NATO-Ostflanke: Mit leichten Spähern in litauischen Wäldern
Die Panzergrenadierbrigade 41 "Vorpommern" schützt derzeit die Nordostflanke der NATO in Litauen. Ihr Auftrag hat durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine schlagartig an Brisanz gewonnen. Auf dem Übungsplatz in Pabrade unweit der Grenze zu Belarus übt die Battlegroup. Unterwegs mit leichten Spähern.
Der Fuchs-Radpanzer am Waldrand ist erst auf den zweiten oder dritten Blick zu erkennen. Gut getarnt steht er zwischen Birken und Gebüsch. Ein paar Meter weiter entfernt an der Böschung eines Grabens lugt ein mit Zweigen verdeckter metallischer Schirm aus dem Gestrüpp hervor und schwenkt lautlos von links nach rechts. Es ist das Bodenradar, das kilometerweit die Umgebung abscannt. "Wir führen Radaraufklärung im vorderen Bereich durch", erklärt Hauptmann Oliver (Nachnamen werden zum Schutz der Soldaten nicht genannt). Er ist der stellvertretende Kompaniechef der Aufklärungskompanie der NATO-Battlegroup in Litauen im Rahmen der enhanced Forward Presence ("verstärkte Vornepräsenz"). "Wir generieren Aufklärungsergebnisse für eine leichte Spähgruppe." Bei leichten Spähern handelt es sich um Spähaufklärung, die zu Fuß aufklärt. "Dort, wo der Spähwagen Fennek nicht hinkommt."
Eine Signatur, die wie ein Walgesang klingt
Innen im Radpanzer blickt die Besatzung gespannt auf Bildschirme und blinkende Anzeigen. Im Hintergrund rauscht es monoton. Plötzlich erregt ein seltsames Geräusch aus den Apparaturen die Aufmerksamkeit der Besatzung. Was sich für Laien wie Walgesänge anhört, ist die Signatur eines beweglichen Ziels. Eine Feindmeldung mit den ungefähren Koordinaten geht per Funk an den Gruppenführer. Ein Radfahrzeug bewegt sich von West nach Ost und ist in Stellung gegangen. "Verifizierung durch Lima 1 möglich?", fragt die Besatzung per Funk.
Diesseits und jenseits der feindlichen Linien
Jetzt kommt die leichte Spähgruppe ins Spiel. Sie befindet sich in einem Waldstück einige Kilometer entfernt. Das Einsatzgebiet der leichten Späher liegt unmittelbar im Vorfeld der feindlichen Linien und auch dahinter. Ihre Aufgabe ist es in der Regel, feindliche Vorposten zu lokalisieren oder im Feindesland Ziele wie Artilleriestellungen oder Gefechtsstände aufzuspüren, die dann aus der Luft oder aus der Ferne bekämpft werden. Die Nähe zum Gegner macht die Arbeit der leichten Späher sehr gefährlich, doch selbst anzugreifen, sehen die Einsatzregeln nicht vor. "Der Kampf ist nicht unser Auftrag", sagt Hauptfeldwebel Christian, ein Nordwestmecklenburger, Gruppenführer der leichten Spähgruppe in der Aufklärungskompanie. Der Gruppenführer weist seinen Trupp auf einer auf dem Moosboden ausgebreiteten Landkarte ein. Ein weiterer Funkspruch, dann geht es los.
Lautlos durchs Gelände
Hauptfeldwebel Christian - bewaffnet mit einer Maschinenpistole, die handlicher ist als ein Gewehr - geht voran in das Einsatzgebiet. Die feindlichen Truppen werden in einem Kiefernwald vermutet. Die Männer seines Trupps folgen ein jeder in einigem Abstand. Kurz vor einer Hügelkuppe hebt der Gruppenführer plötzlich die Hand und bleibt stehen. Seine Männer tun es ihm nach. Hauptfeldwebel Christian kriecht mir dem Fernglas in der Hand vorsichtig auf den Hügel und sucht das Gelände ab. Die Luft scheint rein zu sein. Dann geht es weiter.
