Bankgeschäfte im Alter: Wenn man erst mit 97 sein Geld wiedersieht
Als Günter Meier 90 Jahre alt war, hat er 200.000 Euro angelegt - bis 2029. Die Volksbank hatte ihm das angeboten. Das sagt die Familie des Seniors. Jetzt fallen Kosten für die Pflege an, aber der Rentner kommt nicht an sein Geld.
Die Bank ist die Volksbank Braunschweig-Wolfsburg, kurz: Brawo. Nur schriftlich teilt sie mit: "Eine Kündigung während der Laufzeit ist nicht möglich." Denn bei dem Produkt, das Günter Meier abgeschlossen hat, handelt es sich um eine "Nachrang-Spareinlage", die zur Erhöhung des Eigenkapitals der Bank verwendet wird. Nachrangige Einlagen sind festverzinsliche Bankeinlagen ohne Kursrisiko.
Demenzerkrankungen und Bankgeschäfte - keine gute Kombination
An den Tag, an dem er die Kapitalanlage bei der Volksbank abgeschlossen hat, kann sich Günter Meier gar nicht mehr erinnern. Der 92-Jährige leidet heute an einer altersbedingten Demenz. Mittlerweile hat er Pflegestufe drei. Aber wie war sein Gesundheitszustand bei Abschluss des Sparvertrages? Gab es damals schon Hinweise, dass er sein Handeln vielleicht nicht richtig einschätzen konnte? Hätten Bankberater erkennen können, dass dieser Kunde vielleicht gar nicht versteht, welche Anlageform er da wählt? All das ist heute nicht ganz klar. Es ist aber auch nicht allein entscheidend, findet Bernd Meier, der Sohn von Günter Meier.
Darf man so alten Menschen so langfristige Anlagen verkaufen?
Der Sohn findet es schon unglaublich, 90-Jährigen Anlageverträge zu verkaufen, die frühestens mit 97 ausgezahlt werden. Die Volksbank, die sich zum konkreten Fall gar nicht äußern will, schreibt nur allgemein, Kunden aufgrund ihres Alters bestimmte Produkte vorzuenthalten, wäre Altersdiskriminierung und nicht zulässig. Eine Erklärung, die bei genauerem Hinsehen allerdings kaum überzeugt, wie Senioren wissen, die - im umgekehrten Fall - bei einer Bank Geld leihen wollen. Solche Kreditanfragen werden häufig abgelehnt - mehr oder weniger offenkundig wegen des Alters der Kreditnehmer.
Wollte Günter Meier sein Geld vielleicht für die Erben anlegen?
Heute könnte das Seniorenehepaar Meier das Geld gut gebrauchen, um die Pflegekosten zu bezahlen. Ob von dieser Option schon bei Vertragsabschluss die Rede war, ist unklar. Die Bank müsste ein Beratungsprotokoll haben, aus dem die genauen Umstände damals hervorgehen müssten. Die Familie Meier hat die Bank bevollmächtigt, das Protokoll herauszugeben - auch dem NDR. Das aber lehnt die Bank ab. Trotz der Erlaubnis der Familie Meier will sich die Volksbank Brawo auf NDR-Anfrage zum konkreten Fall nicht äußern, auch nicht zu der Frage, wie genau Günter Meier seinerzeit beraten worden ist und wie die Beratung protokolliert worden ist. Die Familie legte auch zwei Gutachten des Medizinischen Dienstes vor und bietet auch an, die bereits gezahlten Zinsen wieder zurückzuzahlen. Doch die Bank bleibt dabei: Vor 2029 werde das Geld nicht ausgezahlt.
Verbraucherzentrale rät, sich direkt juristisch vertreten zu lassen
Die Verbraucherzentrale Niedersachsen rät Bankkunden, denen ähnliches widerfahren ist, sich direkt juristischen Rat zu holen. "Der erste Impuls ist ja, dass man sich wütend an die Bank wendet", sagt Philipp Rehberg von der Verbraucherzentrale. "Davon würde ich abraten und lieber eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt die Beratungsprotokolle und Geeignetheitserklärungen prüfen lassen." Auf dieser Grundlage bekomme man dann Rat.
Bankenverband rät, ältere Angehörige zur Bank zu begleiten
Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. sieht die Hauptverantwortung übrigens nicht bei den Banken, sondern bei den Familien und rät, "frühzeitig mit älteren Angehörigen zu sprechen, und dafür zu sorgen, dass Bankgeschäfte ab einer festzulegenden Summe nicht alleine getätigt werden." Für Bernd Meier klingt das wie Hohn. Er und seine Eltern jedenfalls hoffen weiter darauf, dass die Volksbank vielleicht doch noch eine gütliche Einigung mit ihnen finden wird. Auch, wenn es danach gerade nicht aussieht.
Nachranganleihen - Unabhängig vom Alter nicht immer eine gute Idee
Als wäre alles das nicht schon unangenehm genug für die Familie, könnte es noch schlimmer kommen - und das liegt an der konkreten Form der Geldanlage. Bei der von Günter Meier unterzeichnete "Nachrang-Spareinlage". Solche Anlagen sind im schlimmsten Fall nämlich nicht durch die gesetzliche Einlagensicherung geschützt. Das bedeutet: Geht der Herausgeber einer solchen Anlage - zum Beispiel die Bank - pleite, ist das Geld des Kunden sogar ganz weg.