Kirchenasyl gebrochen: Kritik nach Abschiebeversuch durch Polizei in Schwerin
Bei einer versuchten Abschiebung von zwei afghanischen Männern ist es am Mittwoch in Schwerin zu einem größeren Polizei-Einsatz gekommen. Nachdem bereits Flüchtlingsrat und Nordkirche das Vorgehen heftig kritisiert hatten, haben sich jetzt auch Landespolitiker und die zuständige Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Kiel dazu geäußert.
Mit einem Großaufgebot und Spezialkräften hat die Polizei am Mittwochmorgen in Schwerin den Widerstand gegen eine geplante Abschiebung beendet. Wie eine Polizeisprecherin sagte, hatte sich eine sechsköpfige Familie in der Wohnung einer Kirchengemeinde verschanzt, als Polizisten die Abschiebung von zwei jungen Männern im Alter von 18 und 22 Jahren durchsetzen wollten.
Familie stellt Kirchenasyl nach gescheitertem Asylantrag
Die sechsköpfige Familie war im Mai über Spanien nach Deutschland eingereist. Ein Asylantrag wurde nach Prüfung der Unterlagen für zwei junge Männer der Familie abgelehnt. Laut Angaben der zuständigen Ausländerbehörde in Kiel reichte die Familie daraufhin am 1. Dezember das Kirchenasyl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein. Auch nach erneuter Prüfung wurde der Asylantrag am 13. Dezember erneut vom BAMF abgelehnt.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat [...], entsprechend der Dublin III-Verordnung, Überstellungen für alle Familienmitglieder nach Spanien entschieden. [...] Auf die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise wurde hingewiesen, Zusagen Spaniens für die Wiederaufnahme aller Familienmitglieder liegen vor. Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Kiel
Mutter versuchte ihren Söhnen zu helfen
Die afghanische Familie stand unter Kirchenasyl der evangelischen Petrusgemeinde im Schweriner Stadtteil Mueßer Holz. Die Mutter - laut Angaben der Nordkirche eine Journalistin und Frauenrechtlerin - hatte versucht, die Abschiebung ihrer Söhne zu verhindern. Sie hatte gedroht, sich oder ihren Kindern etwas anzutun. Aufgrund dieser Lage hatte die Polizei Spezialkräfte angefordert.
Abschiebung vorerst ausgesetzt
Nach Informationen des Flüchtlingsrates wurde die Abschiebung im Zuge des Polizeieinsatzes zunächst ausgesetzt. Die Polizei bestätigte mittlerweile, dass die beiden Männer zunächst nicht abgeschoben worden seien. Am Donnerstag bestätigte das zuständige schleswig-holsteinische Integrationsministeriums, dass die Stadt Kiel das sogenannte Amtshilfeersuchen zur Rückführung der Familie zurückgezogen hat.
Flüchtlingsrat: "Rote Linie überschritten"
Nordkirche und der Flüchtlingsrat in Mecklenburg-Vorpommern kritisierten das Vorgehen der Behörden scharf. Erstmals sei im Land durch die Polizei ein Kirchenasyl gebrochen und somit eine rote Linie überschritten worden, hieß es in einer Mitteilung des Flüchtlingsrates.
Die Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche, Dietlind Jochims, bezeichnete die versuchte Abschiebung auf NDR MV Live als besorgniserregend. Es sei ein Novum, dass in Mecklenburg-Vorpommern in ein Kirchenasyl eingedrungen wurde. Jochims erwartet von der Ausländerbehörde, dass sie den vom Staat bekundeten Respekt vor dem Kirchenasyl einhält.
Kirchenasyl nicht mehr sicher
Die Grünen-Landtagsabgeordnete und migrationspolitische Sprecherin Constanze Oehlrich fordert, die Familie vor weiteren Abschiebeversuchen zu schützen. Oehlrich unterstützte die Kritik vom Flüchtlingsrat, dass Menschen im Kirchenasyl sich nun nicht mehr sicher fühlen können. Der Fraktionschef der Landes-CDU, Franz Robert Liskow, sagte, die Polizei habe nach seinem Eindruck korrekt gehandelt. Das Asylrecht dürfe nicht missachtet werden.
25 Menschen in MV im Schutz der Kirche
Ob die beiden jungen Männer abgeschoben werden, müsse neu geprüft werden, so eine Polizeisprecherin nach dem Einsatz am Mittwoch. Laut Nordkirche wurde bis Ende November 25 Menschen in Mecklenburg-Vorpommern Kirchenasyl gewährt, das sind mehr als doppelt so viele wie im gesamten vergangenen Jahr. Beim Kirchenasyl handelt es sich um eine traditionell stille Übereinkunft zwischen Kirche und Staat.