Zehn Jahre AfD in MV: Anstoßen im "Achteck"
Die AfD in Mecklenburg-Vorpommern hat am Freitag auf ihr zehnjähriges Bestehen angestoßen. Als Gastredner hatte sich der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland angesagt.
Zusammen sind die beiden 163 Jahre alt: Gauland (82) und sein Bundestagskollege Albrecht Glaser (81) waren als Ehrengäste zum Empfang der "Alternative für Deutschland" (AfD) in Schwerin angereist. Eingeladen hatte sie der Landesvorsitzende der Partei, Leif-Erik Holm. Der Bundestagsabgeordnete ist mit 52 vergleichsweise jung. Holm gehört in der Landes-AfD zu denen, die in der Partei gerne "Männer der ersten Stunde" genannt werden. Viele Ex-Parteichefs wie Holger Arppe und Dennis Augustin oder Matthias Manthei und Bernhardt Wildt sind nicht mehr dabei. Entweder sind sie wegen rechtsextremer Skandale ausgeschieden oder frustriert ausgetreten.
Mut machen für die Oberbürgermeisterwahl
Der ehemalige Radio-Moderator Holm aber hat alle Intrigen und parteiinternen Ränkekämpfe überlebt und stand nur 2014 mal kurz nicht an der Spitze. Nicht nur Parteifreunde sagen, Holm habe den nötigen Opportunismus und die politische Biegsamkeit. Bei dem Treffen im Schweriner Veranstaltungszentrum "Achteck" - ehemals die Disko Nummer Eins in der Landeshauptstadt und Ort von "Miss-Wahlen" - wollte er es besinnlich zugehen lassen. Die AfD wollte sich Mut machen für die anstehende Oberbürgermeister-Wahl in Schwerin. Holm, der seinen Wahlkreis in Vorpommern hat, will bei der Wahl am 4. Juni in der Landeshauptstadt Verwaltungschef werden.
Zusammenarbeit mit der CDU im Visier
Holms Förderer Gauland war im "Achteck" für gute Stimmung vorgesehen. Der Ehrenvorsitzende ist geübt darin, angesichts der Flügelkämpfe an die Einigkeit in der AfD zu appellieren. Gauland hatte jüngst laut über eine Annährung an die CDU nachgedacht, deren Mitglied er einmal war. "Eine Zusammenarbeit zwischen CDU und AfD wird kommen, und sie wird aus dem Osten kommen. Nur wann, kann ich nicht sagen", zitierte ihn das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Auch Landeschef Holm sagte im Vorfeld des Empfangs: "Wir gehen jetzt in unser zweites Jahrzehnt. Und das steht unter dem Motto: Verantwortung übernehmen." Es gehe um eine Regierungsbeteiligung, "um die Dinge aktiv ändern zu können". Trotz einiger Rückschläge sei die die Partei eine Erfolgsgeschichte. Eine Koalition mit der Union - so die Hoffnung vieler in der AfD - könnte die Partei aus der politischen Schmuddelecke herausholen und ihrem Dasein als Polit-Paria ein Ende setzen. Als die Partei 2014 in Sachsen und Brandenburg in den Landtag einzog, meinte der damalige Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns, Erwin Sellering (SPD), noch, das Problem einer rechtspopulistischen Partei werde sich erledigen. Er täuschte sich wie viele andere auch.
Etablierung als Erfolg
Der Erfolg der AfD bestehe darin, dass sie sich im Parteiensystem etabliert habe, meint der Rostocker Politikwissenschaftler Jan Müller, obwohl sie zu Beginn "nicht so ernst genommen wurde". Die AfD habe mit einer brachialen und radikalen Kommunikation eine gewisse "Normalisierung" von rechtspopulistischen Themen erreicht. Bis vor zehn Jahren hätten viele noch geglaubt, Deutschland sei immun dagegen. In Mecklenburg-Vorpommern sei die Partei immerhin zweitstärkte Kraft. Allerdings, so Müller, im Vergleich mit anderen ostdeutschen Ländern schneide die Landes-AfD "nicht ganz so erfolgreich" ab.
Wissenschaftler sieht "Aufholpotenzial"
Das zeige sich in den Wahlergebnissen aber auch mit Blick auf die Verankerung in der Bevölkerung, so Müller. Die Mitgliederzahlen seien vergleichsweise gering, "da hat die AfD noch Aufholpotenzial". Auch er meint, die einzige Machtoption der AfD sei eine Koalition mit der Union. Allerdings sei "mittelfristig" damit nicht zu rechnen. Beispiele in Europa würden zeigen, dass Mitte-Rechts-Parteien bei Annäherung an Rechtspopulisten eher verlieren würden. Die CDU müsse auch deshalb auf eigenes Profil setzen. "Man darf nicht den Verlockungen des Populismus verfallen."
Viele Kreisverbände zerrissen
Rückenwind geben der AfD neueste Umfragen, immerhin wird ihr landesweit ein Potenzial von 25 Prozent der Wählerstimmen bescheinigt. Für Holm und seine OB-Kandidatur könnte das nur bedingte Aussagekraft haben. Schwerin ist alles andere als eine AfD-Hochburg: In den beiden Wahlkreisen der Landeshauptstadt landete die Partei 2021 bei der Landtagswahl unter ihrem Landesergebnis von 16,7 Prozent, in der Schweriner Innenstadt kam sie gerade mal auf 11,9 Prozent. Zudem gilt der AfD-Kreisverband unter der Vorsitzenden Petra Federau als ausgelaugt. Wie viele Kreisverbände ist auch die Fraktion im Landtag im Inneren zerrissen. Fraktionschef Nikolaus Kramer entging bei seiner Wiederwahl nur knapp einem Losentscheid, sein interner Widersacher Enrico Schult zog nach zwei Wahlgängen, die im 7:7-Patt endeten, großzügig zurück.
Antisemitische Hetznachrichten im Telegramm-Kanal
Hinzu kommen neue Negativ-Schlagzeilen: Die AfD-Abgeordnete Eva Maria Schneider-Gärtner wird laut Medienberichten mit antisemitischen Hetznachrichten auf ihrem Telegramm-Kanal in Verbindung gebracht. Schneider-Gärtner distanzierte sich zwar und schloss den Kanal. Der Vorfall ist damit jedoch nicht aus der Welt, Staatsanwaltschaft und Staatsschutz sind eingeschaltet. "Lange war es einigermaßen ruhig. Das hat uns jetzt gerade gefehlt", empörte sich ein AfD-Landtagsmitglied. Der Vorfall könnte auch in der Fraktion ein Nachspiel haben. Schneider-Gärtner wird heute nicht auf dem Empfang zu zehn Jahren AfD erwartet - sie wird auch in Abwesenheit Gesprächsthema sein. Rund 100 Gäste sind geladen, knapp 760 Mitglieder und Förderer hat die Partei nach eigenen Angaben.