Viel Platz für Geflüchtete: Darum steht Reriks Unterkunft leer
Die Stadt Rerik hat dem Landkreis Rostock vor elf Monaten Platz zur Unterbringung ukrainischer Kriegsgeflüchteter angeboten. Erst wurde über die Miete verhandelt, nun darüber, wer einziehen darf.
Wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine waren sich Reriks Stadtvertreter einig: Die Stadt wollte helfen und hatte dem Landkreis Rostock die leerstehende Jugendherberge zur Unterbringung von Kriegsgeflüchteten angeboten. Parallel sammelten Helfer Spenden wie Möbel und Hausrat. Der Bauhof besorgte nagelneue Küchen, die die Mitarbeiter zusammen mit ehrenamtlich Engagierten einbauten.
Elf Monate später steht Bürgermeister Wolfgang Gulbis (SPD) kopfschüttelnd vor dem Gebäude, in dem mindestens 50 Menschen in drei großen Wohnungen und den Zimmern mit zugehörigem Bad untergebracht werden könnten. "Angesichts dessen, wie andernorts Leute untergebracht werden – in Stahlcontainern und unter deutlich schwierigeren Bedingungen – ist es natürlich schwer nachvollziehbar, dass solche Möglichkeiten, wie sie hier bestehen, nicht genutzt werden", so Gulbis.
Stadt und Landkreis verhandeln noch immer
Bis Dezember verhandelten Stadt und Landkreis über den Mietvertrag. Für den Landkreis habe die Schwierigkeit darin bestanden, wie genau die Nebenkosten erfasst werden können, so Gulbis. Für die Räume gibt es keine separaten Stromzähler – das sei für die Behörden aber wichtig. Nachdem man sich handelseing war, kam jedoch die Wende: Statt ukrainischer Geflüchteter will der Landkreis nun Menschen aller Nationen in Rerik unterbringen. Für Gulbis endeten die Verhandlungen damit. Der Grund: Dafür habe er nicht die Rückendeckung der Gemeinde, so der Bürgermeister. "Wir wollen der Ukraine helfen. Das ist Grundkonsens im gesamten Ort gewesen, immer, für jegliches Engagement wie Spenden und für ehrenamtliche Tätigkeiten und so weiter. Das jetzt nachträglich in Frage zu stellen, würde ja bedeuten, die Zweckbindung der Spenden aufzuheben."
Ein Dilemma für den Landkreis Rostock
Für den Landkreis Rostock sei das ein Dilemma, sagt Sprecherin Juliane Hinz. Die Gemeinschaftsunterkünfte sind schon jetzt überbelegt und jede Woche werden dem Landkreis 25 weitere Geflüchtete zugewiesen. Sie setzt auf eine Fortführung der Verhandlungen mit Rerik: "Wir hoffen natürlich, dass noch ein Weg da reinführt, weil wir wirklich den großen Bedarf haben, Geflüchtete unterzubringen - egal woher sie kommen."
Doch kann eine Stadt überhaupt bestimmen, welcher Nation Menschen angehören sollten, wenn sie in der gemeindeeigenen Unterkunft einquartiert werden? "Ja, grundsätzlich darf die Gemeinde Rerik das natürlich entscheiden und sie dürfte sich auch zurückziehen von dem Angebot", sagt Hinz. Doch der Landkreis sei nun einmal gesetzlich verpflichtet allen Menschen zu helfen – ungeachtet ihrer Herkunft und dafür brauche er die Bereitschaft von privaten Vermietern oder eben von Gemeinden mit eigenen Immobilien.
Freie Schule hat bereits Interesse an Gebäude geäußert
Bürgermeister Gulbis will dem Landkreis da keine großen Hoffnungen machen: Inzwischen hat die Freie Schule in Rerik Interesse an den immer noch leerstehenden Räumen angemeldet. Die möchte für die Zeit von Bauarbeiten für einen Erweiterungsbau in einem Teil der Räume ihre Schüler unterbringen. Reriks Vorhaben, schnell und unkompliziert zu helfen, ist gescheitert. Ob die Stadt neu entscheidet und wer demnächst in die Jugendherberge einzieht, ist noch offen.