Luxusgut Pflege: Verbände fordern Entlastung für Heimbewohner

Stand: 30.01.2025 18:16 Uhr

Mehr als 2.500 Euro im Monat müssen pflegebedürftige Menschen in Niedersachsen für ihren Platz im Pflegeheim aus eigener Tasche zahlen. Das belegen Zahlen der Ersatzkassen. Wer kann sich das noch leisten?

von Jule Lampe

Johanne Henning sitzt im Rollstuhl. © NDR
Johanne Henning lebt seit gut drei Jahren im Heim.

Es geht um die Beträge für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen, die von den Bewohnern gezahlt werden müssen, weil die Pflegekassen diese Kosten nicht übernehmen. Kosten, die auch Johanne Henning über den Kopf zu wachsen drohen. Die 76-Jährige lebt seit gut drei Jahren in einem Pflegeheim in Hannover. Wie viele andere hat auch sie ihr Leben lang gearbeitet, Geld gespart. Doch nun fürchtet sie, dass ihr Erspartes und die Rente nicht mehr ausreichen. Denn die Pflegeversicherung zahlt nur einen Teil der Pflegekosten. Auch die gestiegenen Löhne für Pflegekräfte deckt die Pflegeversicherung nicht ab. Viel Geld also, das die Versicherten zusätzlich für ihren Heimplatz aufbringen müssen.

Und die Eigenanteile steigen immer weiter

"Wir haben immer für uns gesorgt. Wir haben nie was vom Staat genommen und dann muss ich im Alter zum Sozialamt gehen und mir da Geld holen, weil ich das hier nicht mehr bezahlen kann. Das kann doch nicht der Anspruch sein", sagt Henning. Noch reicht ihr Geld aus, sagt sie. Doch Tarifsteigerungen, höhere Energie- und Lebensmittelpreise treiben die Eigenanteile für die Bewohnerinnen und Bewohner seit Jahren in die Höhe.

Kosten treiben Bewohner in die Sozialhilfe

Rollstuhl steht in einem leeren Gang im Pflegeheim © NDR
Was bleibt im Alter, wenn das ganze Geld für die Pflege ausgegeben werden muss?

Wer nicht zahlen kann, der hat dann nur noch die Möglichkeit, Sozialhilfe zu beantragen, also einen Antrag auf "Hilfe zur Pflege" zu stellen. Über 300 Millionen Euro wurden 2023 in diesem Kontext ausgezahlt, 40 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Das zeigen Zahlen des Landesamtes für Statistik. "Ich habe Angst davor, dass es mich trifft, ich dann einige Dinge nicht mehr zahlen kann. Denn es geht ja auch nicht, dass ich nur die Pflege habe. Ich habe auch einen Handyvertrag, gehe zum Frisör oder zu Fußpflege." Als Sozialhilfeempfängerin bekäme sie nur noch ein schmales Taschengeld ausgezahlt.

Auch für die Sozialhilfeträger ein Ärgernis: "Eine Heimbetreuung darf nicht zum Armutsrisiko für Ältere und Pflegebedürftige werden. Defizite in der Altenpflege über die Sozialhilfe zu kompensieren, ist eine Zumutung für die Betroffenen und eine Fehlbelastung öffentlicher Haushalte", sagt Prof. Dr. Hubert Meyer, Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Landeskreistages.

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Erste Reformen verbessern die Situation kaum

Mit der jüngsten Pflegereform hat die noch amtierende Bundesregierung bereits auf die steigenden Kosten reagiert. Zum 1. Januar 2024 wurden Pflegegeld, Pflegesachleistungen und die Zuschläge für die Pflege erhöht. Die Zuschläge sind allerdings abhängig von der Verweildauer im Heim. Erst nach drei Jahren wirkt die Entlastung nachhaltig, weil die Pflegekasse die reinen Pflegekosten dann zu immerhin 75 Prozent erstattet. Das allerdings erleben die wenigsten: Nach einer aktuellen Abfrage der Caritas versterben die meisten Heimbewohner statistisch betrachtet innerhalb der ersten zwei Jahren.

