Karlsruhe: Polizeigesetz von MV teils verfassungswidrig
Die ausgeweiteten Ermittlungsbefugnisse der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern sind teilweise verfassungswidrig. Das Innenministerium kündigte an, bis zum Jahresende ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen.
Viele Regelungen des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes - kurz SOG - sind in den Augen der Richter des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht verhältnismäßig und greifen zu stark in die Grundrechte ein, heißt es in der Begründung. Dazu gehören die Möglichkeiten der Ermittler, heimlich in Wohnungen einzudringen, um Späh-Software auf Smartphones oder Computer zu installieren. Auch der Lauschangriff auf Wohnungen geht den Richtern zu weit, weil schon im Vorfeld einer konkreten Gefahr ein Wohnraum überwacht werden könne. Beanstandet wird auch der Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern zur Abwehr von Gefahren.
Auch Einsatz von V-Leuten beanstandet
Beanstandet wird auch der Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern, vor allem wenn diese Liebesbeziehungen zu Zielpersonen eingehen. Auch darf niemand als V-Person gewonnen werden, um den eigenen Ehepartner zu bespitzeln. Ein Großteil der Vorschriften gilt zunächst weiter, weil nicht die Befugnisse an sich den Karlsruher Richtern zufolge verfassungswidrig sind, sondern nur die rechtsstaatliche Ausgestaltung. Das Gesetz muss nun bis Ende des Jahres überarbeitet werden.
Beschwerdeführer beklagten Grundrechtseingriffe
Eine Anwältin, ein Journalist und zwei Mitglieder der Fan-Szene des FC Hansa-Rostock hatten Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie beklagten massive Grundrechtseingriffe. Die ehemalige rot-schwarze Landesregierung hatte das Sicherheits- und Ordnungsgesetz im April 2020 unter dem damaligen Innenminister Lorenz Caffier (CDU) verabschiedet. SPD und CDU wollten die Möglichkeiten der Ermittler ausweiten und verteidigten das Gesetz gegen Kritik. Von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könnte nun Signalwirkung für die Polizeigesetze anderer Bundesländer ausgehen, die ebenfalls in der Kritik stehen.
Innenminister Pegel: Urteil mit Bedeutung über MV hinaus
Die rot-rote Landesregierung in Schwerin will offenbar schnell reagieren. Das Innenministerium kündigte an, bis zum Jahresende ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen. Nach Ansicht von Innenministers Christian Pegel (SPD) hat das BVerfG-Urteil Bedeutung über den Nordosten hinaus. In anderen Bundesländern gebe es ähnliche Regelungen wie in Mecklenburg-Vorpommern, erklärte Pegel am Mittwoch. Die Vorgaben aus Karlsruhe würden eins zu eins umgesetzt, so der Minister.
Linke, Grüne, FDP: Korrektur überfällig
Auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die das Verfahren in Karlsruhe mit angestrengt hatte, sprach von einer Grundsatz-Entscheidung, die auch der Verschärfung von Polizeigesetzen in anderen Bundesländern rechtsstaatliche Grenzen setze. Der Innenexperte der Linksfraktion, Michael Noetzel, sagte, das Gesetz müsse zügig verfassungskonform geändert werden. FDP und Grüne erklärten, die damalige rot-schwarze Landesregierung habe das Gesetz 2020 trotz Bedenken durchgesetzt und Grundrechtseingriffe in Kauf genommen - eine Korrektur sei überfällig.
CDU: Polizei braucht moderne Ermittlungsmöglichkeiten
Die innenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Ann Christin von Allwörden, wies darauf hin, dass die Polizei weiterhin moderne Ermittlungsmöglichkeiten benötige. Dies zeige insbesondere der drastische Anstieg im Bereich Kinderpornographie in Mecklenburg-Vorpommern. "Die Polizeigesetze stehen in nahezu allen Bundesländern in der Kritik. Inwiefern Verhältnismäßigkeit in diesen Gesetzen gewahrt ist, wird nun deutschlandweit gesetzgeberisch neu zu beurteilen sein."