NDRfragt: Mit Quereinstieg Lehrkräftemangel bekämpfen?
An der NDRfragt-Umfrage zum Thema Lehrkräftemangel haben sich 7.923 Menschen aus Niedersachsen beteiligt. 90 Prozent von ihnen gaben an, dass der Lehrkräftemangel das größte Problem an den Schulen ist. Ein Lösungsansatz: den Quereinstieg erleichtern.
Davon sind zumindest 29 Prozent der 7.923 Menschen überzeugt, die sich an der Umfrage beteiligt haben. Dabei sehen die Befragten durchaus Vorteile darin, Menschen an Schulen einzusetzen, die nicht auf Lehramt studiert haben. 26 Prozent sind überzeugt: Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger bringen frischen Wind in die Schulen und kommen mit einem kritischen Blick von außen ins Bildungssystem. Ein Viertel der Befragten denkt, dass so mehr Praxisbezug in den Unterricht gelangt.
Befragte haben Bedenken
Aber es gibt durchaus auch kritische Stimmen: Etwas mehr als ein Fünftel ist überzeugt, Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern sind wegen der fehlenden Erfahrung unsicher im Umgang mit Schülerinnen und Schülern. 18 Prozent denken, Quereinsteigende machen schlechteren Unterricht, weil ihnen die Ausbildung fehlt.
3,4 Prozent der Lehrkräfte in Niedersachsen Quereinsteiger
In Niedersachsen sind laut Kultusministerium 2.218 Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger an den Schulen im Einsatz. Das entspricht einem Anteil von 3,4 Prozent. "Quereinsteigende werden unsere Probleme in Schulen nicht lösen, sind aber ein Baustein. Wir wollen das weiter erleichtern und verbessern", sagt Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) dem NDR Niedersachsen.
Es läuft nicht alles rund
Und das Verbesserungspotenzial scheint es zu geben. Der Quereinstieg ist für die neuen Lehrkräfte nicht immer einfach. Und das hat auch mit dem Studienseminar zu tun, das sie parallel zum Unterricht im Klassenzimmer besuchen sollen. Das Ziel des Seminars: Pädagogische Inhalte lernen. Ina Loth, seit vier Jahren Physiklehrerin an der IGS Wedemark, sagt: "Mich hat das nicht besonders gut auf meine berufliche Tätigkeit vorbereitet, ich habe viel mehr von der Erfahrung meiner Kolleginnen und Kollegen hier an der Schule profitiert."
Reicht Vorbereitung nicht aus?
Das Seminar sei vor allem auf Referendarinnen und Referendare zugeschnitten, die viele pädagogische Kniffe schon längst kannten, sagt Loth. Sie hätte viel nachholen müssen. Die Quereinsteigerin fordert deshalb ein besseres Modell für alle, die neu in den Lehramtsberuf starten wollen. "Sicherlich lernt man noch einige pädagogische Inhalte, aber man muss sich trotzdem darauf einstellen, dass der Umgang mit vielen Kindern in einer Klasse auch eine große Herausforderung sein kann", macht Loth deutlich.
Gesamtschulen haben andere Anforderungen
Vor ihrer Zeit im Klassenzimmer hat sie in der Forschung gearbeitet. Ein großer Unterschied zum Alltag in einer Gesamtschule. Man brauchte mehr Geduld und eine einfachere Sprache, weiß die Physiklehrerin. Hinzu kommt eine Besonderheit an Gesamtschulen: Lerninhalte an die Kompetenz der Schülerinnen und Schüler anpassen. Heißt: Unterschiedliche Arbeitsblätter für lernstarke und lernschwache Kinder.
GEW fordert Mentoring-Programm
Je gemischter die Klassen, desto schwieriger kann der Quereinstieg sein, ist Stefan Störmer, Vorsitzender der Bildungsgewerkschaft (GEW), überzeugt. Störmer fordert deshalb ein Mentoring-Programm an den Schulen. Also extra Lehrkräfte, die sich darum kümmern, dass die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger gut in den Schulen ankommen. "Eine bessere Vorbereitung der Quereinsteigenden muss zwingend Teil der Reform der Lehrkraftsausbildung sein", ist der GEW-Vorsitzende überzeugt. Da müsse man umgehend ran. Denn schon jetzt steht fest: Die nächsten 10 bis 15 Jahren fehlen weiterhin Lehrkräfte. Und solange das so ist, wird es weiterhin Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger geben.