Queerfeindlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern nimmt zu
Immer mehr queere Menschen suchen Beratungsstellen in Mecklenburg-Vorpommern auf. Laut Roy Rietentidt, Vorsitzender des Landesverbands Queer MV, liegt dies am gesellschaftlichen Wandel.
Im Vergleich zu früheren Jahren wenden sich vier bis fünf Mal so viele Menschen an Hilfsangebote, sagt Roy Rietentidt. Der Anstieg der Anfeindungen gegen Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle habe auch damit zu tun, dass "queeres Leben sichtbarer geworden" sei. Tom Lüth, Vorstandsmitglied des Vereins für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt rat + tat e.V. Rostock bestätigt, dass die Situation für queere Menschen in den letzten Monaten schwieriger geworden sei. Dies habe vor allem mit dem Rechtsruck in der Gesellschaft zu tun. Der politische Aufschwung der AfD führe dazu, dass mehr Menschen sich öffentlich trauen, homophobe und transfeindliche Dinge zu sagen. Diese seien vorher ein gesellschaftliches Tabu gewesen. Die queere Community ist nun vermehrt Anfeindungen auf offener Straße ausgesetzt. "Es merken viele queere Menschen, dass ein Spruch kommt auf der Straße - aber eben auch, dass Bedrohungsszenarien kommen und Leute verfolgt werden", so Tom Lüth.
Symbolische Anfeindungen in der Öffentlichkeit
In der Nähe des Kröpeliner Tors in Rostock steht die "Regenbogenbank". Die bunt-bemalte Bank gilt als Zeichen gegen Homophobie in Rostocks Innenstadt. Immer wieder wird sie mit queerfeindlichen Symbolen beschmiert und bestickert. Florian Möller, Vorstandsmitglied des CSD Rostock e.V. verfolgt die immer wiederkehrenden Beschmutzungen der Regenbogenbank. "Sie wird beschmiert, bestickert und beschädigt. Auch wurde sie mit Hakenkreuzen und Naziflaggen besprüht." Ähnliche rechtsmotivierte und symbolische Angriffe finden auch an anderen Orten in Mecklenburg-Vorpommern statt. Erst im Juli haben Unbekannte in Neubrandenburg eine Regenbogenfahne am Bahnhof durch eine Hakenkreuzfahne ersetzt.
Straftaten gegen queere Menschen sind schwer zu erfassen
Dass die Zahlen schwer festzuhalten sind, liegt daran, dass die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern queerfeindliche Straftaten in der Kategorie "politisch-motivierte Straftaten" erfasst. In den Jahren 2020 bis 2022 konnte die Polizei landesweit rund 40 Straftaten in den Unterthemenfeldern "sexuelle Orientierung" und "geschlechtsbezogener Diversität" registrieren. Die tatsächliche Zahl queerfeindlicher Angriffe liege deutlich höher, so Roy Rietentidt. Es ist davon auszugehen, dass eine hohe Zahl queerer Menschen aus Scham Straftaten nicht bei der Polizei meldet. Tom Lüth appelliert an die Polizei, Straftaten besser voneinander zu trennen. Die verlässlicheren Zahlen, die dem Verein vorliegen, sind Berichte aus der Community. Diese seien aber keine offiziellen Zahlen, mit denen auf politischer Ebene argumentiert werden könne.
Hilfe für Betroffene in MV
Tom Lüth ist zufrieden mit der Förderung der Beratungsstellen seitens der Hansestadt Rostock. Von der Landespolitik wünscht sich der Verein mehr Bewusstsein für die Notwendigkeit von landesweiten Beratungsangeboten und Anlaufstellen für Menschen, die von Homophobie und Transfeindlichkeit betroffen sind. Der Landesverband Queer MV fordert hauptamtliche Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bei Polizei und Staatsanwaltschaften für Opfer von Hassverbrechen. Diese sollen Vertrauen schaffen und Betroffenen die Scheu nehmen, Anzeige zu erstatten.