Ärztekammer zur Cannabis-Legalisierung: "Keine harmlose Droge"
Die Ärztekammer Niedersachsen kritisiert die von der Bundesregierung geplante teilweise Legalisierung von Cannabis. Sie warnt vor Verharmlosung. Auch der Richterbund Niedersachsen äußert Zweifel.
Aus ärztlicher Sicht seien die Pläne zur Cannabis-Legalisierung mit großen gesundheitlichen Risiken verbunden, erklärte die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Dr. Martina Wenker, am Freitag. "Cannabis ist keine harmlose Droge", sagt die Lungenfachärztin. Sollte der Genuss von Cannabis straffrei werden, rechnet sie mit vermehrten körperlichen und psychischen Schäden durch einen gesteigerten Konsum.
Gesundheitssystem wird weiter belastet
Ein Beleg dafür seien die Erfahrungen aus anderen Ländern wie den USA, Kanada und Portugal, die Cannabis bereits legalisiert haben. Dort sei der Cannabiskonsum um etwa 30 Prozent gestiegen und habe 25 Prozent mehr psychische Störungen hervorgerufen. Die gesundheitlichen Probleme "werden die ohnehin schon angespannte Versorgungssituation des deutschen Gesundheitssystems zusätzlich belasten", erklärt die niedersächsische Ärztekammerpräsidentin. Zudem lenke die Debatte von Problemen wie dem Ärztemangel oder der anstehenden Reform der Notfallversorgung ab. "Statt den Cannabiskonsum vorschnell freizugeben, sollten zunächst für andere, drängendere Herausforderungen der medizinischen Versorgung in Deutschland Lösungen gefunden werden", fordert Wenker.
Richterbund kritisiert geplante Cannabis-Legalisierung
Mit der geplanten teilweisen Legalisierung will die Bundesregierung unter anderem Polizei und Justiz entlasten. Doch der Richterbund Niedersachsen äußert daran Zweifel. Nach Meinung der Juristen dürfte die geplante Entkriminalisierung von Cannabis in kleinen Mengen und zum Eigenverbrauch die Arbeit der Gerichte kaum leichter machen. Es habe noch nie große Probleme wegen kleiner Mengen Cannabis gegeben, sagte der Vorsitzende des Richterbundes in Niedersachsen, Frank Bornemann, dem NDR in Niedersachsen. Die Verfahren seien meistens ohnehin schon von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden und so gar nicht erst vor Gericht gelandet.
Polizeiarbeit wird nicht erleichtert
In Deutschland sollen der Besitz von maximal 25 Gramm Cannabis für den Eigenverbrauch und der Eigenanbau von höchstens drei Pflanzen künftig straffrei sein. Die Arbeit der Polizei werde laut Bornemann durch diese Pläne auch nicht sonderlich erleichtert. Kontrolliert werden müsse weiterhin. Die Polizei muss dann nur eben die Waage rausholen, um zu prüfen, ob es 25 oder doch 26 Gramm sind. Nach Überzeugung Bornemanns werden die Gerichte in Sachen Drogen weiterhin viel zu tun haben, denn der Handel bleibe strafbar. Und das seien laut Bornemann die Cannabis-Fälle, die bereits am häufigsten vor Gericht verhandelt würden.
Niedersachsen will sich abstimmen
Am Donnerstag wurde bekannt, dass Niedersachsen bei der geplanten Entkriminalisierung von Cannabis auf eine Abstimmung mit den anderen Bundesländern setzt. Die von SPD und Grünen vorgesehene Überarbeitung entsprechender Erlasse lasse deshalb noch auf sich warten, teilte das Justizministerium in Hannover mit.
Modellprojekt Hannover-Linden?
Indes hat die Grünen-Landtagsabgeordnete Evrim Camuz vorgeschlagen, in Hannover-Linden ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt zur Abgabe von Cannabis aufzubauen. Der Schwerpunkt müsse dabei im Jugendschutz liegen. "Es geht darum, durch gezielte Kampagnen junge Menschen über die gesundheitlichen Folgen aufzuklären, anstatt sie ihrem eigenen Schicksal zu überlassen", sagte Camuz.