Gericht: Amazon darf Betriebsratschef fristlos kündigen

Stand: 05.04.2023 16:20 Uhr

Das Arbeitsgericht Lüneburg hat der fristlosen Entlassung des Amazon-Betriebsratschefs aus Winsen/Luhe zugestimmt. Der Mann habe eine "schwerwiegende Pflichtverletzung" begangen, so die Begründung.

von Johannes Koch

Amazon wirft Betriebsratschef Detlev Börs vor, private Tätigkeiten als Arbeitszeit abgerechnet zu haben. Konkret gehe es um die Teilnahme am Deutschen Betriebsrätetag im November 2022 in Bonn. Detlev Börs sei gemeinsam mit weiteren Mitgliedern des Winsener Betriebsrats auf Kosten von Amazon zu der Tagung gereist, heißt es in einer Mitteilung des Arbeitsgerichts. An einem der Tagungstage soll Börs die Veranstaltung nicht besucht und den Tag trotzdem als Arbeitszeit abgerechnet haben. Amazon kündigte dem Betriebsratsvorsitzenden daraufhin wegen des Verdachts des Arbeitszeitbetrugs.

Hat der Vorsitzende mobil gearbeitet?

Detlev Börs verrichtete nach eigenen Angaben stundenlang Betriebsratsarbeit in einem Café in Düsseldorf und übernachtete bei seiner Ex-Frau. Als freigestellter Vorsitzender des Betriebsrates könne er auch mobil arbeiten. Dieser Argumentation folgten weder sein Arbeitgeber noch das Arbeitsgericht. Börs kann noch den Weg zum Landesarbeitsgericht gehen.

Gewerkschaft vermutet System

Die Gewerkschaft ver.di vermutet hinter der Kündigung ein System. Neben dem Amazon-Standort Winsen/Luhe kämpfen aktuell Betriebsratsmitglieder auch in Achim und Wunstorf um ihren Arbeitsplatz. Laut einem ver.di-Sprecher sind in allen Fällen gewerkschaftsnahe Betriebsratsmitglieder betroffen. Die Gewerkschafter vermuten, dass Amazon gezielt kritische Mitarbeiter in seinen Betriebsräten durch loyale Mitarbeiter ersetzen möchte.

Amazon widerspricht

Auf Anfrage des NDR Niedersachsen widerspricht Amazon dieser Darstellung. Die Betriebsräte seien die "wichtigsten Betriebspartner", so ein Unternehmenssprecher. Auch die Rechte der Gewerkschaft achte das Unternehmen. Mit Blick auf die Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden heißt es, für alle Mitarbeiter würden die gleichen Maßstäbe gelten.

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Eine Fahne der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di weht an einem Zaun des Logistik-Zentrums des Internet-Versandhändlers Amazon. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild Foto: Sebastian Willnow

Warnstreiks bei Logistikzentrum von Amazon in Winsen/Luhe

Die Gewerkschaft ver.di hatte für Montag zum Arbeitsausstand aufgerufen. Bereits in der Nachtschicht wurde gestreikt. (03.04.2023) mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 05.04.2023 | 18:00 Uhr

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Gewerkschaften

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