Zukunft auf dem Acker: Mini-Roboter statt schwere Maschinen
Die Landwirtschaft wie wir sie heute kennen gerät mehr und mehr in die Kritik. Probleme wie eine hohe Nirtritbelastung, Artenrückgang und Bodenverdichtung können nicht dadurch gelöst werden, dass Landwirte mit immer größeren Geräten auf größeren Flächen ihre Ernte einfahren. Im Gegenteil. Wissenschaftler des Julius-Kühn Instituts in Braunschweig mahnen zur Umkehr. Sie wollen große, eintönige Ackerflächen in viele kleine Bereiche mit verschiedenen Kulturpflanzen aufteilen und diese je nach Bedarf der einzelnen Pflanze mit Minirobotern bewirtschaften. Säen, düngen, Unkraut hacken, wässern und ernten - all das könnte künftig automatisch von kleinen Robotern erledigt werden.
Ackerflächen so bunt wie ein Bauerngarten mit einer Mischung aus verschiedenen Kulturpflanzen statt eintönige Monokulturen. Mittendrin fahren Miniroboter vom Umfang einer Milchtüte: Sie düngen, wässern und hacken das Unkraut automatisch, je nachdem, was die einzelnen Pflanzen gerade brauchen, um optimal zu wachsen. Und statt eines tonnenschweren Mähdreschers rollen mehrere Ernteroboter so groß wie Aufsitzrasenmäher übers Feld, um Rüben, Raps, Getreide oder Mais einzubringen.
So jedenfalls stellt sich Jens-Karl Wegener vom Julius Kühn-Institut in Braunschweig die Landwirtschaft der Zukunft vor. "Wir wollen mit weniger Inputströmen, also weniger Dünger, weniger Pflanzenschutzmittel, weniger Betriebsstoffe, am Ende des Tages mehr Ertrag von der Fläche generieren", sagt Wegener. "Aus unserer Sicht geht das nur, wenn es in einem neuen Pflanzenbausystem der Einzelpflanze so gut geht wie möglich."
Roboter gehen auf Pflanzenbedürfnisse ein
Die verschiedenen Arten sollen demnach viel gezielter mit Wasser sowie mit Dünge- und Pflanzenschutzmitteln versorgt werden. Miniroboter mit Kameras und Sensortechnik könnten dem Landwirt dabei helfen. Sie fahren zwischen den Reihen umher, kontrollieren die Feldpflanzen, stellen fest, was jede einzelne gerade braucht und machen Meldung. Dabei könnten die kleinen Helfer quasi nebenbei auch gleich noch Schädlinge wie zum Beispiel Schnecken einsammeln und mit einer kleinen Hacke den Boden von aufkeimenden Unkräutern befreien.
Der Ansatz der Wissenschaftler geht aber noch viel weiter: Sie schauen sich eine bisher einheitlich genutzte große Ackerfläche genau an und teilen sie in viele verschiedene Bereiche - in Spots - ein: "Die Idee ist nun, die Senke als eigenständigen Spot zu definieren, den Kopf als eigenständigen Spot zu definieren, und jetzt sich entsprechende Kulturpflanzen zu suchen, die auf die jeweiligen Eigenschaften der Spots gute Erträge liefern", erklärt Wegener. "In der Senke mit dem guten Boden sind das etwa Weizen oder Rüben, und auf dem Kopf eine Fruchtfolge, die zum Beispiel Roggen enthält oder Raps, der mit Wasserknappheit etwas besser auskommt als die anderen genannten Früchte."
Kleinteilige Felderformen und andere Erntemethode
Große Flächen sollen also viel kleinteiliger bewirtschaftet werden, je nach Bodenbeschaffenheit auf trockenen Kuppen oder feuchteren Senken, sodass jede Pflanze das bekommt, was sie braucht. Das Landschaftsbild könnte sich komplett verändern: Statt unendlicher Felder, könnte es bald viele runde, ovale oder längliche Ackerformen geben. Diese können dann nicht mehr mit großen Mähdreschern bewirtschaftet werden, dafür braucht man die neue Technik.
