Zahnärzte befürchten Praxissterben in ländlichen Gebieten
Zahnärzte warnen vor Praxissterben in Niedersachsen. In einigen Regionen liege die Versorgung teilweise nur noch bei 70 Prozent. Junge Zahnmediziner arbeiten lieber als angestellte Ärzte.
Kaum Personal, zu viel Bürokratie, höhere Preise und Inflation: Das macht vielen Zahnärzten in Niedersachsen offenbar zunehmend das wirtschaftliche Überleben schwer. Schon heute könnten Praxen, deren Inhaberinnen und Inhaber in Rente gehen, kaum mehr nachbesetzt werden, sagte der Vizepräsident der Zahnärztekammer Niedersachsen (ZKN) Lutz Riefenstahl am Mittwoch in Hannover. Riefenstahl kritisierte das Stabilisierungsgesetz der Bundesregierung für gesetzliche Krankenversicherungen (GKV), das diese angespannte Situation noch verschärfe. Patientinnen und Patienten müssten als Folge mit längeren Wartezeiten rechnen.
Versorgung teilweise nur noch bei 70 Prozent
"Wir versuchen, in der Fläche überall zahnmedizinisch zu versorgen", versicherte Carsten Vollmer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KZVN). Allerdings liege die Versorgung etwa in Ostfriesland, im Raum Peine oder in Lüchow-Dannenberg schon jetzt teilweise nur noch bei 70 Prozent. Viele junge Kolleginnen und Kollegen würden lieber als Angestellte mit reduzierter Stundenzahl arbeiten, als unter den schlechten Bedingungen das Risiko einer Selbstständigkeit einzugehen. Die aktuellen Spargesetze des Bundes bezeichnet Vollmer als Brandbeschleuniger für das Praxensterben.
AOK Niedersachsen weist Vorwürfe zurück
Mit dem 2022 vom Bundestag verabschiedeten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz sei eine "drastische Budgetierung zahnärztlicher Leistungen" beschlossen worden, heißt es in einer Pressemitteilung der ZKN. Laut KZVN ergeben sich daraus deutliche Honorarkürzungen für die Jahre 2023 und 2024. Die AOK Niedersachsen weist die Vorwürfe zurück. Es gebe keine Honorarkürzungen durch drastische Budgetierungen, teilte die Krankenkasse am Mittwoch mit. Von Jahr zu Jahr seien die Zahlungen an die Vertragszahnärzte erhöht worden, auch 2023, "nur eben nicht in der Höhe, wie es sich die Vertragszahnärzte gewünscht haben", heißt es in einer Stellungnahme. Gleichwohl würden durch die Rückkehr zur Einzelleistungsvergütung mit Obergrenze die Einkommenszuwächse der Zahnärzte begrenzt. Der Gesetzgeber sehe dies als Anteil der Zahnärzte zur Finanzierung der GKV, so die AOK.
Gesundheitsministerium betrachtet Deckelung kritisch
Das niedersächsische Gesundheitsministerium teilte mit, dass man "in der derzeitigen Lage die Deckelung der zahnärztlichen Vergütung bei den Parodontitisbehandlungen" kritisch sehe. Dieser Schritt der Bundesregierung werde derzeit überprüft. Sollte diese Deckelung negative Auswirkungen für die Patientinnen und Patienten haben, werde Niedersachsen eine Initiative zur Herausnahme der Parodontitis-Therapie aus der Budgetierung auf den Weg bringen.
Protestkundgebung am kommenden Mittwoch
Für kommenden Mittwoch haben ZKN, KZVN und zwei weitere Berufsorganisationen der Zahnärzte zu einem gemeinsamen Protest in Hannover aufgerufen. Aus dem ganzen Land wollen Zahnmediziner mit ihrem Fachpersonal zu der Kundgebung in der Nähe des Landtags in Hannover kommen. Die Organisatoren rechnen mit bis zu 2.000 Protestierenden.