Print oder Digital? Zur Zukunft der Zeitungen in MV
Digital oder Print? Auf dem Smartphone oder auf Papier? Der digitale Wandel stellt den Tageszeitungsjournalismus vor große Herausforderungen. In Mecklenburg-Vorpommern setzen die "Schweriner Volkszeitung" und "Ostsee-Zeitung" verstärkt auf online. Doch es gibt auch Medien, denen Print besonders am Herzen liegt.
Der digitale Wandel macht auch vor Mecklenburg-Vorpommern nicht halt: Die Meldung über die Schließung der hauseigenen Druckerei der "Ostsee-Zeitung" ließ aufhorchen. Die Auflage sei zu niedrig, so die Begründung. In Zukunft wird nun in Neubrandenburg gedruckt. Damit endet nach 60 Jahren eine Ära. Die "Ostsee-Zeitung" will digitaler werden. "Die 'Ostsee-Zeitung' ist dabei, dass wir in den kommenden Jahren zu einem reinen digitalen Medienunternehmen werden wollen", sagte "OZ"-Chefredakteur Andreas Ebel bei NDR MV Live. "Wir spüren im Digitalen sehr starke Wachstumsschübe." Die Zeitung habe Stand heute bereits 20.000 Digital-Abonnenten - Tendenz steigend. Vor allem die jüngeren Leserinnen und Leser sowie Familien interessierten sich für das digitale Angebot.
"OZ"-Chefredakteur: "OZ" bleibt Lokalzeitung - auch im Digitalen
Doch auch die Printausgabe wird einem Facelift unterzogen: "Die 'Ostsee-Zeitung' wird ein kleines Stück kleiner vom Format her, aber inhaltlich werden wir das Format natürlich verbessern", so Ebel weiter. Die klare Ausrichtung werde aber beibehalten: "Sie wird ein Qualitätsprodukt im Lokaljournalismus sein, weil die 'Ostsee-Zeitung' ist in der Print-Zeit eine Lokalzeitung gewesen. Das wird sie auch im Digitalen sein," verspricht Ebel. Dabei gelte es, weiterhin nah an den Menschen der Region und ihren Themen dranzubleiben.
Mehr Beteiligung der Leserschaft
Das Digitale eröffne dabei ganz neue Möglichkeiten - vor allem auch für die Leserinnen und Leser: "Zum Beispiel auch mitzuentscheiden, über was schreiben wir eigentlich? Welche Inhalte publizieren wir? Wo gehen wir nochmal drauf. Oder man kann auch sehr stark Inhalte der Nutzerinnen und Nutzer mit Inhalten der Journalisten verknüpfen." Ebel und sein Team haben "da richtig Bock drauf". Derzeit werde bereits an entsprechenden Konzepten gearbeitet: "Weil wir an den Journalismus der Zukunft glauben."
"SVZ": Herausforderung ist, genügend zahlende Nutzer zu finden
"Die zentrale Herausforderung ist, für unsere Inhalte aus der Region noch hinreichend bezahlende Nutzer zu finden - auf Papier wie im Digitalen", sagt Michael Seidel, Chefredakteur der "Schweriner Volkszeitung" bei NDR MV Live. Das gelinge der NOZ/mh:n-Mediengruppe, zu der die "SVZ" gehört, auch ganz gut, so Seidel. "Wir hatten im vorigen Jahr sogar mal über Monate den Stand, dass wir insgesamt Print- wie Digital-Abos mehr Abos hatten als vor dieser digitalen Transformation." Wegen der gegenwärtigen Krise habe es zuletzt aber eine Delle gegeben, die alle Verlage deutschlandweit betreffe.
"Entscheidendes Kriterium ist 'digital first'"
"Das Grundproblem ist, die Kostensteigerungen, die uns auf mehreren Ebenen erreicht haben - selbstverschuldet und auch durch politische Grundsatzentscheidungen verschuldet - mit unserem Geschäftsmodell in Einklang zu bringen. Das die große Herausforderung", sagt Seidel. Das Schweriner Blatt will einerseits weiterhin soviele Reporter und Redakteure in der Fläche erhalten, aber gleichzeitig die "Kostensituation optimieren", so Seidel.
