Braunschweig ist Spitzenreiter bei VW-Klagen
Fast drei Jahre ist der Dieselskandal um manipulierte Abgastests von Volkswagen inzwischen alt und seitdem beschäftigt das Thema auch die Justiz. Einem VW-Sprecher zufolge gibt es inzwischen rund 4.500 Urteile überwiegend von Landgerichten und etwa ein Dutzend von Oberlandesgerichten. Der Spitzenreiter: das Landgericht Braunschweig. Kein Gericht in Deutschland hat so viele Verbraucher-Klagen abzuarbeiten. Rund 2.000 sind es seit 2015, davon wurden 300 bislang verhandelt. Sechs neue Richterstellen, die nur die Klagen von VW-Kunden abarbeiten, hat man in Braunschweig geschaffen. An manchen Tagen gibt es hier bis zu zwölf Verfahren.
Richter verneinen Nähe zu Volkswagen
Aussicht auf Erfolg haben die Kläger dabei jedoch nur selten: In allen Verfahren seit 2017 haben die Braunschweiger Richter die Klagen der VW-Kunden abgewiesen. Der Lüneburger Rechtsanwalt Michael Czichon kritisiert das: "Wenn in VW in Wolfsburg hustet, dann ziehen sich in Braunschweig die Leute schon die Schals an", sagt Czichon. Spielt bei der Rechtssprechung etwa die Nähe zum VW-Konzern eine Rolle? Beim Landgericht verneint man das vehement: "Das kann ich völlig zurückweisen. Wir machen in Rechtssprechung, nicht in Automobile", sagt die Sprecherin des Landgerichts Braunschweig, Rike Werner.
Geld nur für amerikanische Kunden?
Tatsächlich wurden laut Volkswagen bislang die meisten Klagen gegen den Konzern abgewiesen. In zahlreichen Verfahren hat der Autobauer auch mit einer Zahlung an die Kläger einen Vergleich erzielt. Zur Zahl der so beigelegten Rechtsstreitigkeiten macht der Konzern aber keine Angaben. Kritik kommt derweil auch von Verbraucherschützern: Sie bemängeln, dass Kunden von VW und Audi in Nordamerika teils Entschädigungen von mehreren Tausend Dollar erhalten. Dieselbesitzer in Deutschland und Europa sollen dagegen kein Geld bekommen. VW bestreitet, dass den Kunden ein wirtschaftlicher Schaden entstand. Insgesamt hat die Affäre Volkswagen nach eigenen Angaben bislang 25,8 Milliarden Euro gekostet.
Wichtige Entscheidung am BGH
Derweil kündigt sich in der Klagewelle wegen des Diesel-Skandals die erste Entscheidung der obersten Zivilrichter am Bundesgerichtshof (BGH) an. Ein Skoda-Fahrer hatte geklagt, weil sein Auto beim Kauf eine illegale Abschalteinrichtung besaß. Sie habe die Abgasreinigung im Normalbetrieb auf der Straße reduziert und damit für einen erhöhten Ausstoß schädlicher Stickoxide gesorgt. Der Mann möchte bei seinem Autohändler eine Preisminderung von 20 Prozent durchsetzen. Die Software wurde zwar inzwischen aktualisiert. Der Kläger behauptet jedoch, ihm seien technische Nachteile entstanden. Zudem sei das Auto wegen des Abgasskandals generell mit einem Makel behaftet. Die Entscheidung des BGH in dem Fall wird erst für 2019 erwartet. Sie könnte die Linie für alle künftigen Urteile zum selben Sachverhalt vorgeben.
Ermittler bekommen Zugang zu VW-Akten
Eine weitere Gerichtsentscheidung sorgt derweil für Aufsehen: In dieser Woche hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Ermittler im Diesel-Skandal umfangreiche Unterlagen von VW auswerten dürfen. Mit einer Beschwerde vor dem Gericht hatte der VW-Konzern erfolglos verhindern wollen, dass Ermittler die von einer US-Kanzlei erstellten Akten zum Diesel-Skandal einsehen.
In Deutschland waren insgesamt 2,5 Millionen Autos des Volkswagen-Konzerns vom Dieselskandal betroffen, weltweit sogar knapp 11 Millionen. Nachdem VW für Software-Updates lange gebraucht hatte, sind laut Hersteller mittlerweile 95 Prozent der Dieselautos umgerüstet. Tausenden Fahrzeughaltern, die dem Rückruf nicht nachgekommen sind, droht inzwischen die Stilllegung ihres Wagens.