Ein lauter Knall, Rauch steigt auf: "Zürück!"
Je tiefer sie in den Wald kommen, desto vorsichtiger bewegen sich die Männer, bis sie sich schließlich nahezu lautlos durchs Gelände pirschen - immer wieder nach dem Feind Ausschau haltend. Manchmal rauscht ein Windzug durch die Wipfel, mal knackt ein Zweig, dann ist es wieder still. Doch plötzlich donnert ein lauter Knall durch den Wald. Nur wenige Meter vor dem Gruppenführer detoniert ein Alarmsignal. Qualm steigt auf. Offenbar hat der Hauptfeldwebel ohne es zu merken einen Sicherheitsdraht ausgelöst, der vom Feind nahezu unsichtbar über den Bode gespannt wurde. Und sofort rattern die Gewehre. Die Männer brüllen aufgeregt Kommandos. "Ausweichen", heißt es. "Zurück!" Im Laufschritt suchen die Soldaten der Gruppe das Weite. Hin und wieder bleiben sie hinter Baumstämmen stehen und erwidern das Feuer des Feindes, der die Verfolgung aufgenommen hat.
Ein Verletzter muss geborgen werden
Plötzlich ein Schrei. Einer der Soldaten wurde am Bein getroffen. Nicht in echt, denn bei dieser Übung wird nur mit Platzpatronen geschossen. Aber es sieht täuschend echt aus, wie die Gruppe den Ernstfall übt. Ein Kamerad kümmert sich um den Verletzten, wuchtet die 130 Kilogramm, die Soldat und Ausrüstung wiegen, auf die Schulter und trägt ihn im Gamstragegriff weiter zurück in Richtung eigenen Linien. Als der Tross etwas Abstand zum Feind gewonnen hat, legt der Träger den Verletzten an einem Baumstamm ab. Der bietet etwas Schutz. Unter Schmerzensschreien bindet er dem Schreienden das Bein ab und simuliert die Injektion von Morphin. Mehr kann im Feld zunächst nicht für den Verletzten getan werden. Weiter. Zurück zum Abholpunkt.
Ein ausgeglühter Rauchtopf und einige Dutzend Patronenhülsen zeugen vom Gefecht
Dort wartet auf einem Waldweg ein mit Kieferngrün bedeckter Radpanzer. Der aus der Luke der Fahrerkabine herauslugende MG-Schütze feuert MG-Garben in Richtung des sich nähernden Feindes, bis das Gewehr qualmt. Dann setzt der Panzer zurück. Die Soldaten schmeißen Rauchgranaten, die sofort einen verhüllenden Schleier zwischen den Kiefernstämmen ziehen, der dem Gegner die Sicht verwehrt. Der Radpanzer setzt feuernd zurück. An einer Kreuzung wird der Verletzte eingeladen, dann geht es zurück zum Stützpunkt. Die Späher sammeln sich an einer Weggabelung. Ein ausgeglühter Rauchtopf und einige Dutzend Patronenhülsen zeugen vom Gefecht. Die Übung war sehr kräftezehrend. Die Männer sind außer Atem. Alle haben verschwitzte Gesichter.
Am Ende kommt der Spieß mit der Verpflegung
Doch die Mühen haben sich gelohnt. Hauptmann Oliver, der stellvertretende Chef der Aufklärungskompanie, hat die Übung verfolgt. Jetzt übt er mit den Spähern Manöverkritik. "Alles in allem, Eure Arbeit hat sich ausgezahlt. Keine weiteren Anmerkungen. Gut gemacht", lobt er. "Dementsprechend dann jetzt die wohlverdiente Verpflegung, oder?" ruft er seinen Männer zu. "Dann holen wir den Spieß mal heran." Kurz darauf kommt ein Wagen über den Waldweg herangebraust. Es wird fix aufgebaut. Dann erfolgt die Essensausgabe.
Der Einsatz in Litauen ist auch Thema der neuen Folge des Podcasts Dorf-Stadt-Kreis.
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