Long Covid in MV: Bedarf an Therapien weiterhin groß
Auch wenn die Corona-Pandemie vorbei ist, haben viele Menschen immer noch mit den Spätfolgen einer Corona-Infektion, dem so genannten Long Covid, zu kämpfen. 35.000 Betroffene sind es allein in Mecklenburg-Vorpommern.
Für die meisten Menschen spielt Covid-19 heute keine so große Rolle mehr - die Pandemie ist vorbei. Womit aber immer noch viele Menschen zu kämpfen haben, sind die Spätfolgen einer Corona-Infektion: Long Covid. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es Schätzungen von Ärzten zufolge 35.000 Betroffene.
Long Covid Institut Rostock: Anlaufstelle für Betroffene aus ganz Deutschland
Die Lungenfachärztin Dr. Jördis Frommhold berät monatlich mehr als 100 Patienten aus ganz Deutschland, die an den Spätfolgen einer Covid-19-Erkrankung leiden. 80 Prozent von ihnen per Videoschalte. Jeden Tag kämen neue dazu, so Frommhold. "Aktuell ist es so, dass die Patienten in größter Not sich an uns wenden. Wir vergeben im Moment Termine mit vier bis fünf Monaten Vorlauf. Also es ist ein großer Bedarf da."
Bevor sie vor einem Jahr das deutschlandweite Modellprojekt "Long Covid Institut" in Rostock gründete, war Frommhold Chefärztin der Median Klinik in Heiligendamm. Sie behandelte während der Pandemie etwa 5.500 Betroffene und wurde zur Spezialistin für das chronische Krankheitsbild mit 200 Symptomen, für das es keine Heilung, aber Therapien gibt, um Symptome zu lindern. "Wir gewinnen immer bessere und neuere Erkenntnisse und wir wissen mittlerweile, dass es verschiedene Auto-Antikörper gibt, die sozusagen für Long Covid beziehungsweise für die Fatigue-Erkrankungen spezifisch sind. Man muss aber sagen, es ist ein sehr sehr komplexes Krankheitsbild, was sich aus vielen einzelnen Bausteinen zusammensetzt." Sie betont aber auch, dass die Forschung sich noch sehr lange mit diesem Thema auseinandersetzen muss. Die Ursache für Long Covid ließe sich nun einmal nicht in ein, zwei Jahren entschlüsseln.
Beim Thema Long Covid sind Hausärzte oft überfragt
Hausärzte seien beim Thema Long Covid oft überfordert, so Frommhold. Für die Patienten sei hingegen das Hauptproblem, dass sie keinen Plan haben, sich alleine gelassen fühlen. Im Long Covid Institut werden deshalb individuelle Therapiepläne erstellt, die auch zur häuslichen Situation der Patienten passen. “Wir merken, dass das durchaus erfolgversprechend ist, dass wir eine Verbesserung generieren können", so Frommhold.
Bisher wenig Akzeptanz von Long Covid in der Gesellschaft
Zwei Drittel der Patienten sind Frauen zwischen 20 und 50 Jahren. Dazu gehört auch Julia Wiesen. Nach ihrer Erkrankung sei sie nicht belastbar gewesen. Sie fühlte sich oft müde, konnte nicht mehr Sport machen. Was half, waren Reha und Übungen, die sie danach weitermachte. "Typisch für Long Covid sind ja diese Erschöpfungsphasen. Die hatte ich da sehr stark und immer sehr lange und das ist definitiv heute besser. Also meine Erschöpfungsphasen sind nicht mehr so lange und auch nicht so häufig wie damals."
Einhundert Prozent fit ist Julia noch nicht. Und sie ist kein Einzelfall, sagt Ärtzin Jördis Frommhold: "Das sind Menschen im jungen Alter, die häufig noch arbeiten wollen und müssen. Und da wird auch auf die Gesellschaft einiges zukommen." Obendrein kämpfen viele Long-Covid-Betroffene darum, ernst genommen zu werden. Arbeitgeber wie auch Ärzte glauben manchmal nicht, dass sie wirklich noch nicht gesund sind. Das sagt auch Julia Wiesen: "Ich hab’ auch die Erfahrung gemacht, weil man es einem einfach nicht ansieht, wie es einem geht, weil man ja äußerlich nichts hat. Und ich fand es auch schwierig, bei den Ärzten anzukommen und sich verstanden zu fühlen."
Hilfe für Long-Covid-Patienten auch an der Uni-Medizin Greifswald
Die Universitätsmedizin Greifswald forscht zu Long Covid. Die Spezialambulanz entwickelt Therapiemöglichkeiten. Anfangs gab es eine Sprechstunde pro Woche, so Professorin Dr. Anke Steinmetz. Mittlerweile jeden Tag eine. 200 Patienten stehen auf der Warteliste. "Wir haben enorme Wartezeiten in der Nachfrage auf unsere Post-Covid-Sprechstunde und sehen eigentlich erst jetzt, wo die Pandemiezahlen abnehmen, dass ganz ganz viele Patienten weiterhin sehr stark unter den Folgen von Long Covid oder von der akuten Post Covid 19 Infektion leiden."
Die Hilfe für Long-Covid-Patienten müsse daher unbedingt weitergehen. Drei Millionen Euro Landesförderung seien zwar ein guter Anfang, außerhalb der Uni Medizin zahlen gesetzlich Versicherte aber Beratungen selbst, da das nicht zur Regelversorgung gehört. "Es müssen natürlich Wege gefunden werden, diese umfangreiche Diagnostik auch wirklich finanzierbar zu machen und hierzu sind sicherlich Gespräche, auch insbesondere mit Krankenkassen, notwendig", so Steinmetz. Julia Wiesen rät Betroffenen, hartnäckig zu bleiben. Bis die Forschung Medikamente gegen Long Covid entwickelt hat, dürfte es noch Jahre dauern. Patienten sind also weiterhin auf sich gestellt.