Nach Pistorius-Absage: Genossen stärken Scholz den Rücken

Stand: 23.11.2024 09:14 Uhr

Lange ist spekuliert worden, nun ist klar: Verteidigungsminister Boris Pistorius tritt bei der kommenden Bundestagswahl nicht als Kanzlerkandidat der SPD an. Niedersachsens Ministerpräsident Weil und andere Parteifreunde begrüßen das.

"Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten finden auch richtig, dass wir mit Olaf Scholz in den nächsten Bundestagswahlkampf ziehen", sagte Stephan Weil (SPD) am Donnerstag. In Krisenzeiten sei es von "fundamentaler Bedeutung", dass mit Erfahrung und Umsicht regiert werde, so Niedersachsens Ministerpräsident weiter. An der Spitze der Bundesregierung müsse jemand stehen, der "sicher dafür sorgt, dass wir keinen Krieg haben werden und dass wir alle Möglichkeiten für Frieden nutzen", sagte Weil. Man werde in Zukunft einen anderen Kanzler erleben, der klar seine Positionen vertrete und glaubwürdig sozialdemokratische Werte verkörpere. Der Kanzler sei von den "Fesseln der Ampel" befreit.

Videos
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) spricht in einem Interview. © NDR
1 Min

Kanzler-Frage: Weil spricht sich für Olaf Scholz aus

Angesichts der steigenden Bedrohungslage in der Ukraine brauche es Erfahrung und Umsicht, so der Ministerpräsident. 1 Min

SPD reagiert mit Erleichterung und Zuspruch

Die Doppelspitze der SPD äußerte sich ebenfalls zu der Entscheidung von Pistorius. Lars Klingbeil, der im niedersächsischem Soltau geboren wurde und in Munster (Heidekreis) aufwuchs, betonte, dass es nun um Geschlossenheit gehe und darum, "dass wir uns gemeinsam als SPD aus dieser Situation herauskämpfen". Olaf Scholz soll nach Angaben von Klingbeil am Montag offiziell nominiert werden. Saskia Esken bezeichnete die Entscheidung von Boris Pistorius als "souverän". Sie bedeute "ein großes Zeichen der Solidarität zur SPD und Bundeskanzler Olaf Scholz", sagte sie der "Rheinischen Post". Der SPD-Bundestagsabgeordnete Christos Pantazis aus Braunschweig sagte, er sei froh, dass dieses Thema nun endlich beendet sei. "Ich sage es ganz offen: Diese Debatte war überflüssig", fügte er hinzu.

Verständnis für Rufe nach Pistorius

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bewertete dies anders und äußerte Verständnis für diejenigen, die Boris Pistorius anstelle von Scholz ins Rennen schicken wollten. Pistorius sei ein "starker und erfolgreicher Verteidigungsminister, der beste Anerkennung hat", so Tschentscher. Dennoch sei für ihn Olaf Scholz "die richtige Besetzung". Die Landesvorsitzende der SPD Schleswig-Holstein und stellvertretende Bundesvorsitzende Serpil Midyatli sagte: "Deutschland braucht Olaf Scholz". "Mir graut es vor Friedrich Merz, der die Uhren in die Vergangenheit zurückdrehen will", so Midyatli mit Blick auf den Kanzlerkandidaten der CDU/CSU. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sprach sich für Olaf Scholz aus. Gerade in international unsicheren Zeiten sei es wichtig, auf einen krisenerfahrenen Kanzler zu setzen, sagte die SPD-Landesvorsitzende am Freitag in Berlin. "Herr Merz war noch nicht einmal ehrenamtlicher Bürgermeister, er hat keine Regierungserfahrung", sagte Schwesig mit Blick auf den Herausforderer von der Union.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (l.) und Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) unterhalten sich © Kay Nietfeld/dpa Foto: Kay Nietfeld/dpa
Verteidigungsminister Boris Pistorius (links) hat Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) den Rücken gestärkt.
Pistorius kandidiert nicht als Bundeskanzler

Er stehe nicht für die Kandidatur um das Amt des Bundeskanzlers zur Verfügung - das hat Boris Pistorius (SPD) am Donnerstagabend in einer Videobotschaft bekanntgegeben. Dies sei seine eigene und ganz persönliche Entscheidung, sagte der 64 Jahre alte ehemalige niedersächsische Innenminister. Er habe die Debatte nicht angestoßen und sich nicht ins Gespräch gebracht. Pistorius betonte, dass Olaf Scholz ein "hervorragender Bundeskanzler" sei. Scholz habe dafür gesorgt, dass die Ukraine mit Deutschland "den größten Unterstützer in Europa hat". Scholz stehe für "Vernunft und Besonnenheit", und das sei in Zeiten globaler Umbrüche von besonderer Bedeutung. Scholz sei der "richtige Kanzlerkandidat". Die Diskussion um die Kanzlerkandidatur hätten zu Verunsicherungen in der SPD und zu Irritationen bei den Wählerinnen und Wählern gesorgt, "das schadet meiner Partei". Pistorius war im Januar 2023 von Hannover nach Berlin gewechselt und folgte dort als Verteidigungsminister auf Christine Lambrecht (SPD).

