Karlsruhe: Polizeigesetz von MV teils verfassungswidrig

Stand: 02.02.2023 08:55 Uhr

Die ausgeweiteten Ermittlungsbefugnisse der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern sind teilweise verfassungswidrig. Das Innenministerium kündigte an, bis zum Jahresende ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen.

Viele Regelungen des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes - kurz SOG - sind in den Augen der Richter des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht verhältnismäßig und greifen zu stark in die Grundrechte ein, heißt es in der Begründung. Dazu gehören die Möglichkeiten der Ermittler, heimlich in Wohnungen einzudringen, um Späh-Software auf Smartphones oder Computer zu installieren. Auch der Lauschangriff auf Wohnungen geht den Richtern zu weit, weil schon im Vorfeld einer konkreten Gefahr ein Wohnraum überwacht werden könne. Beanstandet wird auch der Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern zur Abwehr von Gefahren.

Auch Einsatz von V-Leuten beanstandet

Beanstandet wird auch der Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern, vor allem wenn diese Liebesbeziehungen zu Zielpersonen eingehen. Auch darf niemand als V-Person gewonnen werden, um den eigenen Ehepartner zu bespitzeln. Ein Großteil der Vorschriften gilt zunächst weiter, weil nicht die Befugnisse an sich den Karlsruher Richtern zufolge verfassungswidrig sind, sondern nur die rechtsstaatliche Ausgestaltung. Das Gesetz muss nun bis Ende des Jahres überarbeitet werden.

Beschwerdeführer beklagten Grundrechtseingriffe

Eine Anwältin, ein Journalist und zwei Mitglieder der Fan-Szene des FC Hansa-Rostock hatten Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie beklagten massive Grundrechtseingriffe. Die ehemalige rot-schwarze Landesregierung hatte das Sicherheits- und Ordnungsgesetz im April 2020 unter dem damaligen Innenminister Lorenz Caffier (CDU) verabschiedet. SPD und CDU wollten die Möglichkeiten der Ermittler ausweiten und verteidigten das Gesetz gegen Kritik. Von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könnte nun Signalwirkung für die Polizeigesetze anderer Bundesländer ausgehen, die ebenfalls in der Kritik stehen.

Innenminister Pegel: Urteil mit Bedeutung über MV hinaus

Die rot-rote Landesregierung in Schwerin will offenbar schnell reagieren. Das Innenministerium kündigte an, bis zum Jahresende ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen. Nach Ansicht von Innenministers Christian Pegel (SPD) hat das BVerfG-Urteil Bedeutung über den Nordosten hinaus. In anderen Bundesländern gebe es ähnliche Regelungen wie in Mecklenburg-Vorpommern, erklärte Pegel am Mittwoch. Die Vorgaben aus Karlsruhe würden eins zu eins umgesetzt, so der Minister.

Linke, Grüne, FDP: Korrektur überfällig

Auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die das Verfahren in Karlsruhe mit angestrengt hatte, sprach von einer Grundsatz-Entscheidung, die auch der Verschärfung von Polizeigesetzen in anderen Bundesländern rechtsstaatliche Grenzen setze. Der Innenexperte der Linksfraktion, Michael Noetzel, sagte, das Gesetz müsse zügig verfassungskonform geändert werden. FDP und Grüne erklärten, die damalige rot-schwarze Landesregierung habe das Gesetz 2020 trotz Bedenken durchgesetzt und Grundrechtseingriffe in Kauf genommen - eine Korrektur sei überfällig.

CDU: Polizei braucht moderne Ermittlungsmöglichkeiten

Die innenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Ann Christin von Allwörden, wies darauf hin, dass die Polizei weiterhin moderne Ermittlungsmöglichkeiten benötige. Dies zeige insbesondere der drastische Anstieg im Bereich Kinderpornographie in Mecklenburg-Vorpommern. "Die Polizeigesetze stehen in nahezu allen Bundesländern in der Kritik. Inwiefern Verhältnismäßigkeit in diesen Gesetzen gewahrt ist, wird nun deutschlandweit gesetzgeberisch neu zu beurteilen sein."

Weitere Informationen
Dieses Jahr haben besonders viele Anwärter das Auswahlverfahren der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern nicht bestanden. © Screenshot
7 Min

Landespolizei sucht Polizeianwärter

Die Bewerberzahlen sind rückläufig und viele Bewerber bestehen das Auswahlverfahren nicht. Innenminister Pegel im Interview. 7 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 01.02.2023 | 16:00 Uhr

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Das Einsatzschiff "Bamberg" der Bundespolizei. © picture alliance/dpa Foto: Lars Penning

Mögliche Kabel-Sabotage in Ostsee: Bundespolizei schickt Schiff

Am Mittwochabend verließ die "Bamberg" den Rostocker Hafen. Sie soll schwedische und finnische Behörden bei den Ermittlungen unterstützen. mehr

Die Applikation App WhatsApp ist auf dem Display eines Smartphones zu sehen. © picture alliance/dpa Foto: Silas Stein

Im Handy abonnieren: Die NDR MV Nachrichten bei Whatsapp

Im NDR MV Whatsapp-Kanal gibts die wichtigsten Themen für Mecklenburg-Vorpommern kompakt und schnell zusammengefasst. extern

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?