"Grundsätzlich ist geplant, dass mehrere kleine Roboter übers Feld fahren und die dann das Getreide ernten. Dabei wird es nicht so wie wir es heute machen abgeschnitten. Wir gehen im Weizen davon aus, dass der Roboter einfach nur die Ähren von den Stengeln abstreift", beschreibt Wegener den Unterschied zur herkömmlichen Ernte. Die Roboter seien mit verschiedenen Magazinen ausgestattet, es werde ein Magazin nach dem anderen befüllt. Wenn ein Magazin voll ist, wird dieses auf dem Feld abgelegt. Es gibt zudem einen Transportroboter, der dann den Ernteroboter mit einem neuen Magazin versorgt und das gefüllte Magazin zusammen mit anderen gefüllten Magazinen zum Feldrand bringt zum Überladen.
Noch ist alles reine Theorie
Die Ernteroboter tragen die Magazine auf dem Rücken - so ähnlich wie die Munition, die bei einem Revolver in der Trommel steckt. Einmal programmiert, fahren sie die Ernte automatisch ein. Danach werden sie umgerüstet, schneiden die noch auf dem Feld verbliebenen Stängel der Pflanzen ab und häckseln das Stroh vor Ort klein. Noch ist das alles aber graue Theorie, meint Hannes Hegewald vom Julius Kühn-Institut. Die Technik gibt es noch nicht, die Forscher müssen sie erst entwickeln.
Auch Aussaat soll verbessert werden
Unter anderem wollen sie auch einen speziellen Roboter für die Aussaat entwerfen, der jedes einzelne Korn gezielt ablegen kann - in einer sogenannten Gleichstandsaat. "Die Gleichstandsaat bedeutet, dass die Samen in einem Dreieckverband abgelegt würden, dieser Verband würde jeder Einzelpflanze einen optimalen Standraum verschaffen", sagt Hegewald. "In der Theorie ist es so, dass man dann davon ausgeht, dass die Pflanze die Ressourcen Licht, Wasser und Nährstoffe besser ausnutzen kann, da die Konkurrenz zu anderen Pflanzen verringert ist."
Noch werden die Saatkörner von der Maschine einfach in einer Reihe fallen gelassen, kullern dabei dann auch schon mal unkontrolliert zusammen und konkurrieren dann um Nährstoffe und Wasser. Durch die gezielte Gleichstandsaat soll das aber nicht passieren. Der Landwirt kann die Saat besser dosieren, das heißt weniger Saatgut verwenden, er spart Kosten. Und weil das Saatkorn oft mit einem Pflanzenschutzmittel ummantelt ist, spart er gleichzeitig auch das ein.
Eine Idee, die sich lohnt
Die Idee, mit Robotern auf dem Feld zu arbeiten, lohnt sich, das haben die Forscher ausgerechnet. "Wenn man beispielsweise Weizen mit dem Robotersystem bewirtschaften würde, würden die Verfahrenskosten in etwa die gleichen sein, wie wir sie heute haben", sagt Hegewald. Der resultierende Vorteil könne aber darin liegen, dass aufgrund der Standraumoptimierung, der Standortzuweisung, der bedarfsabhängigen Versorgung der Pflanze ein höherer Ertrag erreicht wird.
Ein kleiner Roboter für die Feldkontrolle würde etwa 900 Euro kosten, ein Ernteroboter etwa 20.000 bis 25.000 Euro. Dazu kommt, dass sie leichter sind als große Traktoren oder Mähdrescher. Sie können auch auf nassen, tiefen Böden fahren, ohne dabei einzusinken und sie zu verdichten. Und nicht zuletzt wirken sich die kleinteiligeren Felder positiv auf die Artenvielfalt aus.