Wo Falschparker Hamburgs Radwege blockieren
NDR Data hat Zahlen der Hamburger Innenbehörde ausgewertet. Sie zeigen, dass Schulen und Einkaufszentren Hotspots fürs Falschparken auf Radwegen sind. Und: Dienstags werden - statistisch gesehen - die meisten Falschparker gemeldet.
Ein normaler Mittwochmorgen in Groß Borstel: Es ist halb acht, gleich beginnt an der Carl-Götze-Schule der Unterricht. Vor dem Gebäude reiht sich Auto an Auto – es sind die so genannten Elterntaxis, die hier morgens die Straße verstopfen. Und nicht nur das: Sie blockieren durch ihr falsches Parken auch regelmäßig den Radweg, der hier entlang führt.
Tatsächlich ist die Schule im Brödermannsweg ein Hotspot für falsch abgestellte Autos, die Radwege versperren. Das zeigen Daten der Hamburger Innenbehörde für das Jahr 2023, die das NDR Datenteam und das Online-Fachportal Nahverkehr Hamburg exklusiv ausgewertet haben. Demnach ist die Straße vor der Schule im eigentlich ruhigen Groß Borstel der Ort, mit den meisten gemeldeten Falschparker-Vorfällen in einem Jahr. Insgesamt sind es fast 100.
Ein Grund für blockierte Radwege: "Elterntaxis" vor Schulen
Dass ausgerechnet der Brödermannsweg mit seiner Schule so viele Falschparker-Vorfälle aufweist, wundert Verkehrsexpertin Jaqueline Maaß von der Technischen Universität Hamburg nicht. "Die Eltern wollen schnell ihre Kinder herauslassen, möglichst direkt vor dem Schuleingang. Das Erste, was dann belegt ist, ist dann der Radweg direkt davor", sagt sie.
Doch blockierte Radwege fallen nur auf, wenn sie gemeldet werden. Gerade Verstöße direkt vor den Schulen dürften allerdings auffallen - denn Schulen stehen unter besonderer Beobachtung: Zum sogenannte "Cop4U"-Konzept der Hansestadt gehört, dass an jeder Schule ein Polizist positioniert ist. Wenn Polizisten vor Ort sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass direkt mehr Strafzettel für die falsch geparkten Autos verteilt werden.
Radwege bei Einkaufszentren häufig zugeparkt
Neben den Radwegen in der Nähe von Schulen blockieren Autos regelmäßig auch die Radwege um große Einkaufszentren. So zum Beispiel im östlichen Stadtteil Billstedt in der Nähe des Billstedt Center, im nordöstlich gelegenen Steilshoop am dortigen Einkaufszentrums und in Harburg nahe dem Phoenix-Center.
Nicht weit davon entfernt arbeitet Verkehrsplanerin Jaqueline Maaß in ihrem Büro an der TU Hamburg. Sie kennt die Verkehrssituation vor Ort. Die hohe Falschparker-Quote überrascht sie daher nicht: "Das ist alles sehr eng. Autofahrer können nirgendwo so richtig halten. Und wer nicht ins Parkhaus fahren kann oder möchte, der stellt sich einfach in die zweite Reihe. Die Radfahrer haben dann das Nachsehen", sagt die Expertin.
Fast 9.000 Fälle von Falschparken in Hamburg
Insgesamt gab es laut der Daten der Hamburger Innenbehörde im Jahr 2023 genau 8.820 dokumentierte Vorfälle von Falschparken auf Radwegen und Fahrradstraßen. Sie schließen sowohl behördliche Meldungen ein, die von der Polizei oder dem Landesbetrieb Verkehr (LBV) gemacht wurden, als auch private Beschwerden, die von Bürgern eingereicht wurden. Die Daten werfen ein interessantes Schlaglicht auf den täglichen Platzkonflikt zwischen Radfahren und Autos in der Stadt - aber sie bilden nur einen Teil der Vorfälle ab.
Verkehrsforscherin Maaß schätzt, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. Das habe unter anderem mit Hürden bei der Meldung zu tun, sagt sie: "Nicht jeder, der sich über Falschparker auf dem Radweg aufregt, macht auch gleich ein Bild davon und bringt es zur Anzeige". Auch die Polizei betont, dass die reine Anzahl der Anzeigen nur ein Hinweis für einen Falschparker-Schwerpunkt ist. Es hänge maßgeblich vom Anzeigeverhalten vor Ort ab.
Nach Auskunft der Polizei ahnden drei Fahrradstaffeln Verstöße beim Parken. Darüber hinaus kümmerten sich auch viele Streifenpolizisten jeden Tag um das Freihalten von Radwegen.
Falschparker - nur Ärgernis oder echt Gefahrenquelle?
Für den Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) zählen die falsch geparkten Autos auf Radwegen, Radfahrstreifen und in Fahrradstraßen zu den größten Gefahren für Radfahrende. "Falschparken ist kein Kavaliersdelikt, sondern gefährlicher Egoismus von Autofahrer und eine erhebliche konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer", so ADFC-Sprecher Dirk Lau auf NDR-Anfrage.
Nach Einschätzung von Verkehrsforscherin Maaß seien Falschparker zwar ein Ärgernis - sie würden Menschen aber nicht davon abbringen, das Rad als Verkehrsmittel zu nutzen. Maaß hofft, dass sich der Trend zu mehr Radfahrern in Hamburg weiter fortsetzt. Und: Dass dadurch langfristig das gegenseitige Verständnis für andere Verkehrsteilnehmer steigt.
Fahrradverkehr in Hamburg nimmt zu
Tatsächlich nutzen immer mehr Menschen das Fahrrad regelmäßig als Transportmittel. Der rot-grüne Senat hatte sich das Ziel gesetzt, jedes Jahr 60 bis 80 Kilometer Radwege neu zu bauen oder zu sanieren. Im vergangenen Jahr wurde das Ziel erstmals erreicht: Laut Verkehrsbehörde wurden 2024 insgesamt 65 Kilometer Radwege fertiggestellt.
Doch werden beim Bau neuer Radwege auch mögliche Falschparker mitgedacht? Die Hamburg Verkehrsbehörde teilt auf NDR-Anfrage mit, dass die Stadt das Ziel des so genannten "geordneten Parkens" verfolge. Wenn Radwege neu geplant werden, würden neben Parkplätzen auch Ladezonen eingeplant. Und nach Möglichkeit werden die Radwege ganz vom Autoverkehr getrennt, so die Behörde.
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