Stand: 23.09.2015 10:46 Uhr

VW-Skandal - Warum diese Aufregung, Frau Merkel ?

Ein Kommentar von Christoph Lütgert

Klar ist das schlimm, was VW da gemacht hat: Bei elf Millionen Autos die Abgaswerte geschönt. Mit welcher Empörung unsere Politiker darauf reagieren, das allerdings wirkt denn auch lächerlich. Denn in diese Affäre spielt ganz viel politisches Versagen oder sogar Vorsatz rein.

Warum die Aufregung?

Regierungspolitiker, allen voran die Bundeskanzlerin, geben jetzt die Entschlossenen, verlangen Aufklärung und kommen offensichtlich gar nicht auf die Idee, wie viel Mitverantwortung sie tragen. Wer die Auto-Industrie dermaßen hätschelt, wer ihr vieles durchgehen lässt, sie viel zu wenig in die Pflicht nimmt, wie es unsere Politiker seit Jahrzehnten tun, der darf sich nicht wundern, wenn sich die Bosse dann irgendwann allmächtig fühlen, und Regeln brechen, die sie nicht selbst aufgestellt haben. 

Warum also diese Aufregung über die Betrügereien in den USA und in anderen Ländern. Bei uns ist es doch seit eh und je üblich, dass die Autohersteller Benzinverbrauch und Schadstoffausstoß mit völlig realitätsfremden Messmethoden ermitteln. Man weiß es, der ADAC berichtet immer mal wieder darüber, und man nimmt es als geradezu gegeben hin. In Brüssel kämpft unsere Kanzlerin höchst persönlich mit harten Bandagen dafür, dass die deutschen benzinfressenden Dickschiffe der Premium-Hersteller weiter hohe Schadstoff-Mengen ausstoßen dürfen, auf dass bloß nicht die Franzosen beispielsweise mit ihren kleineren und sparsameren PKW Maßstäbe setzen.

Die Politik gehorcht

Und Deutschland bleibt das einzige Land weltweit ohne flächendeckendes Tempo-Limit, obwohl eine Geschwindigkeitsbegrenzung die Umwelt erheblich entlasten würde. Die Autoindustrie will es einfach nicht, und die Politik gehorcht.

Jetzt hat das deutsche Vorzeige-Unternehmen VW die Schraube eben ein wenig weiter gedreht - mit etwas mehr Dreistigkeit, Unverfrorenheit und krimineller Energie -  und ist in Amerika erwischt worden. Da möchte man bei allem, was man unseren Fahrzeug-Herstellern bislang durchgehen ließ und weiter durchgehen lässt, eigentlich nur noch fragen: Na und ?

 

Weitere Informationen
Logo des VW-Konzerns an einer Verkaufsvertretung in Ashford, Kent. ©  picture alliance / empics Foto: Gareth Fuller

VW manipulierte trotz Vorwarnungen

Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei VW-Fahrzeugen hat erheblich größere Dimensionen als zunächst angenommen. Und trotz Manipulationshinweisen gab es keine Reaktionen. mehr

Martin Winterkorn © imago/DeFodi

VW: Elf Anzeigen und ein Ermittlungsfall

Wegen Betrugs ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen Ex-VW-Chef Winterkorn. Laut Justiz haben bisher zehn Privatpersonen und auch Volkswagen Strafanzeige gestellt. mehr

Thomas Sattelberger war Personalvorstand und Arbeitsdirektor bei Continental, einem VW Zulieferer.
1 Min

"In diesem Fall hat VW wahrscheinlich Betrug gemacht"

Thomas Sattelberger war Personalvorstand und Arbeitsdirektor bei Continental, einem VW Zulieferer. Er kennt den VW-Konzern - und seine Schwächen. 1 Min

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 22.09.2015 | 21:15 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

VW

Panorama 60 Jahre: Ein Mann steht hinter einer Kamera, dazu der Schriftzug "Panorama" © NDR/ARD Foto: Screenshot

Das Panorama-Archiv

Alle Panorama-Beiträge seit 1961: Stöbern im Archiv nach Jahreszahlen oder mit der Suchfunktion. mehr

Kalender © Fotolia.com Foto: Barmaliejus

Panorama-Geschichte

Als erstes politisches Fernsehmagazin ging Panorama am 4. Juni 1961 auf Sendung. Die Geschichte von Panorama ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. mehr