Arbeitslose in Niedersachsen werden zu Energiewende-Helfern
Arbeitslose und Ungelernte sollen künftig dabei helfen, die Energiewende voranzutreiben: Zehn Teilnehmer eines Kurses in Goslar werden zu Bauhelfern ausgebildet und sollen so rare Fachkräfte entlasten.
Der Fachkräftemangel bremst die Energiewende. Ob Wärmepumpe, Photovoltaik-Anlage oder neue Dämmung: Es fehlt an Handwerkern. Die Arbeitsagentur und die Bauwirtschaft in Niedersachsen gehen nun neue Wege. Bundesweit bilden sie zum ersten Mal in einem Kurs Arbeitslose und Ungelernte weiter. Sie sollen Bauhelfer für die Energiewende werden.
"Ein Riesensprung für die Zukunft"
Chris Gerstner ist 23 Jahre alt. Er hat als Küchenmonteur gearbeitet, bis er die Lust daran verlor. Dann jobbte er im Corona-Testzentrum, nach der Pandemie stand er ohne Job da. Jetzt soll die Energiewende auch zu seinem persönlichen Wendepunkt werden. Der Braunschweiger absolviert die Schulung in Goslar. "Das ist ein Riesensprung für die Zukunft", sagt Gerstner. "Es ist sehr lehrreich. Das sind Dinge, die ich noch nie gemacht habe. Dementsprechend wird es nie langweilig." Auch Ingo von der Heye plant den Neustart. Für seinen früheren Job, den Straßenbau, ist der Arbeitslose inzwischen zu alt, deswegen will er Bauhelfer werden. "Ich möchte wieder rein ins Berufsleben", sagt er. "Bürgergeld ist mir zu wenig, ich möchte noch ein bisschen etwas aufbauen."
Basiswissen für Baustelle in einem halben Jahr
Die Bauhelfer sollen nach dem Kurs einfache Arbeiten auf der Baustelle übernehmen: Material bereitstellen oder Wände aufstemmen, damit Kabel oder Rohre verlegt werden können. Die Idee: wenn die ungelernten Helfer diese leichten Jobs übernehmen, haben die Fachkräfte mehr Zeit für komplizierte Dinge - zum Beispiel können sie Wärmepumpen in Betrieb nehmen. Bundesweit zum ersten Mal lassen sich jetzt in Goslar beim Bildungsträger INN-tegrativ zehn Teilnehmer schulen. Zum Teil kommen sie aus dem Ausland. Manche haben keinen Schulabschluss oder einfach einen krummen Lebenslauf. Vier Monate Schule und zwei Monate im Betrieb, dann haben sie das Basiswissen für die Baustelle - von Trockenbau über Holzarbeiten bis hin zum Heizungsbau.
Gute Verdienstaussichten für die Ungelernten
Der Kurs in Goslar ersetzt nicht die duale Ausbildung - aber die Tür ist offen, um vielleicht später eine Lehre zu machen. "Durch dieses Projekt wird nicht an der dualen Ausbildung genagt", betont Cornelia Höltkemeier, Geschäftsführerin der Landesvereinigung Bauwirtschaft. "Wir fangen hier niedrigschwellig an, jemand lernt überhaupt erstmal kennen, was im Bau und Ausbau passiert. Und wenn er sich dann entscheidet, eine Ausbildung zu machen, geht es nochmal mit einem ganz anderen Ansatz los." Selbst wenn nach dem Seminar in Goslar keine Ausbildung folgt, sind die Verdienstaussichten für die Ungelernten nicht schlecht. Sie werden nach Tarif bezahlt und können so bis zu 2.600 Euro brutto im Monat verdienen - und gleichzeitig die Handwerksbetriebe entlasten.
Bis zu 500.000 Menschen mehr für Energiewende gebraucht
Im Bereich Sanitär, Heizung, Klima sind im Moment allein in Niedersachsen mehr als 1.400 Stellen offen. Und der Bedarf wird wachsen, je mehr Hauseigentümer ihre Dächer und Außenwände dämmen, auf Wärmepumpen setzen oder Sonnenstrom erzeugen wollen. "Der Plan A, der Königsweg, ist eindeutig die Ausbildung", sagt Johannes Pfeiffer, Chef der Bundesagentur für Arbeit in Niedersachsen. "Aber wir wissen inzwischen, dass es vielen nicht möglich ist, sofort eine komplette Ausbildung zu absolvieren. Diese Menschen dürfen wir aber nicht aufgegeben - im Gegenteil, wir wollen sie gewinnen." Pfeiffer verweist auf Berechnungen, wonach bis zum Jahr 2030 bundesweit bis 500.000 Menschen mehr in Energiewende-Berufen gebraucht werden könnten. "Das werden wir nicht mit Fachkräften schaffen", sagt Pfeiffer. "Deswegen brauchen wir viele andere Menschen, die hier Perspektiven suchen."