Geflüchtete: Dafür sorgen, dass die Kinder nicht traurig sind
Mehr als 5.000 Kinder und Jugendliche suchen seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine Schutz in Mecklenburg-Vorpommern - eine Herausforderung für die Schulen im Land.
An der Regionalschule "Peter Joseph Lenné" in Ludwigslust lernen rund 33 Schüler und Schülerinnen aus fünf Nationen gemeinsam Deutsch. Die meisten von ihnen kommen aus der Ukraine. Ihre Lehrerinnen Viktoriia Desiatova und Olena Bokhonko sind vor einem Jahr selbst aus der Nähe von Kiew geflohen. Dort haben sie 20 Jahre lang an derselben Schule Englisch unterrichtet. Dass sie auch in Ludwigslust gemeinsam unterrichten können, ist für die Lenné-Schule ein Glücksfall. Sie unterstützen die Kinder und kennen ihre Sorgen. Doch über den Krieg sprechen sie in der Schule nicht mit ihnen: "Wir sind auch aus der Ukraine, wir haben dort Krieg und wir sind auch Lehrerinnen und wissen, was die Kinder brauchen. Wir müssen es schaffen, dass die Kinder nicht traurig sind." Das geht mit Malen, Spazieren, gemeinsam Pizza backen und viel, viel reden über Freunde, Familie und Hobbys, erzählen beide.
Vorklassen seit August
Bis zum Sommer 2022 erhielten Kinder aus dem Ausland zunächst intensiven Deutschunterricht, wurden aber so früh wie möglich in die herkömmlichen Klassen integriert. Das sei aufgrund der vielen Zuzüge in kurzer Zeit nicht mehr überall zu leisten gewesen, sagte Bildungsministerin Simone Oldenburg (Die Linke). Seit diesem Schuljahr gibt es deshalb sogenannte Vorklassen. Das heißt, alle ausländischen Kinder werden gemeinsam, jahrgangsübergreifend unterrichtet. Das Erlernen der deutschen Sprache steht dabei im Mittelpunkt. Der Landesflüchtlingsrat kritisierte dieses Vorgehen. "Mecklenburg-Vorpommern verlässt damit den bisher vorbildlichen Weg, Kinder von Anfang an nach und nach in den allgemeinen Unterricht zu integrieren", sagte die Vorsitzende Ulrike Seemann-Katz. Auch die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) schloss sich dieser Kritik an.
Schulleiterin: "Ich rolle ihnen den roten Teppich aus"
In die Ludwigsluster Vorklasse gehen Schülerinnen und Schüler der 5. bis 10. Klasse. Einige können kaum lesen und schreiben, andere sind hochbegabt. Auch ihre Ziele sind unterschiedlich: Manche lernen nach den fünf Unterrichtsstunden in der Vorklasse digital weiter, um mit dem Lernstoff in ihrem Heimatland auf dem Laufenden zu bleiben und dort auch Prüfungen abzulegen. Andere Schülerinnen und Schüler wollen schnellstmöglich Deutsch lernen, um hier in die regulären Klassen zu wechseln. Für Schulleiterin Antje Zachow sorgt das für eine planerische Herausforderung. Noch ist unklar, wie viele Kinder in den Vorklassen bleiben, wie viele Klassen neu aufgemacht werden müssen und wie viele Lehrkräfte sie dafür bekommt. "Ich hoffe, dass die ukrainischen Lehrkräfte bleiben können, sie arbeiten so gern hier und sind gut ausgebildet, das macht mich stolz. Ich rolle ihnen hier den roten Teppich aus!", sagt sie.
Neue Heimat oder Zuflucht auf Zeit?
Viktoriia Desiatova und Olena Bokhonko arbeiten bis zum Ende des Schuljahres als Vertretungslehrerinnen an der Lenné-Schule. Erst wenn sie die Deutschprüfung in C1 bestanden haben, kann die Schule sie ganz einstellen - das sei ihr Ziel. Trotzdem wissen beide nicht, ob Deutschland eine neue Heimat ist oder eine Zuflucht auf Zeit bleibt: "Unsere Männer, unsere Eltern und unsere Häuser sind in der Ukraine. Das ist eine schwierige Frage. Hier ist alles sehr gut, wir haben alles, alle helfen uns. Aber wir möchten auch wieder nach Hause … vielleicht. Wir wissen es nicht", sagt Viktoriia Desiatova. Einigen ihrer Schülerinnen und Schüler geht es ähnlich. Erstmal wollen sie aber alle weiter Deutsch lernen - als Gemeinschaft.