Bundesgericht: Sterbehilfe-Mittel darf nicht ausgegeben werden
Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Klage auf Herausgabe des Sterbehilfe-Präparats Natrium-Pentobarbital durch den Staat abgewiesen. Der Verein Dignitas fordert mehr Rechtssicherheit für Ärzte.
Die Richter begründeten die Entscheidung damit, dass es zumutbare Optionen gebe, dem eigenen Leben medizinisch begleitet ein Ende zu setzen. Diese seien mit dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben, das das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 festgestellt hatte, vereinbar. Für Kläger Hans-Jürgen Brennecke aus Reppenstedt (Landkreis Lüneburg) ist die Entscheidung "furchtbar enttäuschend und sehr ärgerlich", wie er dem NDR in Niedersachsen unmittelbar nach der Bekanntgabe des Urteils am Dienstag sagte. "Wir werden wieder bevormundet. Das ist nicht nachvollziehbar."
Brennecke hofft auf Gesetzesänderung
Brennecke war vor rund acht Jahren schwer an Krebs erkrankt und hatte nach eigenen Angaben zeitweise an starken Schmerzen gelitten. Mittlerweile gilt er als geheilt. Sollte der Tumor zurückkommen, will der 79 Jahre alte Mann sein Leben im Familienkreis beenden dürfen - mit Natrium-Pentobarbital. "Die Richter haben Recht - es gibt zweitrangige und drittrangige Mittel. Die sind nur nicht sicher, dauern lange und sind kompliziert einzunehmen", sagte Brennecke dem NDR. Dass Natrium-Pentobarbital in Deutschland verboten sei, "ist für mich ein Skandal". Es sei das "mit Abstand beste Mittel", das sich in anderen Ländern bewährt habe. Brennecke will nicht aufgeben. Er setzt darauf, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Gesetzesänderung auf den Weg bringt.
Dignitas fordert mehr Rechtssicherheit für Ärzte bei Sterbehilfe
Die Vorsitzende des Sterbehilfe-Vereins Dignitas Deutschland, Sandra Martino, blickt mit gemischten Gefühlen auf die Gerichtsentscheidung. "Das Ziel des Bundesverwaltungsgerichts, den Umgang mit Natrium-Pentobarbital zu schützen und somit Unfällen und Missbrauch vorzubeugen, ist zu begrüßen", sagte Martino dem NDR in Niedersachsen. "Dass die Suizidhilfe-Organisationen als legitime Alternative zur Erwerbserlaubnis von Natrium-Pentobarbital gesehen werden, begrüßen wir selbstverständlich auch." Sie mahnte aber an: "Es braucht dazu aber ausreichend Ärzte, die bereit sind, ihren Patienten Suizidhilfe zu leisten." Für diese Ärzte brauche es Rechtssicherheit, damit sie Präparate, die nicht im Betäubungsmittelgesetz stehen, verschreiben dürfen.
Bundesinstitut lehnt Ausgabe von Natrium-Pentobarbital ab
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte 2018 die Anträge von sieben Klägerinnen und Klägern auf Ausgabe von Natrium-Pentobarbital mit dem Verweis auf das Betäubungsmittelgesetz abgelehnt. Das Institut ist unter anderem für Einfuhr und Zuteilung des Präparats, das es in der Schweiz, nicht aber in Deutschland gibt, zuständig. In der Schweiz wird Natrium-Pentobarbital legal in der Sterbehilfe verwendet und gilt als zuverlässig. Das Bundesinstitut steht auf dem Standpunkt, dass der Staat nicht über die Vergabe von tödlichen Mitteln zur Sterbehilfe entscheiden darf. Fünf Kläger sind inzwischen verstorben. Neben Brennecke kämpfte der schwer an Multipler Sklerose erkrankte 52 Jahre alte Harald Mayer aus Rheinland-Pfalz vor Gericht um die Erlaubnis für Natrium-Pentobarbital.