Kommentar: "Es gibt keine Staatsbürgerschaft zweiter Klasse"
Der Staatsgerichtshof in Bückeburg hat entschieden: Die niedersächsische Landesregierung muss die Vornamen der Verdächtigen der Silvesternacht 2022/2023 nicht herausgeben. Ein Gewinn für den Rechtsstaat, kommentiert Mandy Sarti.
Das Urteil der Richterinnen und Richter in Bückeburg zeigt: Der Rechtsstaat steht über rechtem Populismus. Denn für das Begehen von Straftaten ist es völlig bedeutungslos, ob mutmaßliche Täter deutsch sind, aber Migrationsgeschichte haben. Es gibt keine deutsche Staatsbürgerschaft zweiter Klasse. Hintergrund war eine Klage des AfD-Landtagsabgeordneten Stephan Bothe. Er sah sich in seinem Informationsrecht für Abgeordnete verletzt, weil die Landesregierung ihm die Vornamen der Verdächtigen nicht herausgeben wollte. Dieser Versuch der AfD, die Silvestertaten anhand der Migrationsgeschichte der Verdächtigen zu kategorisieren, zeigt nichts anderes als ein menschenverachtendes Gesellschaftsbild.
Populismus verkennt: Deutschland ist Einwandererland
Denn was bedeutet die Bewertung der Straftaten anhand der Vornamen der Tatverdächtigen wirklich? Es meint, dass es für die AfD einen Unterschied macht, ob die Mutter oder der Großvater der mutmaßlichen Täter aus der Türkei, Italien, Polen oder Afghanistan nach Deutschland gekommen sind. Dass eine Straftat mit eben dieser Biografie aus Sicht der AfD schlimmer ist, als wenn die Täter "Paul" oder "Daniel" heißen. Dieser Populismus verkennt vor allem eines: Dass Deutschland ein Land voller Einwanderinnen und Einwanderer ist. Deren Identitäten wesentlicher Teil dieser Gesellschaft sind. Ohne deren Geschichten dieses Land so viel ärmer wäre.
Silvesterangriffe sind Zeichen gesellschaftlicher Verrohung
Die AfD offenbart einmal mehr, dass sie keine inhaltliche Politik macht, sondern bloß spaltet. Der Angriff auf Feuerwehrleute sowie auf Polizistinnen und Polizisten in der Silvesternacht 2022/2023 ist kein Problem mangelnder Integration. Diese Angriffe sind vielmehr ein Zeichen gesellschaftlicher Verrohung. Und die beginnt mit Phrasen - sprachlichen Entgleisungen, einer neuen Radikalität der Worte. Sie beginnt dort, wo Politikerinnen und Politiker öffentlich von Populistinnen und Populisten sowie Rechtsextremen beleidigt und angegriffen werden. Wenn der niedersächsische AfD-Landesvorsitzende Ansgar Schledde als junger Mann das Haus eines Kommunalpolitikers offenbar belagert, dieser Fall für seine Partei aber kein Problem ist, zeigt sich so die wahre Haltung der AfD. Wenn Hass und Hetze zum Alltag gehören, dann ist körperliche Gewalt nicht weit.
Grundrechte sind nicht antastbar
Dass der Staatsgerichtshof in Bückeburg dem einen Riegel vorgeschoben hat, ist ein klares Bekenntnis zum Schutz unserer Grundrechte. Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, die Würde jeder und jedes Einzelnen ist nicht antastbar. Auch wenn die AfD immer wieder versucht, an diesen Grundwerten zu rütteln.