Zensus: Darum sind Migrationsdaten nicht mit 2011 vergleichbar
Das Thema Zuwanderung und Migration bewegt viele Menschen in Deutschland. Der Zensus 2022hat auch zu diesem Thema Daten erhoben. Allerdings sind sie nicht ohne weiteres mit denen der letzten Volksbefragung von 2011 zu vergleichen, denn die Systematik hat sich geändert. Fragen und Antworten rund um das Thema
Warum lassen sich die Zahlen aus dem Zensus 2011 und 2022 nicht vergleichen?
Beim Zensus 2011 wurden die Menschen nach ihrem Migrationshintergrund gefragt. Danach wohnten am 9. Mai 2011 insgesamt etwa 15,3 Millionen mit Migrationshintergrund in Deutschland. Das entsprach einem Anteil von 19,2 Prozent der Bevölkerung. Bei der Zählung wurde der Migrationshintergrund auf Grundlage der Staatsbürgerschaft erhoben. Als Personen mit Migrationshintergrund wurden im Rahmen des Zensus 2011 neben Ausländerinnen und Ausländern auch Deutsche bezeichnet, die nach 1955 zugewandert sind oder mindestens ein nach 1955 zugewandertes Elternteil hatten.
Der Zensus 2022 fragt nicht mehr nach dem Migrationshintergrund, sondern nach der Einwanderungsgeschichte, genauer gesagt nach den eingewanderten Menschen und ihren Kindern. Das Konzept ist enger gefasst - im Vergleich werden also weniger Menschen eine Einwanderungsgeschichte (2022) haben als einen Migrationshintergrund (2011). Der Mikrozensus, der "kleine Bruder" des Zensus, nutzt wiederum eine andere Definition. Alle diese Zahlen sind nicht miteinander vergleichbar.
Worum geht es bei der Einwanderungsgeschichte?
Wenn man selbst seit 1950 nach Deutschland gekommen ist oder dies auf beide Elternteile zutrifft, hat man eine Einwanderungsgeschichte. Dabei zählt das heutige Gebiet Deutschlands, also auch die ehemalige DDR. Personen ab der dritten Generation werden im neuen Konzept nicht als Nachkommen von Eingewanderten erfasst. Der dahinter liegende Gedanke ist, dass der Fokus auf die Lebensgeschichte der Menschen gelegt wird, nämlich auf die Tatsache, dass sie eingewandert sind. Dieser Aspekt wird betont, nicht mehr wie zuvor der der Staatsangehörigkeit.
Wie ist die Messgröße zustande gekommen?
Die Fachkomission Integrationsfähigkeit hat das Konzept zur Messung der Einwanderungsgeschichte 2021 empfohlen. Das Fachgremium wurde von der Bundesregierung eingesetzt und besteht aus 25 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Die Fachleute argumentieren, die neue Messgröße der Einwanderungsgeschichte könne international besser verglichen werden und sei wesentlich einfacher zu erfassen. Auf der Webseite heißt es zudem "Die Fachkommission will mit der Einführung eines neuen Begriffs auch dazu beitragen, eine Stigmatisierung der erfassten Personengruppen zu vermeiden." Details werden hier erklärt.
Warum erfasst der Zensus die Einwanderungsgeschichte nicht vollständig?
Der Zensus 2022 erfasst die Einwanderung der Eltern nur bei Menschen, die jünger als 19 Jahre sind. Das hat technische Gründe, bedeutet aber: Eine 17-Jährige, die in Deutschland geboren wurde, deren Eltern aber beispielsweise aus der Türkei eingewandert sind, hat laut Zensus 2022 eine Einwanderungsgeschichte, eine 19-Jährige mit dem gleichen Hintergrund hingegen nicht. Effektiv fehlen im Zensus somit viele Menschen, die eigentlich eine Einwanderungsgeschichte haben.
Welche Größen lassen sich vergleichen?
Für einen historischen Vergleich, also zum Beispiel mit den Zahlen aus dem Zensus von 2011, kann man auf den Anteil der Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit schauen. Das sind bei weitem nicht alle Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte, aber es ist das am besten vergleichbare Kriterium zwischen den beiden Zensus-Erhebungen. Menschen, die neben dem deutschen Pass einen weiteren besitzen, gelten laut der aktuell veröffentlichten Zensuszahlen als Deutsche.