Wie eine Stettiner Villa Deutsche und Polen zusammenbringt
Sie ist ein Prachtbau aus der Gründerzeit: die "Villa Lentz" in Stettin. Aufwendig restauriert mausert sie sich nun zum grenzüberschreitenden Kultur-Hotspot. Sie steht für Gegenwart und Vergangenheit in der deutsch-polnischen Metropolregion.
Im noblen Stettiner Stadtteil Westend steht seit mehr als 130 Jahren die sogenannte "Villa Lentz". Gebaut wurde sie ab 1888 als Wohnhaus des Unternehmers August Lentz. Der Selfmademan brachte es in den Boomjahren des deutschen Kaiserreichs vom einfachen Mechaniker zum Chef der Stettiner Schamottfabrik. Sein Palast zeugt bis heute von Vermögen, Einfluss und Repräsentationswillen. Prachtvolle Keramiköfen, edle Stofftapeten, überbordender Stuck, filigrane Holzvertäfelungen - seit 2021 erstrahlt alles im alten Glanz.
Stettins "Künstlerisches Wohnzimmer"
Rund fünf Millionen Euro hat die Stadt Szczecin investiert und einen Ort wiederbelebt, der viel über die Vergangenheit erzählt, aber auch viel über die liebevolle Annahme und Pflege dieses Kulturerbes. Die "Villa Lentz" sei die jüngste Kultureinrichtung der Stadt, sagt Direktorin Jagoda Kimber. "Sie wird das 'künstlerische Wohnzimmer der Stadt' genannt. Das liegt sowohl am Haus selbst als auch an dem Programm, das wir umsetzen." Konzerte, Theaterinszenierungen, Ausstellungen, Tango- und Walzerabende - vieles davon richtet sich auch an ein deutsches Publikum.
Anklamer zeigen sich begeistert
Zur Finissage einer Ausstellung mit Stettin-Bildern der Gründerzeit kamen kürzlich ein Reisebus mit vielen Interessierten aus Anklam. Das dortige Museum arbeitet mit der "Villa Lentz" zusammen. Anklams Museumschefin Sabine Görner zeigt sich begeistert: "Es ist großartig, was hier zustande gekommen ist. Allein diesen Mut zu haben, die Villa wieder auf Vordermann zu bringen, zu restaurieren und das Ganze auch mit einem ganz klaren Rahmenprogramm einfach zu versehen." Die Tour von Anklam ins 90 Kilometer entfernte Stettin sei schnell ausgebucht gewesen. Obwohl es bereits die dritte zur "Villa Lentz" war. "Das erste Mal hat es vielleicht drei Tage gedauert. Und jetzt quasi über Nacht. Samstag haben wir es rausgegeben. Montagfrüh war die Liste voll."
Zementfabrikant aus Jatznick
Zu den früheren Besitzern der "Villa Lentz" gehörte ab 1911 auch das Ehepaar Wilhelm und Frieda Döring. Die Inhaber der Zementfabrik in Jatznick bei Pasewalk waren passionierte Kunstsammler. Ihnen gehörten rund 100 Gemälde und Grafiken. Darunter auch zwei Bilder vom berühmten Maler Max Liebermann. Sein 1915 geschaffenes Gemälde "Gartenlokal am Wasser" befindet sich heute im Pommerschen Landesmuseum Greifswald. Bei vielen anderen Werken der Döringschen Sammlung war der Verbleib hingegen unklar.
Verbleib der "Schattengalerie" geklärt
Der Stettiner Kunsthistoriker Dariusz Kacprzak spricht daher von einer "Schattengalerie". Im Auftrag der "Villa Lentz" hat er nun Licht ins Dunkel gebracht. Ende Juli legte der Experte das Ergebnis seiner jahrelangen Detektivarbeit vor: "Die Bilder existieren. Wir sprechen über keine Kriegsverluste", sagt Dariusz Kacprzak, der auch Vizedirektor des Nationalmuseum Stettin ist. Bis auf wenige Ausnahmen konnte er für fast alle Gemälde die heutigen Aufbewahrungsorte ermitteln. Viele sind in Deutschland und Polen, manche auch in anderen europäischen Ländern.
Plattform für Zusammenarbeit
Es sei für sie und ihr Team eine große Befriedigung, an diesem Ort zu arbeiten, sagt Direktorin Jagoda Kimber. "Wir dürfen die Hüter sein." Die Villa sei aber nicht nur eine Treuhänderin des Gedächtnis an die Vergangenheit, sondern auch ein modernes Kulturzentrum und Plattform der Zusammenarbeit.
Wie die "Villa Lentz" Deutsche und Polen zusammenbringt - darum geht es auch in der neuen Folge unseres Podcasts "MV im Fokus". Zu finden in der kostenlosen App der ARD Audiothek und der NDR MV App.