"Cell Broadcast": Neue Handy-Warnung beim bundesweiten Warntag
Proben für den Ernstfall: Heute stand der zweite bundesweite Warntag an. Dabei kontrollieren Bund, Länder und Gemeinden ihre Warnketten, die im Katastrophenfall greifen sollen. Bei dem Testlauf kam eine nicht ganze neue Form der Handy-Warnung erstmalig in Deutschland zum Einsatz.
"Cell Broadcast" beziehungsweise "Cell Broadcasting" ist technisch bereits seit etwa 30 Jahren möglich. Bisher spielte das System in Deutschland keine große Rolle, doch jetzt soll es ein wichtiges Warnmittel im Katastrophenschutz werden. Mittels dieser Technik sollen Warnungen demnächst direkt auf das Handy geschickt werden. Spezielle Apps oder ähnliches braucht es dafür nicht. Katastrophenschutzbehörden, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste oder auch Innenministerien können diese Textnachrichten auslösen und dabei alle eingeschalteten Handys ansteuern, die sich in einer bestimmten Mobilfunkzelle befinden.
Landeskatastrophenschutz froh über neue Warnmöglichkeit
Egal ob bei Unwetterlagen oder Bränden: Die Warnnachrichten sollen den Empfängerinnen und Empfängern signalisieren, dass sie sich in einem Gefahrengebiet befinden. Diese Notfall-Nachrichten seien "eine echte Bereicherung", meint Andreas Walus, Direktor des Landesamtes für Brand- und Katastrophenschutz. Er verweist darauf, dass Deutschland aber weiterhin auf einen Mix der Warnmittel setze. Cell Broadcast "erweitert das bisherige Warnsystem, das wir auch in Mecklenburg-Vorpommern haben, bestehend aus Sirenen, Lautsprecherdurchsagen und Katastrophenschutz-Apps wie etwa NINA", so Walus.
Datenschutz soll nach Expertenansicht gewahrt bleiben
Andere Länder wie etwa die USA, die Niederlande oder auch Japan setzen schon seit Jahren auf dieses System. Die Vorteile dessen: Die Übermittlung von Warnungen erfolgt mit geringer Datenlast, sodass eine solche Notfall-Nachricht auch im Falle eines überlasteten Mobilfunknetztes ankommt. Für Cell Broadcast braucht es keine Internetverbindung, sodass die gezielten Nachrichten nicht nur auf Smartphones, sondern auch auf Handys ankommen.
Für Digitalexperten wie Manuel Atug ist Cell Broadcast mit Blick auf den Datenschutz "die beste Variante, wie man es umsetzen kann." Der Sprecher der unabhängigen AG Kritis, Atug, bezeichnet Cell Broadcast als "Fire and Forget Message", was so viel bedeute wie: Die Warnnachricht gehe raus, aber niemand wisse, wann, wie, wo und an wen die Nachricht gelange. Der Datenschutz sei dementsprechend gar nicht tangiert, so Atug.
Behörden schätzen: Nur die Hälfte der Handys klingeln am Warntag
Cell Broadcast kommt hingegen an seine Grenzen, wenn Karten oder Bilder übermittelt werden soll. Das System beschränkt sich auf Textnachrichten. Ein weiteres Manko der Technik: Vertreter und Vertreterinnen von Landes- und Bundesbehörden gehen fest davon aus, dass beim bundesweiten Warntag am 8. Dezember lediglich rund 50 Prozent der Handys und Smartphones in Deutschland beim Probelauf von Cell Broadcast klingeln werden. Sie fürchten, dass die restlichen Geräte stumm bleiben werden, weil ihre Betriebssoftware veraltet ist.
Ab Februar 2023: Regelbetrieb für Cell Broadcast geplant
Langfristig soll sich das aber ändern. Deswegen bitten die Behörden Bürgerinnen und Bürger um ihre Erfahrungen mit Cell Broadcast am Warntag. Mit diesen Rückmeldungen soll das System in den kommenden Wochen und Monaten überarbeitet werden und am 23. Februar 2023 in den flächendeckenden Regelbetrieb übergehen. Danach, so der Direktor des Landesamtes für Brand- und Katastrophenschutz, Walus, komme Cell Broadcast immer dann zum Einsatz, wenn eine Gefahr für Leib und Leben bestehe.
Digitalexperte: Cell Broadcast kommt zu spät
Anlass für die Einführung von Cell Broadcast in Deutschland waren die heftigen Unwetter in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Juli 2021. Diese "erschreckenden Geschehnisse" hätten gezeigt, so MV-Innenminister Christian Pegel (SPD), dass "mit verschiedenen Warninstrumenten nicht mehr alle" erreicht werden konnten. Daraufhin wurde auf Bundesebene die gesetzliche Grundlage für Cell Broadcast geschaffen.
Viel zu spät, meint Manuel Atug. Er betont, bereits vor Jahren hätten Analysen der Katastrophenschutzbehörden gezeigt, dass Cell Broadcast notwendig sei. "Aber das Bundesinnenministerium hat sich hingestellt und gesagt, das ist alles aufwendig, teuer und doof." Die Verantwortlichen aus Berlin hätten immer wieder betont, die NINA Warnapp reiche aus, um die Bevölkerung zu warnen. Diese haben in Deutschland aber lediglich 10 Millionen Nutzer und Nutzerinnen auf dem Smartphone.
Land verfolgt weitere Ziele beim bundesweiten Warntag
Heute muss sich Cell Broadcast in Deutschland das erste Mal beweisen. Ob - und wenn ja, wie - Cell Broadcast im vollausgelasteten Mobilfunknetz funktioniert, ist laut Landesinnenminister Pegel eines von mehreren Zielen, die die Behörden am Warntag verfolgen. Einerseits gehe es um eine generelle Sensibilisierung der Gesellschaft für Warnungen, so Pegel. "Ich glaube dafür brauchen wir regelmäßige Tests." Andererseits überprüfe das Land so auch die eigene Kommunikation in die Bevölkerung.
Von 11 Uhr an werden die beteiligten Behörden am Warntag auch in Mecklenburg-Vorpommern unterschiedliche Systeme aktivieren, wie etwa über das Radio, Warn-Apps wie NINA oder Stadtanzeigetafeln. "Ich bin also gespannt, wie viele Menschen erreichen wir mit unseren Warnungen, die dann am Warntag auch nicht davon erschreckt oder überrascht sind."
Des Weiteren kombiniere das Land den Warntag mit weiteren internen Übungen. Dabei werde in einigen ausgewählten Bereichen getestet, ob die Kommunikation im Ernstfall zwischen Katastrophenschutzeinheiten, den Landkreisen, Städten und Land auch ohne Strom gelingt. "Weil da eh der Warntag ist, ist das auch der Testtag nach innen für solche Systeme", erklärt Pegel.