Flüchtlinge: Landrat Schomann sieht Bund in der Pflicht
Nach den Protesten gegen eine neue Flüchtlingsunterkunft im Landkreis Nordwestmecklenburg fordert Landrat Schomann die Bundesregierung zum Handeln auf. Nach Einschätzung der Polizei hatte eine Gruppe Rechtsextremer die Stimmung aufgeheizt.
"Die Sorge insgesamt der Gesellschaft muss uns der Bund nehmen", sagte Landrat Tino Schomann (CDU) am Freitagabend in den ARD-tagesthemen mit Blick auf die Proteste gegen die Flüchtlingsunterbringung. 400 Menschen in einer Gemeinde mit 1.600 Einwohnern unterzubringen sei "ein Verhältnis, was nicht passt", räumte der Landrat ein. "Aber die Lage ist so brisant, weil wir keine Unterkunftskapazitäten haben, und schon Sporthallen belegt haben seit November (...)." Er bekomme keine Grundstücke angeboten, so der Landrat: "Ich höre immer nur: nein, nein, nein".
Schomann fordert Abschiebungen und Ressourcen
"Der Bund muss begrenzen und steuern, muss die illegale Migration stoppen und muss die Abschiebeoffensive endlich starten, um auch Kapazitäten freiwerden zu lassen", verlangte Schomann. "Wir laufen in eine Situation, die die Gesellschaft nicht mehr verstehen kann." Er forderte außerdem: "Wir brauchen die Ressourcen und wir brauchen die Möglichkeiten, um das umzusetzen."
Der Kreistag von Nordwestmecklenburg hatte am Donnerstagabend dem Bau einer Container-Unterkunft im Dorf Upahl zugestimmt. Sie soll im März fertiggestellt werden. Dann will der Landkreis Asylsuchende aus kurzzeitig als Unterkünfte genutzten Sporthallen in Wismar dort unterbringen.
Linken-Abgeordneter: "Keine Dauerlösung"
Da in Upahl keine Infrastruktur vorhanden ist, es keine Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten gibt, sieht der Linken-Kreistagsabgeordnete Björn Griese die gerade beschlossene Unterkunft nur als Zwischenschritt: "Das kann weder für die dort Untergebrachten noch für die Einwohnerinnen und Einwohner eine Dauerlösung sein", sagte Griese im Gespräch mit NDR Info. Er wünsche sich eine breitere Verteilung im Kreis. "Und eigentlich muss man natürlich auf die größeren Städte zuerst gucken, wo Infrastruktur entsprechend vorhanden ist."
AfD: Kontrollverlust in der Migrationspolitik
Die AfD-Landtagsfraktion fordert für das Land verpflichtende Aufnahmestopps vor Ort und die Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes. "Die aktuelle Unterbringungssituation in Nordwestmecklenburg zeigt den Kontrollverlust in der Migrationspolitik", teilte der migrationspolitische Sprecher, Jan-Phillip Tadsen, mit. Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Chef Franz-Robert Liskow forderte eine spürbare Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland. "Bund und Land wälzen die immer weiter ansteigende Zahl an Migrantinnen und Migranten auf die Kommunen ab, die mit mangelnden Unterbringungskapazitäten an die Grenze der Belastungsfähigkeit gebracht werden", warnte Liskow am Sonnabend bei einer Versammlung der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) der CDU Mecklenburg-Vorpommern. Die Ampelregierung müsse endlich umsteuern und die Zuwanderung spürbar begrenzen.
Stimmung durch Rechtsradikale aufgeheizt
Rund 700 Menschen demonstrierten während der Kreistagssitzung in Grevesmühlen gegen die Pläne. Einige versuchten, sich Zugang zum nicht-öffentlichen Teil der Sitzung zu verschaffen. Etwa 120 Beamte schirmten laut Polizei das Gebäude ab und verhinderten das. Den Angaben der Behörde zufolge waren einzelne Demonstranten vermummt, andere warfen Pyrotechnik und Nebeltöpfe. Zwar kam nach Einschätzung der Polizei der Großteil der Demonstranten in Grevesmühlen aus der bürgerlichen Mitte. Doch seien auch Rechtsextreme sowie Angehörige der Fußballfan- und der Reichsbürgerszene unter den Teilnehmern gewesen, sagte eine Polizeisprecherin. Diese sorgten aus Sicht der Sicherheitskräfte aber maßgeblich dafür, dass sich die Stimmung am Abend vor dem Kreistagsgebäude immer mehr aufheizte.
Pegel verurteilt Eskalation, Ermittlungen eingeleitet
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel (SPD) betonte, dass Meinungs- und Demonstrationsfreiheit zentrale Grundrechte einer Demokratie seien, er verurteilte die Eskalation aber. Dass bekannte Rechtsradikale und Rechtsextreme versuchten, solche Veranstaltungen für sich zu okkupieren, sei nicht hinnehmbar. "Wenn dies einhergeht mit Störungen von Demonstrationen und dem Versuch, gewaltsam in Tagungsorte demokratisch gewählter kommunaler Entscheidungsgremien einzudringen, ist dies klar demokratiefeindlich", sagte Pegel am Freitag. Die Vorgänge würden strafrechtlich aufgearbeitet. Vier Strafverfahren - unter anderem wegen schweren Hausfriedensbruchs und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz - wurden eingeleitet.