Das Märchen vom "bösen Wolfshybrid" in MV
Heute ist Tag des Wolfes. In Mecklenburg-Vorpommern sind bislang 19 Rudel, drei Paare und zwei Einzeltiere nachgewiesen worden, alles reinrassige Wölfe. Im Internet kursieren allerdings zunehmend Gerüchte, dass es unter den Wölfen immer mehr Kreuzungen aus Hunden und Wölfen gibt. Die sollen angeblich aggressiver und distanzloser als echte Wölfe sein.
Wenn es um Wölfe geht, findet sich die geballte Fachkompetenz für Deutschland in Gelnhausen bei Frankfurt am Main. Dort sitzt das Senckenberg Zentrum für Wildtiergenetik. Die Wissenschaftler untersuchen seit 2010 bundesweit alle genetischen Proben zum Thema Wolf. Dr. Carsten Nowak leitet das Zentrum.
Gerüchte über Wolfshybride sind Fake News
Der Forschungsleiter betont, dass die Gerüchte über Wolfshybride Fake News seien.
"Die Gerüchte werden ganz gezielt gestreut, immer wieder. Ein Teil der Jägerschaft und viele Nutztierhalter glauben mittlerweile ganz fest an diese Theorien, glaubt, dass die Wissenschaft betrügt, die Behörden betrügen. Das wird immer wieder mantraartig wiederholt. Angeblich gibt’s Labore, die gegenteilige Befunde haben. Das ist typisch für Verschwörungstheorien. Und man muss einfach sagen , dass hier ganz bewusst gelogen wird, mit dem Ziel, dass man den Wolfsbestand möglichst reduziert und die Akzeptanz in der Bevölkerung vermindert." Dr. Carsten Nowak
Nowak ergänzt, dass Gerüchte über Wolfshybride kein deutsches Phänomen seien. Sie tauchen seinen Worten nach in vielen Ländern auf, wo Wölfe sich vermehren, beispielsweise in Skandinavien oder Österreich. Diese Gerüchte werden aber nie mit wissenschaftlichen Daten belegt.
Landesweit keine Wolfshybride bekannt
Laut Nowak gibt es in MV nachweislich aktuell keine Wolfshybride. Bundesweit seien seit 2000 nur fünf Fälle nachgewiesen worden. Darauf verweist auch Dr. Norman Stier. Er arbeitet an der TU Dresden und koordiniert das Wolfsmonitoring für MV. Anhand einer speziellen wissenschaftlichen Methode können seinen Worten nach die Experten des Senckenberg Instituts sehr genau zwischen reinrassigen und Hybridwölfen unterscheiden.
"Wenn der Verdacht auf Hybrid besteht, wird ein neues, auf sogenannten SNPs basierendes Testsystem verwendet. Die klärt eindeutig, ob es sich bei der Probe um einen Hund, einen Wolf oder einen Hybriden handelt." Dr. Norman Stier
Bislang sind deutschlandweit fünf Hybridisierungsfälle nachgewiesen worden, in Thüringen zwei, einer an der Landesgrenze zu Bayern, einer in Brandenburg und zwei Fälle in Sachsen.
Hybrid-Welpen müssen getötet werden
Werden in Deutschland Mischlinge entdeckt, müssen sie laut Bundesnaturschutzgesetz getötet werden. In der Fachsprache heißt das "Entnahme". Das ist wichtig, um den Genpool der reinen Wölfe zu schützen.
Genetisches Wolfsmonitoring
Das Senckenberg Institut in Gelnhausen untersucht bundesweit DNA Proben mithilfe von sogenannten Mikrosatelliten Markern. Die Wissenschaftler erstellen quasi einen genetischen Fingerabdruck. Dieses Verfahren wird auch routinemäßig bei Menschen in der Rechtsmedizin angewandt. Dabei werden bestimmte Stellen ("Marker") im Erbgut sichtbar gemacht. An denen sich Wölfe und Hunde unterscheiden. So kann eindeutig nachgewiesen werden, ob es sich um einen Wolf oder Hund handelt. Auch werden weitere Tests durchgeführt, etwa zur Bestimmung der Anzahl an DNA-Kopien, die für das Enzym Amylase kodieren, das für Stärkeverdauung zuständig ist. Das liegt bei Hunden in mehrfachen Kopien vor (daher können Hunde z.B. stärkehaltige Essensreste verdauen), bei Wölfen nur einfach. Hybriden haben meist auch mehrere Amylase-Kopien, die sich in deutschen Wölfen nicht zeigen
Wissenschaftler arbeiten unabhängig
Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung ist unabhängig, sie gehört zur Wissenschaftsgemeinschaft Leibniz, die nicht gewinnorientiert arbeitet. Auftraggeber für das genetische Wolfsmonitoring sind die Länderbehörden. Sie liefern auch die DNA Proben zu – das können Urin-, Kot oder Speichelproben sein. Wölfe als Wildtiere können schlecht eingefangen werden, um z.B. Blutproben zu entnehmen.
Wolfshybride sind nicht aggressiver als echte Wölfe
Immer wieder kursieren auch Gerüchte, dass Wolfshybriden aggressiver und distanzloser seien als reinrassige Wölfe. Nowak vom Senckenberg Institut sagt:
"Das sind alles Märchen, die durch nichts belegt sind. Und die machen Leuten Angst . Ich kenne Nutztier-, und Pferdehalter, die wirklich Angst vor Hybriden haben. Diese Gerüchte werden nie mit wissenschaftlichen Daten unterlegt. Die einzigen guten Studien, die es zum Verhalten von Wolf-Hund-Hybriden gibt, sind aus der Toskana. Und da zeigt sich, dass diese Jungen sich genauso verhalten wie Wölfe, weil sie in der Regel von Wolfsmüttern im Rudel aufgezogen werden. Die haben eine ähnliche Fluchtdistanz zu Menschen, dasselbe Nahrungsspektrum wie Wölfe". Dr. Carsten Nowak
Deshalb geht laut Nowak sehr wahrscheinlich von Hybriden keine signifikant erhöhte Gefahr aus. Die Wissenschaftler betonen dabei immer wieder, wie schwierig die Forschung ist, da es bislang nur so wenige Hybriden gibt.
Wölfe paaren sich mit verwilderten Haushunden
Wolfs-Hund-Paarungen kommen vor allem in südeuropäischen Ländern vor, etwa in Italien und Kroatien. Auch aus Südostasien sind Fälle bekannt, überall dort, wo es viele freilaufende, verwilderte Haushunde gibt. Meist sind es Wolfsweibchen, die sich nur dann mit Hunden paaren, wenn keine Wolfsrüden zur Verfügung stehen. In Deutschland bleibt es bislang ein seltenes Phänomen, so Nowak: "In Regionen wie Deutschland, wo es es wenig freilaufende Hunde und viel Nahrung für Wölfe in den Wäldern gibt, spielt Hybridisierung kaum eine Rolle."