Diakonie fordert neue Kostenverteilung

Der Diakonie in Niedersachsen reichen diese Maßnahmen auch deshalb nicht aus. Sie fordert eine deutliche Veränderung mit Blick auf Struktur und Leistungen: "Pflege ist deutlich teurer geworden und die Pflegeversicherung als Teilkaskoversicherung bildet das einfach nicht ab", sagt Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher der Diakonie Niedersachsen. Die Diakonie fordert deshalb einen festen Eigenteil für die Versicherten einzuführen. Den variablen Teil müsse dann die Pflegeversicherung tragen.

Kassen gehen von steigenden Ausgaben aus

Doch demgegenüber stehen erhebliche Finanzierungsprobleme. So hat die Pflegeversicherung im vergangenen Jahr ein Defizit von 1,55 Milliarden Euro verzeichnet. Das zeigen vorläufige Zahlen des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), der auch die Pflegekassen vertritt. Zwar wurde im Zuge der Pflegereform auch der allgemeine Beitragssatz angehoben, wodurch das Minus vermutlich auf rund 300 Millionen Euro sinken wird. Doch nach Angaben von GKV-Chefin Doris Pfeiffer werden 2026 erheblich steigende Ausgaben erwartet.

Wahlthema Pflege: Politik verspricht Entlastung

In den Wahlprogrammen gehen alle Parteien auf diese Entwicklung ein, verfolgen allerdings unterschiedliche Pläne bei der Umsetzung:

Die Pläne der SPD

Im Zentrum der Pläne der SPD steht eine Deckelung der Eigenbeteiligung auf 1.000 Euro. Zudem sollen Betroffene und pflegende Angehörige stärker unterstützt werden. Zum Beispiel durch mehr Beratungsangebote, bessere Chancen auf dem Wohnungsmarkt sowie bessere berufliche Freistellungen.

Die Pläne der CDU

Die CDU setzt in ihrem Wahlprogramm vor allem auf veränderte Finanzierung der Pflege. So soll ein Mix aus gesetzlicher Pflegeversicherung, betrieblicher Mitfinanzierung, Steuermitteln und eigener Vorsorge die Pflege bezahlbar machen und finanzielle Belastungen reduzieren. Auch Rahmenbedingungen, wie mehr Personal in der Pflege, weniger Bürokratie und neue Pflegemodelle sind Ziele der CDU.

Die Pläne von Bündnis90/Grüne

Die Grünen wollen pflegende Angehörige besser finanziell absichern. Zudem soll ihnen mehr Flexibilität bei der Pflege ihrer Angehörigen gewährt werden. Gleichzeitig sollen die Rahmenbedingungen im Pflegeberuf verbessert werden, etwa durch weniger Bürokratie und mehr Personal. Kapitaleinnahmen sollen zudem zur Finanzierung des Pflegesystems herangezogen werden.

Die Pläne der FDP

Die FDP will mehr Anreize für eine private Vorsorge schaffen. Die Finanzierung der Pflegeversicherung soll durch eine kapitalgedeckte Komponente ergänzt und die Pflege durch den Einsatz von Robotik und Automatisierung entlastet werden. Zudem setzt die FDP einen Schwerpunkt bei der Fachkräftegewinnung im Ausland.

Die Pläne der AfD

Die AfD will die bisher getrennte Kranken- und Pflegeversicherung zusammenführen, um damit Verwaltungskosten zu sparen. Pflegebedürftige und Angehörige sollen mehr finanzielle Unterstützung erhalten und ambulante und befristete stationäre Angebote sollen ausgeweitet werden.

Die Pläne des BSW

Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht will, dass die Eigenanteile schrumpfen. Sie stellen sich eine Pflegevollversicherung vor, die überwiegend aus Steuermitteln finanziert wird. Außerdem will sie dafür sorgen, dass im Bereich der Pflege mehr ausgebildet und Pflegekräfte besser bezahlt werden.

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 29.01.2025 | 19:30 Uhr

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