Messerattacke in Stralsund: Handy des Beschuldigten nicht ausgewertet?
Wurde die Spurensicherung von Polizei und Staatsanwaltschaft verschleppt? Ein 64-jähriger Deutscher soll Ende Mai einen Italiener in einer Stralsunder Bar niedergestochen haben. Über Wochen hinweg hat die Staatsanwaltschaft nur zögerlich die Öffentlichkeit informiert.
Es ist jetzt gut sechs Wochen her, dass ein 64-jähriger Deutscher einen italienischen Staatsbürger mit einem Klappmesser verwundet haben soll. Der Mann kam zunächst wegen versuchten Mordes in U-Haft, wurde später entlassen, nachdem der Vorwurf in "Gefährliche Körperverletzung" umgewandelt wurde. Polizei und Staatsanwaltschaft machten den Fall tagelang nicht öffentlich - bis zu einer Anfrage des NDR. Doch auch danach flossen Informationen zunächst nur spärlich. Auch zu der Frage, ob ein ausländerfeindliches Motiv hinter der Tat steckt. Die neuen Informationen, die die Staatsanwaltschaft dem NDR jetzt mitgeteilt hat, werfen neue Fragen auf.
Späte Wohnungsdurchsuchung
Danach hat die Wohnungsdurchsuchung beim Beschuldigten erst neun Tage nach der Tat stattgefunden, genauer: am 4. Juni. Viel Zeit, in denen mögliche Beweismittel hätten aus der Wohnung gebracht werden können, etwa durch Freunde oder Bekannte.
Auch ziemlich merkwürdig klingt es, dass das Handy des mutmaßlichen Täters zwar noch in der Tatnacht, also am 26. Mai, von der Polizei gesichert wurde, die Auswertung aber bis heute nicht vorliegt. Deshalb hat der NDR bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt, wie sie denn die Arbeit der Polizei bewertet und ob in der Tatnacht alles korrekt abgelaufen sei. Dazu wollte die Behörde aber nicht Stellung beziehen, eine öffentliche Bewertung polizeilicher Maßnahmen sei nicht Aufgabe der Pressestelle, heißt es. Der nächste Satz deutet aber wohl doch auf gewisse Probleme hin: "Grundsätzlich wird im dienstlichen Austausch zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft in konkreten Einzelfällen wie im Hinblick auf allgemeine Verfahrensabläufe eine Verbesserung kriminalistischer und strafprozessualer Maßnahmen angestrebt".
Beschuldigter schweigt zu Motiv
Das Motiv der Tat sei auch weiter unklar, so die Staatsanwaltschaft. Aber "nach wie vor" komme aufgrund der von Zeugen wahrgenommenen Äußerungen des Beschuldigten ein ausländerfeindliches Motiv in Betracht. Der mutmaßliche Täter selbst schweige zu seinen Beweggründen. Ein Augenzeuge hatte dem NDR geschildert, dass der 64-Jährige bei seiner Festnahme ausgerufen habe: "Ich habe das für Deutschland gemacht". Doch davon will die Staatsanwaltschaft bis heute nichts wissen. Auf die Frage, ob Polizisten, die bei der Verhaftung vor Ort waren, von dem Ausruf gehört haben, schreibt uns der Pressesprecher der Behörde nur: "Die diesbezüglichen Befragungen sind noch nicht abgeschlossen". Sechs Wochen nach der Tat klingt auch diese Aussage bemerkenswert.