Seegras-Start-up aus MV: Der steinige Weg zum Öko-Dämmstoff
Für viele Ostseegemeinden stellt Seegras ein Problem dar. Denn sie müssen es kostspielig entsorgen. Ein Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern hat sich stattdessen zum Ziel gesetzt, aus Seegras einen konkurrenzfähigen Baustoff zu machen.
Für viele Ostseegäste ist es lästig - das Seegras an den Badestränden. Allein auf der Insel Poel sind in diesem Jahr rund 1.000 Kubikmeter bei den Strandreinigungen zusammengekommen. Dieses Seegras gilt als Müll und muss teuer entsorgt werden, erklärt Markus Frick, Kurdirektor der Insel Poel: "Seegras hat vereinfacht gesagt die Eigenschaft, dass es durch Anfassen zu Abfall wird. Das heißt so schön: Es zählt der Entledigungswille. Also sind wir gefordert, das Material, was wir hier am Strand aufnehmen, dann auch einer Weiterverarbeitung zuzuführen."
Herausforderung: Sand und Wasser vom Seegras trennen
Bislang wird das Poeler Seegras von einem Unternehmen entsorgt, das es als Dünger einsetzt. Nun lässt man sich auf der Insel auf ein Experiment ein. Dafür lagern aktuell rund 150 Tonnen Seegras auf dem Bauhof der Kurverwaltung auf der Insel. Ein Start-up-Unternehmen will daraus einen konkurrenzfähigen Baustoff machen: eine ökologische Einblasdämmung.
Die Idee, Seegras für die Dämmung einzusetzen, ist Jahrhunderte alt. Doch für eine maschinelle Aufbereitung des Naturstoffes gibt es noch kein Rezept, erklärt Vincent Marnitz, Gründer des Start-up-Unternehmens "Build Blue": "Die Herausforderung ist, dass das Seegras sandig und nass unfassbar widerspenstig ist. Wir kriegen den Sand kaum ab. Es will natürlich seine Feuchtigkeit behalten, da sind große Steine drin."
Trial and Error: Gerätschaften nach und nach entwickeln
Für die Reinigung nutzt der Jungunternehmer eine große Trommelsiebanlage, die eigentlich für Holzhackschnitzel oder Bauschutt konzipiert ist. Sukzessive passen Marnitz und seine Mitstreiter das Gerät den Erfordernissen an. "Wir haben ein deutlich feineres Sieb eingebaut, was salzfest ist, also ein Edelstahlsieb. Allein die passende Maschenweite zu finden, war wochenlange Erprobung. Wir haben Mitnehmer eingebaut, die das Material richtig schön umwenden. Weil langes Seegras fasert und sich wie ein Zopf zusammendreht."
Bislang viel Aufwand für zu wenig Ertrag
Gut die Hälfte des Ausgangsmaterials, das bei der Strandreinigung anfällt, besteht aus Sand und Steinen. Weitere 40 Prozent sind Wasser. Das Material muss darum nicht nur gesiebt, sondern auch getrocknet werden - ein Dilemma: "Am besten wäre aller Sand raus, damit es besser zu trocknen ist. Aber der Sand will erst raus, wenn es trocken ist. Da muss man natürlich die beste Waage finden für beides." Bislang wird das Seegras gesiebt, danach durch ein Gebläse in Kisten getrocknet, wieder gesiebt und so weiter. Am Ende bleiben lediglich zehn Prozent Seegras übrig.
Anonymer Investor unterstützt das Projekt
Für Vincet Marnitz stimmt das Kosten-Nutzen-Verhältnis noch nicht, die Aufbereitung ist zu aufwendig. Bislang generiert das Unternehmen mit dem Dämmstoff auch noch keine Einnahmen. Ein Jahr lang sogenanntes Bootstrapping lägen hinter ihnen, so nenne man es im Start-up-Jargon, wenn eigene Geldmittel zum Einsatz kommen, erklärt Marnitz. Für die Gerätschaften, wie die Siebtrommel und einen Mini-Radlader, hätten sie einen Geldgeber aus dem Land, einen privaten Investor. Ohne diese Unterstützung, so Vincent Marnitz, wäre das Projekt nur schwer umzusetzen.
Kleinere Anlagen für Strandeinsatz geplant
Was am Ende der Entwicklungsphase stehen soll, weiß der Jungunternehmer genau: "Das Ziel ist es, dass wir wirklich alles verpackt in Schiffscontainern als automatisierte Anlage haben können." Diese kompakten Anlagen könnten dann direkt am Strand stehen. Anstatt mit Steinwolle, Kunstharz oder Holzfaser könnten Häuser dann vielleicht bald mit Ostsee-Seegras aus Mecklenburg-Vorpommern gedämmt werden. Auch den Ostseegemeinden würde das einiges erleichtern.