Das Bild zeigt eine Demonstration. Ein Transparent fordert die Abschaffung des §218. © picture-alliance

Frauenrechte: Die Pläne der Parteien zur Bundestagswahl 2025

Stand: 12.02.2025 17:00 Uhr

Frauenrechte sind oft politischer Sprengstoff. Über Vergewaltigung, Abtreibung oder Gleichstellung wird seit Jahrzehnten diskutiert. Auch bei der Bundestagswahl 2025 sorgen die Rechte von Frauen für Diskussionen.

von Jule Lampe und Amelia Wischnewski

Amy Jedlička verschickt den Duft von Eukalyptus und Zitrone nach Abu Dhabi, Chicago und Oslo. Ihre Kerzen, hergestellt aus gereinigtem Frittenfett, finden Abnehmer in der ganzen Welt. "Ich würde mir wünschen, dass Innovationen und kreative Ideen von Frauen mehr gefördert werden, dass Frauen dazu gepusht werden, auch ihren eigenen Weg zu gehen und auch Gründungen von Frauen einfach mehr gefördert werden," sagt Amy Jedlička. Laut Mikrozensus sind mittlerweile ein Drittel aller Gründer in Deutschland weiblich. Dennoch haben sie es laut bundesweiter Gründerinnenagentur oft schwerer. Das sieht auch Amy Jedlička. Für sie kommt die Perspektive von Frauen in der Politik und im sozialen Umfeld in der öffentlichen Diskussion oft zur kurz.

Weniger Geld, mehr Arbeit

Das Bild zeigt Amy Jedlička beim verpacken ihrer Kerzen. © NDR
Amy Jedlička verkauft weltweit Kerzen, hergestellt aus gereinigtem Frittenfett.

Frauen verdienen in Niedersachsen im Durchschnitt 18 Prozent weniger als Männer. Das geht aus Zahlen des Statistischen Landesamtes hervor. Zwar zeigt sich insbesondere bei jungen Menschen eine starke Annährung der Gehälter, doch mit dem Alter wird auch die Lohnlücke größer. Zudem kümmern sich vor allem Frauen um die Betreuung von Kindern und die Pflege von Angehörigen. Sie übernehmen damit den Großteil der unbezahlten familiären "Care-Arbeit".

"Mit jeder Frau, die einzieht, kommen auch Kinder"

Einen ganzheitlichen Blick auf die Lebensrealität von Frauen wünschen sich auch die Frauenhäuser. Aktuell fehlen bundesweit etwa 14.000 Plätze. "Und das führt dazu, dass alle Häuser bundesweit damit konfrontiert sind, jeden Tag Anfragen von Gewalt betroffenen Frauen zu bekommen, die sie nicht bedienen können", erzählt Anna-Carla Raddatz. Sie leitet ein Frauenhaus in der Region Hannover. Ein weiteres Problem: Oft werde unterschätzt, dass von Gewalt betroffene Frauen mit ihren Kindern kommen. Die Frauenhäuser sind dafür jedoch nur selten ausgestattet. Es fehlt vor allem an Platz.

Frauenhäuser - überfüllt und unterfinanziert

Das Bild zeigt den Blick in ein Zimmer eines Frauenhauses. © NDR
Einige Frauenhäuser nehmen Kinder nur bis 12 Jahren auf, weil es oft keine separaten Badezimmer gibt.

"Wenn eine Frau mit einem Kita-Kind einzieht, einem Grundschulkind und einem 15-jährigen Sohn, ist es eben gut, wenn der Jugendliche auch die Möglichkeit hat, sich ein bisschen zurückzuziehen, es ein eigenes Badezimmer gibt und die Familie nicht so auf ganz engem Raum wohnt", sagt Anna-Carla Raddatz. Doch das sei oft nicht der Standard. Hinzu kommt, dass es - wie in vielen Branchen - an Fachkräften mangelt, wie Erzieherinnen und Sozialarbeiterinnen.

Gewalthilfegesetz könnte Femizide verhindern

Anna-Carla Raddatz (mitte), sitzt mit ihren Kolleginnen zusammen. © NDR
Anna-Carla Raddatz (mitte) sagt, dass Femizide durch einen Ausbau des Gewaltschutzes in Deutschland verhindert werden können.

Viele Frauenhäuser haben sich deshalb lange für einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung eingesetzt, wodurch sich auch die finanzielle Situation der Häuser bessern würde. Dem ist der Bundestag nun zwar nachgekommen, indem im Gewalthilfegesetz der kostenfreie und gesicherte Zugang zu Hilfsangeboten verankert wurde. Doch durch den Bundesrat hat es das Gesetz bisher nicht geschafft. Bundeseinheitliche Standards und eine gesicherte Finanzierung stehen damit kurz vor der Wahl erneut auf Kippe. Die Hilfe für Frauen in Not aufzuschieben, das ist für Anna-Carla Raddatz vom Frauenhaus aus der Region Hannover eine fatale Entscheidung. "So lange wird die Situation so bleiben, wie sie ist. Und es gibt jedes Jahr hunderte Femizide, die eben nur durch einen Ausbau des Gewaltschutzes in Deutschland verhindert werden können", kritisiert sie.

