Zu viele Aufgaben: Lehrkräfte haben zu wenig Zeit für Unterricht
Niedersachsens Lehrkräfte sind zu viel mit Aufgaben beschäftigt, die nicht zum Unterricht gehören. Das geht aus einem Bericht des Landesrechnungshofs hervor. Die Reaktionen fallen unterschiedlich aus.
2.170 Lehrerinnen und Lehrer könnten rein rechnerisch zusätzlich Unterricht geben, wenn das Land sie nicht auch für außerunterrichtliche Angebote an Ganztagsschulen einsetzen würde, schreibt der Landesrechnungshof in seinem am Donnerstag veröffentlichten Schulbericht. Im Klartext: Statt Biologie, Deutsch, Mathematik oder Sport zu unterrichten, müssen sich Lehrkräfte in Niedersachsen zusätzlich unter anderem um die Schul-IT, die Verwaltung von Klassenkonten oder die Abrechnung von Reisekosten kümmern. Hinzu kommen die angebotenen Arbeitsgemeinschaften an Ganztagsschulen. "Zur Sicherstellung des Pflichtunterrichts sollten Lehrkräfte nicht für reine Betreuungsaufgaben eingesetzt werden", sagt die Präsidentin des Landesrechnungshofs Sandra von Klaeden.
Beispiele für nichtunterrichtliche Aufgaben
An den Grundschulen ist demnach vor allem die IT ein Zeitfresser: Server-Pflege und Datenspeicherung gehören dort für die Lehrkräfte zum Alltag. Die Aufgaben, die nichts mit Pädagogik zu tun haben, binden laut Landesrechnungshof 67,5 Lehrerinnen und Lehrer mit voller Stundenzahl. 57 Vollzeitkräfte sind dagegen mit der Abrechnung der Reisekosten beschäftigt. Und das, obwohl es dafür eigentlich elektronische Systeme gibt. Darüber hinaus sind nach der Erhebung des Landesrechnungshofs 286 Lehrkräfte damit beschäftigt, Girokonten zu pflegen, auf die das Geld für Klassenfahrten überwiesen wird.
Landesrechnungshof fordert mehr Personal zur Entlastung
Nach Auffassung des Landesrechnungshofes verschärft das die Situation an den Schulen, die angesichts des Fachkräftemangels ohnehin schon angespannt ist. Im vergangenen Jahr lag die Unterrichtsversorgung nur bei 96,3 Prozent. "Bei dieser angespannten Lage sollte jede Möglichkeit genutzt werden, Lehrkräfte von unterrichtsfernen Aufgaben zu entlasten", sagt von Klaeden. Mehr pädagogische Mitarbeitende, IT-Expertinnen und Experten und Verwaltungsfachleute könnten den Schulalltag erleichtern.
Verbände fordern mehr Zeit für Unterricht
Die Auffassung vertritt nicht nur der Landesrechnungshof. Gewerkschaften und Verbände fordern schon lange mehr Entlastung. Franz-Josef Meyer vom Verband Bildung und Erziehung macht im Gespräch mit dem NDR Niedersachsen deutlich: "Die Lehrkräfte, die wir haben, müssen dringend ihre Profession ausüben - und dürfen nicht dafür eingesetzt werden, andere Aufgaben zu wuppen."
Kultusministerium warnt vor Hoffnung auf schnelle Lösungen
In einer ersten Reaktion hieß es aus dem Niedersächsischen Kultusministerium, man arbeite an vielen Stellen bereits an den vom Landesrechnungshof angesprochenen Problemen. "Ich warne aber dezidiert davor, zu suggerieren, es gäbe eine schnelle, einfache Lösung oder man könnte mit einer Maßnahme in Schulen die Probleme des Fachkräftemangels lösen", teilte Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) mit. Das Ministerium weißt darauf hin, dass in Niedersachsen bereits nicht-pädagogisches Personal eingestellt werde, um Lehrkräfte von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. In diesem Punkt erwarte sie zusätzliche Erkenntnisse aus dem laufenden Modellprojekt "Verwaltungsassistenz", so Hamburg.
Lehrerverbände stehen hinter den Forderungen
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nannte die Entlastung von Lehrkräften von "unterrichtsfernen Tätigkeiten" in einer Stellungnahme eine "Selbstverständlichkeit", die die GEW seit Jahren fordere. Gleichzeitig kritisierte die GEW die vom Landesrechnungshof angeregte Trennung von Pflichtunterricht und Ganztagesangebot. "Ein guter Ganztag beinhaltet immer auch ein pädagogisches Angebot, in dem Lehrkräfte benötigt werden", sagt der GEW-Landesvorsitzende Stefan Störmer. Der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL) sieht seine Positionen im Bericht des Landesrechnungshofs bestätigt. Lehrkräfte müssten von Verwaltungsaufgaben wie Lehrmittelausleihe, Reisekosten und Budgetverwaltung durch Einstellung von Verwaltungsassistenten entlastet werden, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung des VNL.
Bertelsmann-Studie: Zahl der Geburten geht zurück
Zumindest an den Grundschulen könnte sich der Lehrkräftemangel in ein paar Jahren entspannen. Das geht aus einer Bertelsmann-Studie hervor, die heute veröffentlicht wurde. Die Studienmacherinnen und -macher kommen zu dem Schluss: Ab Mitte des Jahrzehnts gibt es demnach wieder mehr ausgebildete Lehrkräfte als Stellen . Ursache dafür ist die Zahl der Geburten. Die ist nämlich rückläufig.
Lehrkräftemangel bald überwunden?
Ab 2028 wird die Geburtenrate der Studie zufolge stärker zurückgehen als angenommen. Demzufolge soll der Bedarf an Neuanstellungen an den Grundschulen von 2029 bis 2032 bundesweit besonders stark sinken. Für Bildungsforscher Dirk Zorn ein Lichtblick: "Der Lehrkräftemangel in der Grundschule wird schon bald vielerorts überwunden sein." Konkrete Zahlen für Niedersachsen liegen allerdings nicht vor.