Behörden lassen Kinder nicht zusammen spielen
Vor anderthalb Jahren haben vier Tagesmütter in Ingeln-Oesselse, einem Ortsteil von Laatzen in Niedersachsen, eine eigentlich gute Idee: Sie beschließen, ein Gebäude zur Kinderbetreuung komplett neu zu bauen. Das Gebäude hat Platz für insgesamt 16 Kinder. Außerdem gehört ein großer Garten dazu - ideal zum Spielen. Die Bauplanung wird eng mit der Stadt Laatzen abgestimmt, nichts soll dem Zufall überlassen werden, denn den Tagesmüttern sind enge gesetzliche Grenzen gesetzt. So dürfen Tagesmütter, die alleine sind, fünf Kinder betreuen. Arbeiten zwei Tagesmütter zusammen, darf jede von ihnen maximal vier Kinder unter Vertrag haben, wenn sich die Kinder in einem gemeinsamen Raum aufhalten. Die Stadt Laatzen bezeichnet einen solchen Zusammenschluss als Großtagespflegestelle. In Ingeln-Oesselse sind sogar zwei Großtagespflegestellen unter einem Dach, aber zumindest im Haus strikt voneinander getrennt.
Plötzlich Probleme
Die Probleme fangen Monate nach der Eröffnung der Einrichtung an. Plötzlich bemängelt die Stadt, dass im Garten die Kinder beider Großtagespflegestellen gleichzeitig spielen. 16 Kinder auf einmal sind der zuständigen Behörde deutlich zu viel. "Wir müssen darauf achten, dass Vorschriften eingehalten werden, weil sich Eltern auf uns verlassen, dass bestimmte Standards eingehalten werden", so Matthias Brinkmann, Pressesprecher der Stadt Laatzen. "So wissen die Eltern, dass ihre Kinder sicher, rechtssicher und auch sehr wertvoll betreut werden. Wir sind da in der Verantwortung.“ Die Kinder würden dadurch die Orientierung verlieren und die eigene Tagesmutter nicht mehr identifizieren können, argumentiert die Stadt weiter. Diese Zuordnung sei aber vertraglich den Eltern zugesichert worden. Außerdem sei so etwas nur Krippen erlaubt, in denen ausgebildete Erzieherinnen arbeiten würden. Eine gesetzliche Abgrenzung zu Tagesmüttern sei zum Wohl der Kinder absolut wichtig. Dabei hat die Stadt Laatzen wie die meisten Kommunen Probleme, ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach ausreichend vielen Krippenplätzen nachzukommen. Eigentlich müsste die Stadt also froh sein, dass Tagesmütter die Lücken in der Betreuung ausfüllen.
Zeitversetztes Spielen?
Darum macht die Stadt den Vorschlag, die beiden Gruppen zeitversetzt in den Garten zu lassen. Das wollen aber die Tagesmütter nicht. "Die eine Gruppe kann bei schönem Wetter doch nicht draußen spielen und die andere klebt am Fenster und muss traurig zugucken. Das ist völlig abwegig", sagt Tagesmutter Miriam Dér. Sie hält es auch für ausgemachten Unsinn, dass die Kinder ihre Tagesmütter auf einmal nicht mehr erkennen sollen, nur weil zwei Gruppen im Garten spielen. Doch die Stadt Laatzen bleibt hart und droht den Tagesmüttern die Einrichtung zu schließen, wenn sie die Gruppen im Garten nicht trennen.
Ein Zaun als Notlösung
Der einzige Ausweg, den Miriam Dér sieht, ist ein Zaun, der das Grundstück teilt. Jetzt können befreundete Kinder zwar nicht mehr miteinander spielen, weil es die Stadt Laatzen so will, aber wenigstens können beide Gruppen gleichzeitig an die frische Luft. Der Anwalt der Tagesmütter, Helmut Hartung, hält die Argumentation der Stadt an verschiedenen Stellen für unlogisch und falsch. Zum einen sei es beiden Gruppen erlaubt, zusammen auf einem benachbarten Spielplatz zu spielen, ohne dass danach gefragt würde, ob die Kinder die Orientierung verlieren. Zum anderen würde das Gesetz nur eine Begrenzung von acht Kindern innerhalb geschlossener Räume vorsehen. Ein Garten sei aber kein geschlossener Raum. Im Übrigen gebe es ohnehin keine explizite gesetzliche Regelung für Großtagespflegestellen.
Kein Ende in Sicht
Die Fronten sind verhärtet. Das niedersächsische Kultusministerium hat sich eingeschaltet und empfiehlt beiden Parteien, das Gespräch zu suchen. Denn da die Kommunen selbst für die Regelungen mit Tagesmüttern zuständig sind, kann das Ministerium keine Anordnungen erteilen. Eine behördliche Anordnung erteilt aber auch die Stadt Laatzen den Tagesmüttern nicht. Deswegen können die sich auch nicht gerichtlich zur Wehr setzen. Anwalt Hartung vermutet, dass die Stadt nicht sicher ist, ob sie einen Prozess gewinnen kann, deshalb halte sie sich mit einer Anordnung zurück. Die Zaunfrage wird immer mehr zur Hängepartie, ausgetragen auf dem Rücken ein- bis zweijähriger Kinder.