Das entscheidende Kriterium sei "Digital first": "Wir richten alles darauf aus, dass die künftige Leserschaft höchstwahrscheinlich in den wesentlichen Teilen nur noch aus dem digitalen Bereich kommen wird - und dass das Printprodukt zusehends zu einem Kulturgut, zu einem Hintergrundmedium, zu einem Einordnungsmedium wird." Seidel glaubt, dass das gelingen kann. Die Mitarbeiterzahl in seinem Verlag habe sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.
Problem: Zustellung in ländlichen Räumen
Ein großes Problem sei die Zustellung - gerade in ländlichen Regionen. "Die Zustellung in ländliche, dünn besiedelte Räume kostet inzwischen mehr in manchen Regionen als das gesamte Abo", so Seidel. Das hänge auch mit dem dem Thema Mindestlohn zusammen. Dafür habe die Branche keine Transformationsförderung bekommen. Seidel verweist auf die "Thüringer Allgemeine Zeitung", die in einer Region als Printausgabe gar nicht mehr zugestellt werde. Dass dies auch im Nordosten einmal passieren könnte, will Seidel nicht ausschließen.
Eine Frage von Systemrelevanz
Der Ausspielweg sei am Ende nicht entscheidend, ist sich der "SVZ"-Chefredakteur sicher. "Sondern: Haben wir noch guten Journalismus? Auch bis in die kleinen Regionen hinein?" Oder begleite der Journalismus manche Regionen "nur noch im Überflug" und stehe dann am Rand und sehe zu, wie demokratische Aushandlungsprozesse in Gemeinden, in Städten, in Kreistagen ohne öffentliche Begleitung stattfänden und dann möglicherweise auch nicht mehr so demokratisch funktionierten? "Das ist für mich eine Frage von Systemrelevanz."
DJV: Print finanziert den digitalen Wandel
"Digital ist die Entwicklung der Zukunft", sagt Corinna Pfaff, die Geschäftsführerin des DJV in MV. "Das ist das, was die Verlage wollen, weil Druck und Verteilung hohe Kosten verursachen." Die DJV-Landeschefin verweist aber auch darauf, dass die Verlage gegenwärtig immer noch Gewinn durch Print machen. Print finanziere den digitalen Wandel. "Die Frage ist: Wie schnell darf Print sterben, damit der digitale Wandel erfolgreich sein kann?" Es sei nicht ganz ungefährlich, den Schnitt zu schnell zu vollziehen, denn er birgt die Gefahr, dass das Printprodukt vernachlässigt werde, meint Pfaff. "Außerdem wollen viele Menschen im Land den Printprodukten treu bleiben." Ein Umstieg auf E-Paper sei oft auch deshalb nicht möglich, weil Netz nicht flächendeckend vorhanden sei.
"Katapult": Wollen möglichst viele Leute erreichen
Der Greifswalder Katapult-Verlag - 2015 mit einem gleichnamigen populärwissenschaftlich-kartografischen Magazin gestartet - hat sein Angebot im Lauf der Zeit auf Lokaljournalismus erweitert. "Katapult MV" erscheint einmal monatlich als Printausgabe und ansonsten aktuell online und digital. Für das vierteljährlich erscheinende Magazin gilt das Motto: "Katapult gibt es nicht als E-Paper. Denn: Katapult gehört gedruckt gelesen!" Nur online zu erscheinen, würde viele Menschen ausschließen, erklärt Chefredakteur Patrick Hinz. "Eigentlich geht es darum, dass wir möglichst viele Leute erreichen wollen und deshalb haben wir den Weg gewählt: Online, über die sozialen Netzwerke, aber eben auch Print."
"Das Schönste, einmal im Monat diese Zeitung in der Hand zu halten"
Die Finanzierung erfolgt über ein Abo-System, für die Abonnenten einmal pro Monat eine Printzeitung bekommen. "Aktuell ist es noch so, dass die Auflage und die Produktionskosten gut hinhauen", so Hinz. "Mal gucken, wie sich das weiterentwickelt. Wir möchten auf jeden Fall nicht die Auflage verkleinern oder das Printmagazin sogar einstellen, weil eigentlich ist es das Schönste, einmal im Monat diese Zeitung in der Hand zu halten." Perspektivisch möchte der Verlag selbst drucken - mit eigenen Druckmaschinen.