Migration: Wenn Arbeiten gewünscht, aber verboten ist
Für seinen Gartenbaubetrieb in Ankum (Landkreis Osnabrück) sucht Christof Hafer Mitarbeiter. Brzi Adzovic aus Montenegro will arbeiten, doch er darf nicht. Experten sehen Nachholbedarf in der Migrationspolitik.
Christof Hafer hat einen Gartenbaubetrieb in Ankum, Landkreis Osnabrück. Vor allem im Sommer hat er weit mehr Aufträge, als er mit seinen derzeit drei Mitarbeitern erledigen kann. "Uns fehlen ganz normale Leute, die auch Hilfsarbeiten machen", sagt er dem NDR Niedersachsen. Es gehe vor allem um Anlernarbeiten, Pünktlichkeit und Engagement. Christof Hafer hat sich beim NDR Niedersachsen gemeldet, weil er sich geärgert hat, nachdem er bei Hallo Niedersachsen einen Beitrag über Brzi Adzovic gesehen hat. Auch andere Zuschauer und Zuschauerinnen haben geschrieben, weil sie von seiner Geschichte beeindruckt waren.
Adzovic verdient 80 Cent pro Stunde
Der 29-Jährige lebt seit September in der Landesaufnahmeeinrichtung in Braunschweig, mit seiner schwangeren Frau und zwei Kindern. Er würde gerne arbeiten, versichert er. In dem Camp für Geflüchtete übernimmt Brzi Adzovic kleinere Dienstleistungen wie Müll aufsammeln - 80 Cent bekommt er dafür pro Stunde. In der Landesaufnahme sind das beliebte Tätigkeiten, weil sie dem Tag Struktur geben und ein wenig Geld bringen. Dem NDR sagt er: "Für mich ist das viel Geld. Ich will nicht vom Staat leben, sondern selbst Geld verdienen. Egal, was für ein Job es wäre."
Leben auf der Müllkippe
Brzi Adzovic spricht deutsch, kann es lesen und passabel schreiben, weil er in Hamburg geboren wurde und dort die Grundschule besuchte. Mit neun Jahren wurde er mit seiner Mutter nach Montenegro abgeschoben. Damit änderte sich sein Leben jäh. Die letzten Jahre lebte er mit seiner Familie am Rande einer Müllkippe in einer selbst gebauten Wellblechhütte. Als Roma seien sie ausgegrenzt, die Kinder geschlagen und verletzt worden. Es gehe ums reine Überleben, erzählt er 2019 einem Kamerateam des NDR, das ihn damals zufällig auf der Müllkippe interviewt.
"Erwerbstätigkeit nicht gestattet"
Doch Montenegro gilt als sicheres Herkunftsland, der Asylantrag der Familie wurde vom Bundesamt für Migration abgelehnt. Brzi Adzovic hat sich Geld für einen Anwalt geliehen und Widerspruch eingelegt, der Ausgang ist offen. Abgelehnte Asylbewerber dürfen nicht arbeiten. Ausreisen und auf ein offizielles Arbeitsvisum hoffen, ist jedoch kaum eine Alternative, denn die bürokratischen Hürden dafür sind hoch. Ihm fehlen die Dokumente, etwa ein Pass aus Montenegro, erklärt Adzovic, der trotz geklärter Herkunft deshalb behördlich als "staatenlos" gilt. Als Angehöriger der Minderheit der Roma seien ihm Papiere verweigert worden. Kein Einzelfall, schätzt der Flüchtlingsrat auf Nachfrage ein.
Migrationsexperte: Nachholbedarf bei Bundesregierung
Professor Hannes Schammann, der sich an der Universität Hildesheim mit Migrationspolitik beschäftigt, sieht Nachholbedarf bei der Bundesregierung: "Wir sehen an diesem Fall, dass die Regelungen zur Arbeitsmigration zu eng und stark auf Hochqualifizierte ausgerichtet sind", sagte der Politikwissenschaftler im Interview mit dem NDR Niedersachsen. "Ganz normale Arbeitskräfte, die wir auch dringend brauchen, schließen wir aus und zwingen sie letztlich ins Asylverfahren." Irritiert blickt Christof Hafer, der Geschäftsführer des Gartenbaubetriebes, auf die Situation. Er braucht Mitarbeiter, Adzovic braucht Arbeit - doch die aktuellen Regeln verhindern, dass beide Lösungen finden. Hafer plädiert für mehr Flexibilität: "Warum schicken wir so einen, der sagt, er will arbeiten, zurück auf die Müllkippe, während wir gleichzeitig in Mexiko und sonst wo Arbeitskräfte anwerben? Ich verstehe das nicht."
Ehrenamt bei der Flüchtlingshilfe
Brzi Adzovic fällt es schwer zu warten, bis die Behörden über ihn und seine Familie entscheiden. Er engagiert sich ehrenamtlich bei der Flüchtlingshilfe in Braunschweig, schippt Schnee, repariert defekte Gegenstände und sortiert Spenden - alles, was anfällt.