Gewalt gegen Frauen - ein ungelöstes Problem

Der Weiße Ring fordert deshalb schon seit Jahren den Einsatz der elektronischen Fußfessel gegen gewalttätige Ex-Partner. In Spanien gibt es sie schon. "Seitdem dort die elektronische Fußfessel eingeführt wurde, ist keine einzige Frau, die an diesem Programm teilgenommen hat, mehr getötet worden", sagt Helen Wienands, Leiterin des Weißen Rings in Göttingen.

Abtreibung: Paragraf 218 spaltet die Politik

Wer eine Schwangerschaft abbricht, dem droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Das regelt Paragraf 218 des Strafgesetzbuches. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ein Gesetz, das in seiner Form noch aus der Kaiserzeit stammt und für erbitterte politische Diskussionen sorgt. Zuletzt hatten Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken versucht, den Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen und den Schwangerschaftsabbruch damit bis zum Ende der zwölften Schwangerschaftswoche zu legalisieren. Eine vorherige Beratung wäre aber dennoch eine Voraussetzung.

Die SPD-Politikerin Carmen Wegge bei einer Rede im Bundestag. © IMAGO / photothek Foto: Thomas Trutschel
AUDIO: Wegge zu gescheiterter §218-Reform: "Nie die Zeit für Frauenrechte" (7 Min)

Politik verhindert historische Reform erneut

Doch auch der Versuch scheitert. Der Rechtsausschuss des Bundestags entschied zuletzt, derzeit keine Abstimmung über den entsprechenden Gesetzentwurf zu ermöglichen. "Seit 1871 hat sich das Gesetz nicht viel geändert, und wir sind immer noch dabei, Frauen fremd zu bestimmen und Frauenkörper politisch zu reglementieren", kritisiert Prof. Dr. Mandy Mangler von der Organisation "Doctors for Choice". Sie ist Chefärztin an zwei Kliniken in Berlin und kämpft seit Jahren für eine Reform des Abtreibungsrechts. "Als Frau und als Ärztin blicke ich mit großer Sorge in die Zukunft. Denn es gibt in ganz vielen gesellschaftlichen Bereichen Rückschritte und Rückentwicklungen", sagt sie.

Thema Frauenrechte: Das wollen die Parteien

Die Pläne der SPD

Die SPD will sich erneut für das Gewalthilfegesetz einsetzen. Zudem will sie Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren, digitaler Gewalt entgegentreten, etwa Täter-Accounts sperren und "erniedrigende Handlungen wie 'Catcalling' strafbar machen".

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Die Pläne der CDU

Die CDU will, dass der Paragraf 218 bleibt. Zudem setzt sie in ihrem Wahlprogramm einen Schwerpunkt auf schärfere Strafen für Täter, etwa auch Fußfesseln. Auch die Stärkung von Frauenhäusern sowie einen stärkeren Fokus auf die Gesundheit von Frauen sind Ziele.

Die Pläne der Grünen

Die Grünen wollen den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen ebenfalls erleichtern und Frauenhäuser stärken. Selbstständige und alleinerziehende Frauen sollen zudem besser unterstützt werden, zum Beispiel durch eine Verbesserung der Kinderbetreuung.

Die Pläne der FDP

Die FDP will "Frauenhausplätze bedarfsgerecht ausfinanzieren". Sie setzt sich zudem dafür ein, dass der Schwangerschaftsabbruch Teil der Ausbildung von Gynäkologen wird. Die Steuerklassen 3 und 5 sollen abgeschafft, die finanzielle Unabhängigkeit gefördert werden.

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Die Pläne der AfD

Die AfD lehnt "alle Bestrebungen ab, Abtreibungen zu einem Menschenrecht zu erklären.” Während der Schwangerschaftskonfliktberatung sollen den Müttern Ultraschallaufnahmen des Kindes gezeigt werden. Geschlechterquoten sollen aufgehoben und Betriebskindergärten stärker gefördert werden.

Die Pläne der Linken

Auch die Linken wollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren. Sie fordern mehr Schutz für von Gewalt betroffene Frauen und mehr Gleichberechtigung im Arbeitsleben. Dafür fordern sie eine Mindestsicherung ohne Sanktionen, die garantiert vor Armut schützt und bei Bedarf jeder und jedem zusteht.

Die Pläne des BSW

Das Bündnis Sahra Wagenknecht will die Betreuung von Kindern verbessern, zum Beispiel durch einen Ausbau von Kitaplätzen und der Ganztagsbetreuung. Die Finanzierung von Frauenhäusern soll durch den Bund langfristig gesichert sein. Das BSW fordert die grundsätzliche Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur 12. Woche.

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