Hofabgabe: Der Kampf der Bauern um ihre Rente
Landwirt, das ist kein Beruf wie jeder andere. Den Zeitplan der Bauern diktiert die Natur, sie müssen früher aufstehen als andere, mit den Launen des Wetters zurechtkommen und mit der Preispolitik der großen Discounter. Doch noch etwas unterscheidet sie von allen anderen Unternehmern. Wenn ein Landwirt seine Rente beziehen will, muss er seinen Betrieb abgeben oder stilllegen. Das besagt die sogenannte Hofabgabeklausel, eine 61 Jahre alte Regelung. Damals, 1957, wollte die Regierung damit den Wandel in der Landwirtschaft beschleunigen.
Die Hofabgabeklausel - ein Relikt aus alten Zeiten
Die alten Patriarchen, die ihre kleinen Höfe noch mit Pferdefuhrwerken bewirtschaftet hatten, sollten nicht bis zum Tode auf ihrem Land hocken. Stattdessen, so die Idee, sollten sie ihren Hof an jüngere, innovationsfreudige Bauern mit dadurch am Ende auch größeren und wirtschaftlich stärkeren Höfen weitergeben. In der Regel waren das damals die eigenen Kinder. Die Zeiten haben sich seit 1957 geändert, doch die Hofabgabeklausel blieb.
Das System funktioniert so: Wie jeder andere Bürger können Landwirte mit 67 eine Rente beantragen. Zuständig ist aber nicht die gesetzliche Rentenversicherung, sondern die "Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau" (SVLFG). Auch bei der SVLFG hängt die Genehmigung und die Höhe der Rente davon ab, ob und wie lange die Landwirte eingezahlt haben. Doch darüber hinaus müssen sie nachweisen, dass sie ihre Flächen verkauft, über mindestens neun Jahre verpachtet oder stillgelegt haben. Können oder wollen die Landwirte das nicht, bekommen sie keine Rente.
Bauern kämpfen gegen Rentensystem
Bernward Löffler kann darüber nur den Kopf schütteln. Er will seinen Hof nicht abgeben. Einen Hof, der seit dem 19. Jahrhundert im Familienbesitz ist, auf dessen Feldern Löffler seit seiner Kindheit mit anpackt. An dem er so sehr hängt, dass er nun schon seit sechs Jahren auf seine Rente verzichtet. Er kämpft seit Jahren mit anderen Landwirten aus ganz Deutschland in einer Arbeitsgemeinschaft gegen dieses System.
Am 9. August 2018 dann schien der Kampf gewonnen. Das Bundesverfassungsgericht urteilt: "Die Koppelung einer Altersrente an die Abgabe eines landwirtschaftlichen Hofs greift faktisch in die Eigentumsfreiheit des Art. 14 GG ein."
Trotz Urteil bleibt die Auszahlung der Rente aus
Für die Rechtsanwältin Jutta Sieverdingbeck-Lewers ist das ein großer Erfolg. Neun Jahre lang hatte sie vor Gericht Landwirte vertreten und gegen die Hofabgabeklausel gekämpft. Doch die Freude währte nur kurz. Als die ersten Landwirte ihre Rentenanträge einreichten, hieß es auf der Internetseite des Versicherungsträgers: Die SVLFG ist zunächst gezwungen, eine grundsätzlich bestehende Anwendungssperre und Aussetzungspflicht der Altersrenetnbewilligungen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber umzusetzen."
Christian Meyer (DIE GRÜNEN), ehemaliger Landwirtschaftsminister von Niedersachsen, ist empört über die weitere Verzögerung der Auszahlungen. "Das kann doch nicht sein, dass ein Rentenversicherungsträger jetzt jahrelang abwartet, bis ein Gesetzgeber mal entschieden hat. Das Verfassungsgericht hat gesagt, die Hofabgabeklausel besteht nicht und da kann man nicht sagen: Bis dahin zahle ich keine Rente aus." Meyer hat selbst in seiner Funktion als Landwirtschaftsminister für eine Abschaffung der Hofabgabeklausel gekämpft. Seine Initiative im Bundesrat scheiterte 2015.
Der Bauernverband hält an Klausel fest
Der Bauernverband hingegen tritt für eine Beibehaltung der umstrittenen Klausel ein. Ulrich Löhr ist Vizepräsident des niedersächsischen Bauernverbands, dem Landvolk. Er will weiterhin an der Hofabgabeklausel festhalten.
Noch immer ist Ihr Hauptargument, die Jungbauern müssten gefördert werden. Die Flächen sollen ihnen schneller zur Verfügung stehen, denn sie seien innovativ und brächten die Landwirtschaft weiter voran. "Ich kann verstehen, dass der eine oder andere Sonderfall sich ungerecht behandelt fühlt, aber wir müssen auch die großen, die vielen anderen sehen, die dieses System gut finden. Es wird keiner gezwungen, den Hof abzugeben. Sondern jeder kann weiterwirtschaften. Er muss aber mit den Folgen leben, dass er zu den Zeiten wo er weiter wirtschaftet keine Rente bekommt."
Landwirte und Anwälte kämpfen weiter
Mit den Folgen leben bedeutet für Bauern wie Bernward Löffler, dass er weiterhin keine Rente bekommen soll, wenn er seinen Betrieb nicht abgibt. Das die Sozialversicherung auch nach dem Urteil seinen Rentenantrag nicht bewilligt, ist für ihn unverständlich. "Da habe ich gedacht, jetzt kriegst du doch noch deine Rente nach sechs Jahren die Dir jetzt schon sechs Jahre vorenthalten wurde. Da war ich erstmal froh. Aber manchmal kommt das dicke Ende hinterher", erzählt der Bauer betrübt.
Die Position der Sozialversicherung für Landwirte teilt Anwältin Jutta Sieverdingbeck-Lewers nicht: "Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dieser Zustand ist verfassungswidrig und dann muss auch eine Rente bewilligt werden." Nur die Hofabgabeverpflichtung falle weg, die restlichen Bestandteile des Gesetzes könnten weiter angewandt werden. Sie wird weiter kämpfen. Noch ist unklar, wie es mit der Hofabgabeklausel weitergeht. Ob das neue Gesetz sich von ihr trennt oder nur nachgebessert wird und die Hofabgabe erhalten bleibt. Bernward Löffler muss weiter warten, solange die Juristen streiten. "Ich fühle mich betrogen um meine Rente", sagt er. Doch ehe er den Hof abgibt, verzichtet er lieber. Bisher sind es schon 36.000 Euro, die er durch die Regelung verloren hat