Klimaforscher: Wir werden eine Klimaanlage brauchen
Borkenkäfer, Waldbrand, Wetterextreme - im Rückblick auf 2024 taucht auch in Niedersachsen immer wieder eines der zunehmend drängenderen Probleme auf: die Klimakrise und ihre Folgen.
Das Klima bleibt ein Thema, das Niedersachsen auch 2025 und weit darüber hinaus beschäftigen wird. Zum Jahresende hat Hallo Niedersachsen den Meteorologen und Klimaforscher Professor Gunther Seckmeyer von der Leibniz Universität Hannover interviewt.
Aus der Sicht eines Meteorologen - wie war das Jahr?
Gunther Seckmeyer: Extrem. Wir hatten zu Beginn des Jahres diese noch nie da gewesenen Überflutungen, extrem viel Wasser und dann aber auch wieder die Trockenheit.
Bis 2040 will Niedersachsen klimaneutral sein - ist das noch zu schaffen?
Seckmeyer: Das wäre zu schaffen - aber nicht in dem jetzigen Tempo der Umsetzung.
Wo sind Land und Kommunen auf dem richtigen Weg?
Seckmeyer: Das Land hat ehrgeizige Ziele, aber nicht unbedingt das Geld, um das im großen Maßstab umzusetzen. Ich berate auch die Region Hannover im Klimaweisenrat und da muss man einfach sagen: Es ist zu langsam, es ist nicht professionell genug. Nicht, dass die Leute nicht professionell arbeiten, sondern sie bräuchten eine andere Art der Umsetzung. Wenn man so ein Thema hat wie Klimawandel, überlegt man sich in der Industrie: "Wie viele Millionen oder Milliarden kostet uns das?" Und nimmt man ein bis zwei Prozent des Budgets her, um das zu planen. Das passiert in den Kommunen nicht. Und die Kommunen können nicht alles machen. Die Bürger müssen einbezogen werden und die wollen auch miteinbezogen werden. Aber sie werden sehr häufig dann eben gar nicht oder nur unzureichend gefragt. Man hat dann Angst davor, dass die dann auch vielleicht dagegen sind. Aber die meisten wollen etwas tun.
Sehen Sie "Leuchttürme" in Niedersachsen, von denen andere lernen könnten?
Seckmeyer: Es gibt schon ein paar Leuchttürme. Niedersachsen erzeugt schon mehr regenerative Energie als es verbraucht. Aber als Flächenland muss es das auch tun, wenn Deutschland insgesamt klimaneutral werden soll. Ein Beispiel, was mir einfällt ist in Osnabrück. Da hat man beschlossen, die knappen Mittel dafür einzusetzen, dass die Leute, wenn sie eine Solaranlage bauen, diese nicht zu klein machen. Das finde ich eine ganz super Maßnahme, weil sich die Solarenergie rechnet. Das ist aber nicht bekannt, in den Köpfen ist immer noch drin: "Ist ja teuer." Die Investition ist hoch, aber es rechnet sich ziemlich schnell.
In Städten sind Hitze und versiegelte Flächen wichtige Themen - wie schnell kann sich dort die Situation angesichts von Hitzerekorden zuspitzen?
Seckmeyer: Das kann sich ziemlich schnell zuspitzen. Wir denken immer 1,5 oder 2 Grad wärmer sind nicht viel, aber es wird sehr häufig extreme Hitze auftreten. Das beobachten wir auch schon. Die extremen Hitzetage nehmen ganz besonders zu. Um es einmal plastisch zu haben: Was glauben Sie, wie viele Hitzetage (über 30 Grad Celsius) gab es in Hannover in den 50er-Jahren?
Fünf?
Seckmeyer: Keine. Die Städte könnten sich immer weiter aufheizen, dass es nachts gar nicht mehr abkühlt. Das geht sehr auf die Schlafqualität natürlich auch. Das kann zu direkten gesundheitlichen Problemen führen. Mehr Herz-Kreislauf-Krankheiten, Schlaganfälle, Herzinfarkte und dergleichen. Die Mediziner wissen, dass das ein Problem ist. Was man dagegen tun könnte sind Wärmepumpen, die dann im Sommer kühlen. Wenn ich das kombiniere mir Solarenergie, hat das auch keine weiteren negativen Auswirkungen für die Umwelt. Aber das ist in Deutschland so verpönt - eine Klimaanlage ist ja das Allerletzte, - werden wir aber brauchen.
Das Interview führte Arne-Torben Voigts, Hallo Niedersachsen