Braunschweig blüht auf - für Wildbienen
Braunschweig hat dem Bienensterben jetzt den Kampf angesagt und will erste Bienenhauptstadt Deutschlands werden. Überall entstehen dort gerade neue Lebensräume für Wildbienen.
Beim Begriff Bienensterben denken viele zuerst an Honigbienen - und das obwohl Wildbienen eine größere Relevanz für unser Ökosystem haben. Viele der 600 Arten sind vom Aussterben bedroht - das ist dramatisch, denn sie bestäuben einen Großteil unserer Pflanzen. Die Stadt Braunschweig hat nun gemeinsam mit dem Julius-Kühn Institut eine Strategie entwickelt, im urbanen Raum Lebensräume für Bienen zu schaffen.
Wildbiene mag "ungepflegte" Rasenflächen
Es ist ein Naturschauspiel, wie es sich nur an ein bis drei Tagen im Jahr abspielt: Tausende Wildbienen der Art "Große Weidensandbiene" tummeln sich auf einer nicht perfekt gepflegten Rasenfläche vor einer alten Backsteinkirche im Süden Braunschweigs - unbemerkt von den vielen Passanten, die auf dem Gehweg direkt davor an einer lauten Straße vorbeieilen. Der Rasen hat viele erdige Stellen; darauf kleine Sandhügel mit Löchern, in die die Bienen kriechen. Es sind perfekte Nist-Bedingungen für Wildbienen, sagt der Bienenforscher Henri Greil, während er fasziniert auf die vielen Bienen schaut: "Das hier ist schon besonders. Wir sehen mehrere Tausend Individuen, die hier rumfliegen. Das ist einfach schön zu beobachten."
Vision: Braunschweig als Bienenhauptstadt
Drei Viertel aller Wildbienenarten nisten im Boden. Sie brauchen also offene sandige Böden, und keine mit Rindenmulch verstopften Beete. Die Bienen graben 25 bis 60 Zentimeter tiefe Gänge in die Erde mit mehreren Seitengängen: "Am Ende jedes Seitengangs ist eine Brutzelle. Wenn die Biene genug Weidenpollen gesammelt hat, legt sie ein Ei drauf und verschließt die Brutzelle." Im nächsten Frühjahr dann schlüpft die neue Bienengeneration.
Henri Greil ist Bienenforscher am Julius Kühn-Institut in Braunschweig, einem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen. Greil hat die Vision, die Stadt Braunschweig zur Bienenhauptstadt zu machen. Dazu holt er alle Akteure ins Boot: Firmen, Vereine, Organisationen. Allen voran aber das Grünflächenamt. Dort hieß es nämlich früher vor allem Kosten sparen statt Bienenschutz, beklagt Abteilungsleiter Heiner Knobloch: "Die Pflege der Grünflächen war in der Vergangenheit vor allem darauf ausgerichtet, damit möglichst wenig Kosten zu verursachen. Wir haben uns keine Gedanken darüber gemacht, dass wir so zu einer Artenarmut beitragen und nur noch sterile Flächen bekommen, die keinen Bezug mehr zur Natur haben."
Steuobstwiesen mitten in der Stadt
Seit drei Jahren arbeitet der Bienenforscher vom Julius Kühn Institut nun eng mit den Kollegen vom Grünflächenamt zusammen. So konnten in Braunschweig schon 12,5 Hektar aller Grünflächen wildbienengerecht gestaltet werden; mit mehrjährigen Blühwiesen und artenreichen Staudenbeeten. In den nächsten Jahren soll diese Fläche auf 30 Hektar anwachsen. Zudem sollen Streuobstwiesen mit 370 Obstbäumen im Stadtgebiet gepflanzt werden. Sowohl das Julius-Kühn Institut als auch die Stadt Braunschweig erhalten dafür rund 10 Millionen an Fördermitteln. Denn Bienenschutz gibt es nicht zum Nulltarif, sagt Heiner Knobloch vom Grünflächenamt Braunschweig: "Die Umstellung der Fläche kostet etwa das 5-Fache die Pflege. In der Vergangenheit haben wir die Flächen einmal im Jahr gemäht, das hat Kosten von ungefähr 6 Cent pro Quadratmeter gebraucht. Heute wenden wir bei der Wiesenpflege etwa 30 Cent pro Quadratmeter auf."
Jeder kann zum Schutz der Bienen beitragen
Die Wildbienen brauchen zum Überleben aber nicht nur Nistplätze im Boden, sondern auch genug Nahrung. Dafür hat Bienenforscher Greil eine besondere Saatgutmischung extra für die Region Braunschweig entwickelt, mit 39 verschiedenen Samen. Die Mischung kann über das Braunschweiger Stadtmarketing auch jeder in Braunschweig kaufen und in seinem eigenen Garten aussäen: "Da sind Pflanzen drin, die möglichst viele Wildbienenarten ansprechen, zum Beispiel wilde Möhre, Schafgarbe, aber auch Glockenblume und Wegwarte."
Wildbienenmischung findet reißenden Absatz
Nur wenn alle Akteure in einer Stadt, an einem Strang ziehen, sagt Greil, könne man langfristig etwas für den Bienenschutz erreichen. Und die Braunschweiger machen mit! Die Saatgutmischungs-Tütchen für den eigenen Garten für 5 Euro sind regelmäßig ausverkauft. Bienenforscher Greil will jetzt in einem weiteren Forschungsprojekt ausloten, ob auch Fassaden, Dachflächen oder Bolzplätze für Wildbienen nutzbar gemacht werden können. Der Bund hat dafür gerade dreieinhalb Millionen Euro bewilligt.