Problem Massentourismus? Niedersachsen hat es im Griff
Massentourismus kann negative Folgen für Umwelt und Bewohner haben. In Niedersachsen gibt es laut Tourismusforschern wenig Probleme. Allein auf Norderney wird über ein Verbot von Ferienwohnungen diskutiert.
In Barcelona protestierten im vergangenen Sommer Tausende gegen Massentourismus, Venedig verlangt Eintrittsgeld. Und Niedersachsens Tourismus-Hotspots - Harz, Küste, Lüneburger Heide? "Da geht es in die andere Richtung", sagt Stefan Küblböck, Professor für Tourismus- und Freizeitmanagement an der Ostfalia Hochschule in Salzgitter.
Niedersachsens Tourismusbranche hofft auf mehr Touristen
Nach Angaben der IHK Niedersachsen (IHKN) blickt die niedersächsische Tourismusindustrie mit Sorge in die Zukunft, wegen zu hoher Arbeitskosten, fehlender Planbarkeit und des Fachkräftemangels. Marktforscher hatten außerdem im Nordsee-Tourismus-Report 2024 von 11 Prozent weniger Besuchern an der gesamten deutschen Nordseeküste berichtet. Man hoffe daher eher, die Touristenzahlen halten zu können, so Küblböck.
Norderney: Niedersachsens Tourismus-Hotspot
Dennoch: Norderney sei einer der touristisch am meisten besuchten Orte Niedersachsens - und das sei spürbar. Auf rund 6.000 Einwohner kommen im Jahr etwa 3,6 Millionen Übernachtungen. "Das ist ein gigantischer Wert, der Spuren hinterlässt", so Küblböck. Strände, Straßen und Restaurants seien extrem voll. Weil die Infrastruktur in Deutschland allerdings gut aufgestellt ist, können ihm zufolge die Lasten des Massentourismus besser kompensiert werden als anderswo. "Auch an Orten mit hohem Tourismusaufkommen, gibt es eine gute Müll- und Abwasserentsorgung sowie Stromversorgung."
Natur und Tierschutz: Lehren aus Tourismus-"Sünden"
Vor allem in der Vergangenheit seien für den Tourismus einige "Sünden" begangen worden, wie Bauten in ökologisch sensiblen Bereichen oder riesige Hotelanlagen, die sich nicht ins Landschaftsbild integrierten, so Küblböck. Daraus seien allerdings Lehren gezogen worden. Heute sei man besonders auf Natur-, Tier- und Umweltschutz sehr bedacht. "Dafür, dass es so viele Touristen sind, läuft es verhältnismäßig sehr gut in Niedersachsen", so Küblböck.
Diskussion über ein Verbot von Ferienwohnungen
Die Schattenseiten des Massentourismus in Norderney sehe man aber vor allem in einem Bereich: Mietpreise und Wohnungsmangel. "Mit einem normalen Einkommen ist es unglaublich schwer, ein vernünftiges Leben zu führen", sagt der Tourismuswissenschaftler. Für Entlastung auf dem Wohnungsmarkt könnte ein Verbot von Ferienwohnungen führen, das derzeit auf Norderney diskutiert wird. Bislang ist die sogenannte Zweckentfremdungssatzung gültig, die besagt, dass Ferienwohnungen von der Stadt genehmigt werden müssen. Diese Satzung muss nun erneuert und könnte verschärft werden. Ferienwohnungen zumindest einzudämmen, könnte laut Küblböck zum einen die Bevölkerung am Mietmarkt schützen. Zum anderen würden auch Unternehmen profitieren, wenn durch mehr Wohnraum Fachkräfte auf der Insel leben könnten und nicht vom Festland aus täglich mit der Fähre pendeln müssten.
Bewusster Umgang mit Massentourismus
Und Orte, die stärker unter dem Massentourismus leiden, wie Venedig oder Madrid? Auf eine Reise dorthin müsse man nicht verzichten, sagt Küblböck. Allerdings solle jeder ein Bewusstsein für die Folgen von Tourismus haben und sich damit auseinandersetzen, wie und wann man verreist. "Schließlich sind Reisen und interkulturelle Begegnungen wahnsinnig schön und wertvoll."