Das Deutschlandticket in Niedersachsen: Top oder Flop?
Das Deutschlandticket soll der Booster für die Verkehrswende sein. Doch steigen mehr Niedersachsen vom Auto auf die Schiene? Die Auswertung von Mobilfunkdaten liefert erste Ergebnisse.
Die Grundlage für die Mobilitätsanalyse sind anonymisierte Bewegungsdaten aus dem Mobilfunknetz der O2 Telefónica, die zusammengeführt wurden. Für die Analyse wurde der Zeitraum von Anfang April bis Ende Juni betrachtet. Verglichen wurden diese Daten immer mit dem jeweiligen Vergleichsmonat von 2019 (vor Corona) und 2022. Der Fokus lag auf Reisen zwischen 30 und 75 Kilometern, die in Niedersachsen enden. Eine Aussage, wie gut oder schlecht das Ticket sich für Stadt und Land eignet, können die Daten nicht liefern.
Es wird deutlich mehr Zug gefahren in Niedersachsen
In April 2023, also vor Einführung des Deutschlandtickets, sind in Niedersachsen im Schnitt gut 78.000 Menschen täglich über 30 Kilometer mit dem Zug gefahren. Im Mai und Juni dieses Jahres, also nach Einführung des Deutschlandtickets, haben die Zugfahrten schon deutlich zugenommen. Im Schnitt waren es täglich fast 98.000 auf der Schiene. Pro Tag ergibt das für Niedersachsen ein Plus von rund 25 Prozent. Darunter sind allerdings auch viele Freizeitfahrten. "Das sind die zusätzlichen Fahrten, die wir klimapolitisch eigentlich nicht wollen", sagt Holger Kloth, Landesgeschäftsführer beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).
Auch Pendlerfahrten mit dem Zug nehmen zu
Der klassische Pendler ist werktags zwischen sechs und neun Uhr morgens unterwegs. Eine Hoffnung, die die Politik beim Deutschlandticket hat, ist, dass Pendler ihr Auto stehen lassen und auf die Schiene umsteigen. Bis Juni haben die morgendlichen Pendlerfahrten mit dem Zug deutlich zugenommen. Hier ergibt sich ein plus von 26,6 Prozent in Niedersachsen. Das ist in etwa auch der Bundestrend.
Das Auto bleibt häufiger stehen, aber…
Seit der Einführung des Deutschlandtickets bleibt das Auto in Niedersachsen häufiger stehen. Im Vergleich zu Juni 2019 (also vor Corona) sind es im Juni 2023 pro Werktag im Schnitt gut zehn Prozent weniger Pendlerfahrten mit dem Auto gewesen. Ob dieser Rückgang nur auf das Deutschlandticket zurückzuführen ist, bleibt aber offen. Seit Beginn der Corona-Pandemie haben sich viele Berufstätige auch im Homeoffice eingerichtet und arbeiten auch jetzt noch von zu Hause. Inwiefern auch das einen Einfluss auf den Autoverkehr, lässt sich schwer sagen. Insgesamt betrachtet nehme der tägliche Pkw-Verkehr auf den Straßen im Vergleich zu 2019 wieder zu. Das Deutschlandticket habe diesen Anstieg aber deutlich verlangsamt.
Das Deutschlandticket ist ein Verkaufsschlager
DB Regio CEO Evelyn Palla hat das Deutschlandticket als "Booster" für die Verkehrswende in Deutschland bezeichnet. Mit Stand Mitte Juni wurden laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen bundesweit bis zu elf Millionen Deutschland-Ticket-Abos verkauft. Fast die Hälfte machen umgestellte ÖPNV-Abos aus, also Fahrgäste, die bereits Stammkunden waren. Die Quote an Neukundinnen und Neukunden, die bisher so gut wie nie Bus und Bahn gefahren sind, ist leicht gestiegen und liegt aktuell bei rund acht Prozent. Die erwarteten Verkaufszahlen werden laut Bahn voraussichtlich erreicht. Auch die großen niedersächsischen Verkehrsbetriebe berichten von einer hohen Nachfrage.
"Sonst steigen die wieder aufs Auto"
Die Bilanz der ersten zwei Monate nach Einführung des Deutschlandtickets fällt in vielen Bereichen positiv aus. Jetzt muss sich das Ticket langfristig bewähren. Vor allem für Pendler, denen wichtig ist, dass die Züge zuverlässig und pünktlich fahren. "Sonst steigen die wieder aufs Auto", mahnt VDV-Landesgeschäftsführer Holger Kloth. Ein günstiges Ticketabo reiche für die Verkehrswende aber nicht aus. Die komplette Infrastruktur des ÖPNV müsse grundlegend weiter ausgebaut werden. Außerdem bringe das Deutschlandticket auf dem Land sehr wenig. Stand jetzt sei es vor allem für Menschen aus dem städtischen Umland eine Entlastung.