Überfüllter Strand im Sommer © picture alliance dpa Zentralbild Foto: Jens Kalaene

Problem Massentourismus? Niedersachsen hat es im Griff

Stand: 09.01.2025 14:37 Uhr

Massentourismus kann negative Folgen für Umwelt und Bewohner haben. In Niedersachsen gibt es laut Tourismusforschern wenig Probleme. Allein auf Norderney wird über ein Verbot von Ferienwohnungen diskutiert.

von Viktoria Koenigs

In Barcelona protestierten im vergangenen Sommer Tausende gegen Massentourismus, Venedig verlangt Eintrittsgeld. Und Niedersachsens Tourismus-Hotspots - Harz, Küste, Lüneburger Heide? "Da geht es in die andere Richtung", sagt Stefan Küblböck, Professor für Tourismus- und Freizeitmanagement an der Ostfalia Hochschule in Salzgitter.

Niedersachsens Tourismusbranche hofft auf mehr Touristen

Nach Angaben der IHK Niedersachsen (IHKN) blickt die niedersächsische Tourismusindustrie mit Sorge in die Zukunft, wegen zu hoher Arbeitskosten, fehlender Planbarkeit und des Fachkräftemangels. Marktforscher hatten außerdem im Nordsee-Tourismus-Report 2024 von 11 Prozent weniger Besuchern an der gesamten deutschen Nordseeküste berichtet. Man hoffe daher eher, die Touristenzahlen halten zu können, so Küblböck.

Norderney: Niedersachsens Tourismus-Hotspot

Ein Portrait von Stefan Küblböck. © Stefan Küblböck
Niedersachsens Infrastruktur ist auf viele Touristen gut vorbereitet, sagt Stefan Küblböck .

Dennoch: Norderney sei einer der touristisch am meisten besuchten Orte Niedersachsens - und das sei spürbar. Auf rund 6.000 Einwohner kommen im Jahr etwa 3,6 Millionen Übernachtungen. "Das ist ein gigantischer Wert, der Spuren hinterlässt", so Küblböck. Strände, Straßen und Restaurants seien extrem voll. Weil die Infrastruktur in Deutschland allerdings gut aufgestellt ist, können ihm zufolge die Lasten des Massentourismus besser kompensiert werden als anderswo. "Auch an Orten mit hohem Tourismusaufkommen, gibt es eine gute Müll- und Abwasserentsorgung sowie Stromversorgung."

Natur und Tierschutz: Lehren aus Tourismus-"Sünden"

Vor allem in der Vergangenheit seien für den Tourismus einige "Sünden" begangen worden, wie Bauten in ökologisch sensiblen Bereichen oder riesige Hotelanlagen, die sich nicht ins Landschaftsbild integrierten, so Küblböck. Daraus seien allerdings Lehren gezogen worden. Heute sei man besonders auf Natur-, Tier- und Umweltschutz sehr bedacht. "Dafür, dass es so viele Touristen sind, läuft es verhältnismäßig sehr gut in Niedersachsen", so Küblböck.

Diskussion über ein Verbot von Ferienwohnungen

Die ostfriesische Insel Norderney erstreckt sich über die Nordsee. © picture alliance / Ingo Wagner/dpa | Ingo Wagner Foto: Ingo Wagner
Auf Norderney sind Ferienwohnungen bei Touristen sehr beliebt.

Die Schattenseiten des Massentourismus in Norderney sehe man aber vor allem in einem Bereich: Mietpreise und Wohnungsmangel. "Mit einem normalen Einkommen ist es unglaublich schwer, ein vernünftiges Leben zu führen", sagt der Tourismuswissenschaftler. Für Entlastung auf dem Wohnungsmarkt könnte ein Verbot von Ferienwohnungen führen, das derzeit auf Norderney diskutiert wird. Bislang ist die sogenannte Zweckentfremdungssatzung gültig, die besagt, dass Ferienwohnungen von der Stadt genehmigt werden müssen. Diese Satzung muss nun erneuert und könnte verschärft werden. Ferienwohnungen zumindest einzudämmen, könnte laut Küblböck zum einen die Bevölkerung am Mietmarkt schützen. Zum anderen würden auch Unternehmen profitieren, wenn durch mehr Wohnraum Fachkräfte auf der Insel leben könnten und nicht vom Festland aus täglich mit der Fähre pendeln müssten.

Bewusster Umgang mit Massentourismus

Und Orte, die stärker unter dem Massentourismus leiden, wie Venedig oder Madrid? Auf eine Reise dorthin müsse man nicht verzichten, sagt Küblböck. Allerdings solle jeder ein Bewusstsein für die Folgen von Tourismus haben und sich damit auseinandersetzen, wie und wann man verreist. "Schließlich sind Reisen und interkulturelle Begegnungen wahnsinnig schön und wertvoll."

Massentourismus oder Overtourism - Das ist der Unterschied

Massentourismus
Von Massentourismus spricht man bei einer hohen Dichte von Tourismus an einem Ort, sagt Stefan Küblböck, Professor für Tourismus- und Freizeitmanagement an der Ostfalia Hochschule in Salzgitter. Bei Massentourismus gibt es große Hotelanlagen, Flughäfen in der Nähe, Infrastruktur - also einen kleinen Raum, an dem hochverdichtet Tourismus angeboten wird.

Overtourism
Während Massentourismus eine neutrale Beschreibung ist, ist Overtourism demnach eine Bewertung. Von Overtoursim spricht man, wenn jemand den Tourismus als zu viel empfindet, so Küblböck. Beispielsweise wenn Einwohner beklagenn, dass ihre Lebensqualität darunter leidet. Von Overtourism wird auch gesprochen, wenn touristische Angebote ganze Ökosysteme stören.

Weitere Informationen
Blick in eine verregnete Fußgängerzone in einem Ostsee-Urlaubsort. © Screenshot
3 Min

Tourismusabgabe: Preissteigerungen an Nord- und Ostsee

In St. Peter-Ording wird die Kurtaxe in der Hauptsaison von drei auf vier Euro pro Tag erhöht - andere Gemeinden wollen folgen. (22.10.2024) 3 Min

Einheimische auf Mallorca protestieren gegen die Touristenmassen in ihrer Heimat. © Screenshot

NDR 2 Spezial - Das Thema: Overtourism – Wenn Massentourismus zur Last wird

Nicht überall freuen sich die Menschen über steigende Touristenzahlen. Wo kann ich am besten Urlaub machen, um nicht Teil des Problems zu sein? (07.08.2024) mehr

. © Screenshot

NDR Info live: Wie schädlich ist zu viel Tourismus?

Sommerferien, Reisezeit, überfüllte Traumziele: Wie schädlich ist zu viel Tourismus und was können Kommunen tun? (26.06.2024) mehr

Zahlreiche Gäste tummeln sich am Strand von St. Peter Ording. © Telenewsnetwork

Zu viel Tourismus: Wenn Einheimische auf der Strecke bleiben

2,7 Millionen Gästeübernachtungen bei 4.000 Einwohnern: Die Gemeinde St. Peter-Ording will das Verhältnis von Touristen und Gästen neu ordnen. (07.07.2023) mehr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Meer und Küste

Tourismus

Mehr Nachrichten aus Niedersachsen

Fahrzeuge sind bei starkem Schneefall auf einer Hauptverkehrsstraße unterwegs. © Christian Charisius/dpa Foto: Christian Charisius

Schnee und Glätte sorgen für Unfälle, Sperrungen und Schulausfälle

In der Region Hannover wurde der Busverkehr eingestellt. In drei Landkreisen fällt am Freitag der Unterricht an Schulen aus. mehr