Die Bundesvorsitzenden der SPD Lars Klingbeil und Saskia Esken geben ein Pressestatement. © Michael Kappeler/dpa
AUDIO: Kritik an SPD-Parteispitze nach Diskussion um Kanzlerkandidatur (5 Min)

Norddeutsche hätten Pistorius für guten Kandidaten gehalten

Bevor Pistorius seine Entscheidung bekannt gab, hatte eine repräsentative Umfrage von infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend gezeigt, dass in Norddeutschland 68 Prozent der Menschen Pistorius für einen guten Kanzlerkandidaten gehalten hätten. Nur gut jeder Vierte empfand Olaf Scholz als guten Kandidaten für die SPD. Die Umfrage zeigt auch, dass beide Politiker im Norden besser bewertet werden als in ganz Deutschland.

Deutschlandtrend: 60 Prozent für Pistorius

Deutschlandweit halten laut der Umfrage 60 Prozent der Befragten Pistorius für eine gute Wahl. Nur jeder fünfte würde Olaf Scholz wählen. Friedrich Merz (CDU) halten demnach 42 Prozent für einen guten Kandidaten seiner Partei. Die anderen Kandidaten liegen dahinter. Die SPD kommt dem ARD-Trend zufolge auf 14 Prozent, genau wie die Grünen. Die Union würde stärkste Kraft, die AfD würde auf Platz zwei landen.

 

Weitere Informationen
Die Co-Vorsitzende der Jusos Bezirk Hannover, Lisa Jarmuth © Rojin Emilia-Penelope Borcekli
5 Min

Jarmuth: "Debatte um Kanzlerkandidatur hat SPD enorm geschadet"

Die Juso-Bezirksvorsitzende in Hannover sieht die Verantwortung dafür klar bei der Spitze ihrer Partei. Diese sei offenbar ohne Plan in diesen Prozess "hineingestolpert", sagte sie auf NDR Info. 5 Min

Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, nimmt an der Sitzung des Bundestags mit der Regierungsbefragung teil. © picture alliance / Thomas Koehler/photothek.de Foto: Thomas Koehler

Pistorius wird nicht Kanzlerkandidat der SPD

Der Bundesverteidigungsminister tritt bei der kommenden Bundestagswahl nicht als Kanzlerkandidat der SPD an. Das erklärte er in einer Videobotschaft. Mehr bei tagesschau.de. extern

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) spricht in ein Mikrofon. © picture alliance/dpa Foto: Sven Hoppe

Pistorius: "Stehe nicht für Kanzlerkandidatur zur Verfügung"

Das erklärte der Verteidigungsminister in einer Videobotschaft. Zuvor bekam der SPD-Politiker im ARD-DeutschlandTrend deutlich mehr Zustimmung als Kanzler Olaf Scholz. mehr

Boris Pistorius, Doris Schröder-Köpf und Herbert Schmalstieg bei der Abschlussveranstaltung der SPD im Landtagswahlkampf 2022 in Hannover © picture alliance Foto: Ulrich Stamm/Geisler-Fotopress

Schmalstieg: "Pistorius muss jetzt sagen, ich kandidiere nicht"

Der langjährige ehemalige Oberbürgermeister von Hannover hält die aktuelle Debatte um die Kanzlerfrage in der SPD für unwürdig. (21.11.2024) mehr

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, r) und Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung am 04. September 2024 © picture alliance/dpa Foto: Christian Charisius

SPD Niedersachsen: Pistorius der bessere Kanzlerkandidat?

Viele Parteimitglieder würden lieber Boris Pistorius als Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten küren. Offen sagen will das bisher aber niemand. (15.11.2024) mehr

Dieses Thema im Programm:

Aktuell | 22.11.2024 | 15:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

SPD

Mehr Nachrichten aus Niedersachsen

Chiara und David stehen in einem Studio. © NDR

Chiara & David entdecken Niedersachsen

NDR Niedersachsen goes viral! Unsere neuen Hosts suchen nach spannenden Geschichten. Von Euch, für Euch und natürlich vertikal. mehr