"Meine Sozialwohnung? Für mich ein Traum"
Als Roland Lasner vor drei Monaten in seine neue Sozialwohnung in Rostock-Lichtenhagen zog, stand für den 60-Jährigen fest: Hier bleibe ich. Allerdings hatte der alleinstehende Frührentner bis zum Einzug einige Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Die Wohnungsbauwirtschaft sieht sich derweil gefordert. Sie soll weitere Sozialwohnungen errichten. Doch das gestaltet sich in Rostock schwierig.
Schon als die fünfgeschossigen Gebäude in der Plöner Straße noch eine Baustelle waren, hat Roland Lasner das Gelände und die Umgebung in Lichtenhagen inspiziert. "Einkaufsmeile in der Nähe, dazu viel Grün und dann ein Neubau mit Aufzug - perfekt", so der ehemalige Verkehrsdispatcher der Rostocker Straßenbahn AG (RSAG). "Da ich zu 90 Prozent behindert bin, brauchte ich eine Wohnung mit guter Anbindung und wenig Treppenstufen." Er schaut auf sein rechtes Bein: "Das verweigert nach einer Nervenkrankheit immer wieder seinen Dienst".
Der kleine Bewerbungsmarathon
Alles sprach für die rund 60 Quadratmeter große Wohnung in Lichtenhagen. Allerdings gab es eine Warteliste und eine Bedingung: die Vorlage eines Wohnberechtigungsscheins (WBS). Roland Lasner stieß im Netz auf die Rathaus-Seite der Hansestadt, wo er ein Informationsblatt zum Wohnberechtigungsschein fand. "Dort konnte ich in der Tabelle sekundenschnell überprüfen, ob ich überhaupt die Chance auf einen WBS hätte. Als Alleinstehender, maximal 16.800 Euro im Jahr, das hat für mich gepasst."
Haushaltsgröße in Personen | Maximaler Verdienst für Wohnungen 1. Förderweg | Maximaler Verdienst für Wohnungen im 2. Förderweg |
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1-Personenhaushalt | 16.800 Euro | 21.600 Euro |
2-Personenhaushalt | 25.200 Euro | 32.400 Euro |
3-Personenhaushalt | 30.940 Euro | 39.780 Euro |
Für jede weitere Person (Beispiel Pflegefall) | 5.740 Euro | 7.380 Euro |
Mehrbetrag für Kinder unter 18 Jahren | 700 Euro | 900 Euro |
Mit den entsprechenden Verdienstnachweisen und dem ärztlichen Nachweis ging dann alles ziemlich schnell. "Innerhalb von zwei Wochen hatte ich den WBS, ließ mich auf die Warteliste setzen und hatte dann einfach Glück", so Roland Lasner.
Sozialer Wohnungsbau - eine Sache der Politik
Doch gibt es eigentlich genug Sozialwohnungen für Bedürftige wie Roland Lasner in der größten Stadt Mecklenburg-Vorpommerns? Und wie hat sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt entwickelt? Die Nachfragen des NDR rufen die Statistiker im Rathaus auf den Plan. Nach deren Zählung gibt es in der Hansestadt zurzeit 357 Sozialwohnungen, die über das Stadtgebiet verteilt sind. In den letzten fünf Jahren hat sich die Anzahl damit verneunfacht. "Aber kein Grund zum entspannten Zurücklehnen", so Rostocks Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Die Linke). Sie verweist darauf, dass in der Hansestadt rund die Hälfte der 209.000 Einwohner einen Anspruch auf einen WBS hätten. "Und deswegen brauchen wir mehr Sozialwohnungen. Dafür gibt es bei uns einen gemeinsamen Tisch, an dem wir mit den Baugenossenschaften sitzen." In Rostock seien die jedoch aktuell sehr zurückhaltend, so das Stadtoberhaupt.
Baukrise bedeutet Hochkonjunktur für den sozialen Wohungsbau - eigentlich
Die Wohnungsbaugenossenschaft Wohnfühlen in Rostock (WiRo) ist mit 35.000 Miet- und Sozialwohnungen der größte Anbieter in Rostock. In Zeiten der Baukrise scheint sozialer Wohnungsbau attraktiv, weil Land und Bund ordentliche Fördergelder ausschütten. "Doch wir müssen sehr gut überlegen, wann wir wo wie viele Sozialwohnungen bauen", so Carsten Klehn, Pressesprecher der WiRo. "Wir verpflichten uns damit nämlich für 40 Jahre, den Mietpreis ausgehend von sechs Euro für den ersten Förderweg nur geringfügig zu erhöhen."
Dabei klingen die Leistungen für den Bauherrn durchaus attraktiv: Nach Auskunft des Landesbauministeriums in Schwerin sichert sich eine Genossenschaft für die Errichtung einer Sozialwohnung eine Darlehenshöhe von maximal 3.075 Euro pro Quadratmeter, zinsfrei für 40 Jahre. Dazu kommt ein Zuschuss von 1.023 Euro pro Quadratmeter - macht allein für die 60 Quadratmeter Wohnung von Roland Lasner 60.380 Euro.
Der Bau von Sozialwohnungen in Rostock stockt zur Zeit
Dass die Genossenschaften dennoch sehr zurückhaltend sind, liegt zunächst an der mangelnden Planungssicherheit. "Wir dürfen und wollen unsere Grundstückspreise in Rostock auch für den Bau von Sozialwohnungen nicht nach unten schrauben", so Oberbürgermeisterin Kröger. Aber hohe Grundstückspreise werfen bei den Wohnungsbaugesellschaften die Frage auf, ob sich Investitionen auch rechnen. Ein Beispiel aus dem Mietspiegel der Stadt vom Institut für Wohnen und Stadtentwicklung aus dem laufenden Jahr (Mietspiegel 2024 für Rostock): Das Institut setzt die Mietpreise in Beziehung zu externen Lagedaten wie ÖPNV, Grünflächen und Bodenrichtwerten. Demnach gibt es in Lichtenhagen derzeit einen Abschlag um 0,73 Euro pro Quadratmeter. Für Bauherrn eine bedenkliche Entwicklung. "Denn dann sind wir irgendwann in der Situation, wo der Mietpreis auf dem freien Markt unter dem Mietpreis einer Sozialwohnung liegt. Dann bleiben unsere Wohungen leer", so WiRo-Pressesprecher Carsten Klehn. Als weitere Nachteile nennt Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohungsunternehmen, Verwaltung und die Bürokratie. Demnach habe es vor 25 Jahren noch 5.000 Bauvorschriften gegeben. Heute habe sich die Zahl auf 20.000 erhöht. Für den vermehrten Bau von Wohnungen fordert er deswegen ein Baubeschleunigungsgesetz, "wie das nach der Wende".
Roland Lasner: Glücklich in der Sozialwohnung
All das sind keine Probleme mehr für Roland Lasner. "Ist das nicht eine tolle Wohnküche? 30 Quadratmeter groß mit viel Platz", stellt er begeistert im Wohnzimmer fest. "Zu den Olympischen Spielen hätte ich den Fernseher ohne Jalousien gar nicht sehen können, den ganzen Tag Sonne". Da das Haus aber gut isoliert sei, mache ihm die Hitze nichts aus. Dazu das Bad mit begehbarer Dusche. Für den Neumieter steht fest: "Hier kriegt mich keiner mehr raus."