshy

Die Angaben zum Verbrauch im Fahrzeugschein passen häufig nicht mit der Realität auf der Straße zusammen - das ist ein offenes Geheimnis. Die realitätsfernen Herstellerangaben werden auf Testständen erreicht. Dabei tricksen alle Hersteller. Legal sind: teure Öle, das Abkleben von Rillen und Aufpumpen der Reifen.

So berechnet sich der Verbrauch

Formel zum Errechnen des Spritverbrauchs laut Hersteller: CO2-Angabe des Herstellers (Im Fahrzeugschein Angabe zu V7) x 100 : 2,62 (bei Diesel) oder 2,32 (bei Benzin) = Verbrauch pro 100 km.

Der Abstand zwischen offiziellem Testwert und Realität wurde in den vergangenen Jahren immer größer. 2001 verbrauchten Autos auf der Straße acht Prozent mehr als vom Hersteller angegeben - 2010 schon 24 Prozent - und heute laut International Council on clean Transportation (ICCT) 40 Prozent und mehr. Ohne das sich am Testverfahren irgendetwas geändert hätte. Für die Industrie offenbar eine Verlockung zu schummeln.

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Auch illegale Tricks?

Doch VW hat nicht nur die legalen Tricks eingesetzt. Möglicherweise hat das etwas mit den Energieeffizienzklassen zu tun. Inzwischen werden nicht nur Kühlschränke oder Leuchtmittel damit ausgestattet, sondern auch PKW. Für einige Kunden ein wichtiges Kaufargument und es ist wichtig für die Werbung. Ein hochranginger VW-Mitarbeiter behauptete gegenüber der Wirtschaftswoche, dass manipuliert wurde, um Vorzeigemodelle in die beste Kategorie A zu heben.

Nach außen verkaufte VW sich nämlich gerne als Umweltweltmeister. 2013 verkündete der damalige VW-Chef Martin Winterkorn: "Wir senken den Co2 Verbrauch bis 2015 auf 120 Gramm. Zwölf Gramm weniger als gesetzlich vorgeschrieben. Wir treiben den Umweltschutz weltweit voran durch unsere Spitzenleistungen." Doch tatsächlich klafften Anspruch und Realität bei VW weit auseinander.

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VW wollte schon 2010 das Gesetz ändern

Das zeigt ein Blick ins Jahr 2010. Damals wurde das Energieeffizienzlabel von der Politik gerade gesetzlich geregelt. Das Ziel: Autokäufer sollten auf den ersten Blick erkennen, ob ein Auto umweltfreundlich ist oder nicht. Das Gesetz war von der Autoindustrie schon extrem aufgeweicht, doch für Volkswagen offenbar immer noch zu anspruchsvoll.

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU, l.) spricht neben Bundekanzlerin Angela Merkel (CDU, M.) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. © dpa Foto: Michael Kappeler
Lehnten die VW-Forderung damals ab: Norbert Röttgel (li.) und Rainer Brüderle (re. im Hintergrund).

Der damalige Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erhielten deutliche Briefe von VW, die Panorama 3 vorliegen. Darin fordert VW, das Gesetz noch weiter aufzuweichen: "Insbesondere erreichen wichtige Energiesparkonzepte der Marke Volkswagen nicht die Energieeffizienzklasse A. Als Kompromiss schlagen wir vor (...), dass die als Energiesparkonzepte entwickelten Modelle möglichst durchgehend in Klasse A fallen, durch eine entsprechende Veränderung der Energieeffizienzklassen“, heißt es darin. Doch diese dreiste Forderung ging sogar dem wirtschaftsnahen Rainer Brüderle zu weit. In einem Brief lehnte das Ministerium die Forderungen ab.

VW manipulierte besonders sparsame Modelle

2012 wurde das Energieeffizienzlabel eingeführt. Und genau in diesem Jahr begannen bei VW die Manipulationen. Es wurden ausgerechnet die Modelle manipuliert, die VW als besonders umweltfreundlich präsentieren wollte. Nach bisherigen Informationen beispielsweise der VW Polo GT. Ein kleiner Raser. 150 PS, 210 Km/h Spitze, 0 auf 100 in 8 Sekunden. Und dank VW Ingenieurskunst angeblich extrem sparsam. Ein Sportwagen mit der Energieeffizienzklasse B - ein echter Publikumsliebling.

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Doch jetzt gibt VW zu, die Verbrauchs und CO2-Werte vom Polo sind manipuliert. Wahrscheinlich ist der Wagen nur ein C. Laut ADAC Ecotest verbraucht der Wagen nicht wie angegeben 4,5 Liter, sondern 5,6 Liter auf 100 km. Laut Praxisverbrauch bei Spritmonitor.de sogar 7,3 Liter. Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe hat dazu eine plausibel erscheinende Theorie: "Je sparsamer das Fahrzeug auf dem Papier aussieht, desto besser lässt es sich verkaufen. Es gibt also einen großen Anreiz für die Autobauer, die Fahrzeuge so sparsam wie möglich erscheinen zu lassen."

Das gilt besonders für die verbrauchsarme Dieselflotte von VW - die Verkaufsschlager. Etwa der Golf VII als Turbodiesel - offiziell in der Energieeffizienzklasse A. Doch der Test vom Golf wurde wahrscheinlich manipuliert. Vermutlich reicht es real nur für ein B oder C. Das gleiche gilt etwa für den VW Passat oder den Skoda Octavia. Fast immer wurden genau die Tests manipuliert, in denen VW die Bestnote A erreicht und die Fahrzeuge, die sich besonders gut verkaufen. Laut VW besteht dagegen "kein Zusammenhang" zwischen den Unregelmäßigkeiten und dem Energieeffizienzlabel.

Aufklärungswille oder Behördenversagen?

Zuständig für die Überprüfung solcher Werte wäre das Kraftfahrtbundesamt. Doch davor scheint VW keine große Angst gehabt zu haben. "Wir sprechen davon, dass das Kraftfahrtbundesamt mittlerweile zum Bettvorleger des Verbandes der Automobilindustrie verkommen ist, weil überhaupt keine Kontrollen durchgeführt werden", so Jürgen Resch. Und auch der aktuelle CO2-Skandal ist nicht durch die Prüfbehörde aufgedeckt worden, sondern von VW selbst. Das kann als Aufklärungswille von Volkswagen gewertet werden. Oder auch als Versagen des Kraftfahrtbundesamts.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 24.11.2015 | 21:15 Uhr

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