Gewalt gegen Frauen: So macht das Land am "Orange Day" mobil
2021 hat die Polizei in Niedersachsen 14.000 Gewalttaten in Partnerschaften registriert, darunter 38 Tötungsdelikte. Die Opfer: zumeist Frauen. Am "Orange Day" prangert das Land Gewalt gegen Frauen an.
Für die kommenden 16 Tage haben Städte, Gemeinden, Kirchen, Initiativen und Bürger landesweit vielfältige Aktionen initiiert. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt die folgende Aufzählung nicht.
Hameln: 105 Holzkreuze für 105 ermordete Frauen
In Hameln haben 105 Frauen am Freitag gegen Gewalt an Frauen protestiert. Ganz in Schwarz gekleidet hängten sie in der Fußgängerzone 105 weiße Holzkreuze an einem Zaun auf. Auf jedem Kreuz steht ein Name der 105 Frauen, die im vergangenen Jahr in Deutschland ermordet wurden. Zu der Aktion hatten die Polizei und die Gleichstellungsbeauftrage des Landkreises Hameln-Pyrmont aufgerufen. Es gehe darum, das ganze Ausmaß der Gewalt gegen Frauen in Deutschland zu verdeutlichen, sagte eine Sprecherin des Landkreises. Es sei ein Skandal, dass in der Gesellschaft zu wenig dagegen getan werde.
Landkreis Harburg bietet Workshops und Selbstverteidigung
Das Lüneburger Bündnis gegen Gewalt an Frauen macht auf die Lage des Frauenhauses in der Region aufmerksam. Im vergangenen Jahr fanden dem Bündnis zufolge 300 Kinder und Frauen dort keinen Platz auf der Flucht vor sexualisierter und körperlicher Gewalt - weil es dauerhaft belegt war. In der Stadt Lüneburg war für Freitag eine Demonstration angemeldet, auf deren Abschlusskundgebung Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch (Grüne) sprechen wollte. Die Stadt Buchholz in der Nordheide hisst am Rathaus eine Flagge mit dem Slogan "Wir sagen Nein zu Gewalt gegen Frauen". Das ist Teil einer 16-tägigen Kampagne des Landkreises Harburg mit zahlreichen Angeboten wie Workshops und Selbstverteidigungskursen für Frauen und Mädchen. Vor dem Gebäude der Polizeiinspektion Harburg in Stade sowie in den Landkreisen Vechta und Cloppenburg verkaufen Bäckereien unter dem Motto "Gewalt kommt nicht in die Tüte" ihre Waren in Brötchentüten, auf denen Telefonnummern von Beratungsstellen und Frauenhäusern aufgedruckt sind.
Rathaus in Hannover leuchtet orange
In der Landeshauptstadt Hannover erstrahlt unter anderem der Balkon an der Stirnseite des Neuen Rathauses in der Farbe Orange. Die Stadt hisst zudem vor dem Neuen Rathaus Flaggen, die auf das Thema "Gewalt an Frauen" aufmerksam machen sollen. Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) will sich in einer Videobotschaft zu Wort melden. Das Regionshaus ist mit einem Aufruf plakatiert: "Stopp Gewalt gegen Frauen".
Orange, wohin man schaut: Braunschweig macht sich stark
In Braunschweig ist die Farbe Orange ebenfalls vielerorts präsent: auf LED-Tafeln am BraWo Park, als Kinospot im Universum, auf der Newswall des Pressehauses und auf der Fahne vor dem Altstadtrathaus. Der Zonta Club Braunschweig steht mit einer orangefarbenen Sitzbank in der Schuhstraße. Die Initiative zeigt Foto-Statements und informiert über Anlaufstellen für Betroffene. Der Soroptimist Club Braunschweig und die Frauenberatungsstelle informieren unter dem Motto "Read the signs" vor dem Kleinen Haus des Staatstheaters über die Prävention von häuslicher Gewalt und über Beratungsstellen.
Verein in Nordhorn setzt auf Prävention
Der Verein "Männer gegen Männergewalt Euregio" in Nordhorn (Landkreis Emsland) setzt auf Prävention in der potenziellen Tätergruppe. Hier bekommen Männer Beratungsangebote, die entweder schon gewalttätig waren oder befürchten, es zu werden. Im Rahmen der weltweiten Kampagne "Orange the World" stellt die Stadt Osnabrück 40 orangefarbene Bänke auf. Darauf angebracht ist jeweils eine Plakette mit Hilfenummern für Betroffene. Ähnliches hatten die Verantwortlichen des Landkreises Vechta vor: Dort verteilten Gleichstellungsbeauftragte kleine Aluminiumschilder, die an öffentlichen Bänken angebracht werden können und auf Hilfsangebote für Opfer häuslicher Gewalt hinweisen. Vor vielen Verwaltungsgebäuden sollten zudem die Fahnen des Aktionstages wehen.
Initiativen kritisieren: Obdachlose Frauen besonders schutzlos
In Hannover und Bremen fordern Selbsthilfegruppen mehr Schutz und adäquate Betreuung für wohnungslose Frauen. Die Obdachlosenhilfe sei zumeist auf Männer zugeschnitten, sagt Yvonne Brivio von der Selbsthilfe für Wohnungslose aus Hannover. Sichere Orte seien für Kinder und Frauen nur sehr schwer zu finden. Vor allem auf dem Land gebe es kaum passende Hilfe für Frauen. 80 Prozent der Frauen auf der Straße hätten Gewalterfahrungen gemacht. Viele Betroffene seien psychisch krank, alkohol- und drogenabhängig und würden so keinen Schutz in Frauenhäusern finden. In Bremen fehlten Hunderte Plätze und eine Zentrale Stelle, die die Verteilung übernehme, sagt Charlotte Schmitz, Vorstand des Vereins "LieLa". Sie sagt: "Gewalt ist bei Frauen eine häufige Ursache für Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit." Auf der Straße seien Demütigungen, sexuelle Übergriffe und Exzesse Alltag. "Oft wird die verwundbare Situation der Frauen ausgenutzt, um Profit zu schlagen", so Schmitz.