Ehrung: Fahrer rettete 54 Menschen aus brennendem Bus
Vor einem Jahr geriet auf der A20 in der Nähe von Grevesmühlen ein Reisebus in Brand. Innerhalb weniger Minuten stand der Bus in Flammen. Nun wurde Fahrer Raik Wendt geehrt, zusammen mit zehn weiteren Menschen, die in Vorpommern-Rügen Zivilcourage gezeigt haben.
"Er ist unser Lebensretter", sagt Jens Rädiger, Koordinator des Mehrgenerationenhauses in Altenpleen (Vorpommern-Rügen) über Raik Wendt, den Busfahrer aus Stralsund. Wendt sagt: "Ich habe doch nur meine Pflicht getan." Vor einem Jahr - im Dezember 2023 - hat der 38-jährige Busfahrer in einem kritischen und unkalkulierbaren Moment die Nerven behalten und so 54 Reisenden das Leben gerettet.
Eine fröhliche Fahrt zum Lübecker Weihnachtsmarkt
Rückblick: Am Morgen des 9. Dezember lenkt Raik Wendt, Mitarbeiter des Busunternehmens "De Stralsunner", den mit Besuchern und Mitarbeitern des Mehrgenerationenhauses vollbesetzten Bus von Stralsund nach Lübeck. Die Reise, die Jens Rädiger organisiert hat, soll zum Lübecker Weihnachtsmarkt gehen. Die Stimmung ist gelöst. Es wird gelacht. In Vorfreude auf den Weihnachtsmarktbummel trinken Reisende den ersten Glühwein. Sie freuen sich auf den Ausflug, der über die A20 führt. "Ich habe schon überlegt, wo ich in Lübeck für die Rückfahrt Glühwein für die Gäste herbekomme", erinnert sich Wendt an die launige Stimmung.
Plötzlich riecht es nach verbranntem Gummi
Plötzlich riecht es nach verbranntem Gummi. Es qualmt. Ein Businsasse informiert den Fahrer. "Ich habe überlegt, wo kann es herkommen. Sind es die Bremsen, die Reifen, die sich verabschieden, der Keilriemen?" Wendt reagiert sofort. Der Parkplatz "Bretthäger Wisch" ist in der Nähe. Noch auf der Verzögerungsspur schlägt der Rauchmelder an. Wendt stoppt auf dem Parkplatz den Bus. Zum Glück stehen keine LKW in der Nähe. Dann koordiniert er die Räumung des Busses, bittet den Reiseleiter, ihm zu helfen. Es geht um Minuten.
"Seine ruhige und besonne Art hat uns das Leben gerettet"
Zwei Ausgänge, einer davon führt vorbei an der Bordküche, von der der beißende Geruch auszugehen scheint. Erste Flammen schlagen raus. "Es war sehr knapp", erinnert sich Jens Rädiger an die Rettungsaktion. Alle schaffen es aus dem Bus. Rädiger weiß, warum: Raik Wendt habe es durch seine ruhige und besonnene Art geschafft, dass der Bus schnell geräumt werden konnte, ohne dass Panik ausbricht. Der Busfahrer versucht noch, das Feuer mit dem Bordfeuerlöscher zu bändigen. Doch wenige Augenblicke später brennt der Reisebus in voller Ausdehnung. Im Tank noch 700 Liter Diesel.
Technischer Defekt löste Feuer aus
Die A20 wird voll gesperrt. Feuerwehrkräfte aus Grevesmühlen, Bobitz und anderen umliegenden Gemeinden löschen das Feuer. Ein Brandgutachten stellt später fest: Ein technischer Defekt hat den Brand ausgelöst. Wendt kommt wegen Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Als einziger Businsasse.
"Das war ein flammendes Inferno"
Ein Jahr später treffen sich Rädiger und Wendt im Busunternehmen wieder, klopfen sich freundschaftlich auf die Schulter. "Es ist Wahnsinn, dass damals nichts Schlimmeres passiert ist. Das war ein flammendes Inferno", denkt Jens Rädiger an den 9. Dezember 2023 zurück. Unvorstellbar, wenn es sich um eine reine Seniorentour gehandelt hätte.
An diesem Sonnabend will die Reisegruppe den Ausflug zum Lübecker Weihnachtsmarkt nachholen. Dass Raik Wendt der Fahrer sein soll, steht für Rädiger außer Frage. "Wir haben ihm unser Leben zu verdanken."
Geehrt für Zivilcourage
Raik Wendt ist am Montag, ein Jahr nach der Beinahe-Katastrophe, für seine Zivilcourage ausgezeichnet worden, so wie zehn weitere Menschen, die im vergangenen Jahr im Landkreis Vorpommern-Rügen in einem Moment ihres Lebens beherzt gehandelt haben. "Es sind Menschen, die sich für Mut, Hinsehen und Handeln entschieden haben", sagt Polizeidirektor Peter Dittschlag. Sie haben einen Trickbetrug verhindert, einen Ladendieb überwältigt oder wie Wendt 54 Menschenleben gerettet. Als Held fühle er sich nicht, gibt sich der Ausgezeichnete bescheiden. "Für mich ist das meine Arbeit. Es gehört dazu."
Nachfolgebus trägt dasselbe Kennzeichen
Der Nachfolgebus, den Wendt nun fährt, trägt dasselbe Kennzeichen wie der Unglücksbus. Ein schlechtes Omen? Ganz im Gegenteil, meint der Inhaber des Busunternehmens, Torsten Möller. "Wenn man bedenkt, dass hier 55 Menschen einer Katastrophe entgangen sind, ist das für uns ein Glückskennzeichen."