Bundespräsident a.D. besuchte Gedenkstätte Fünfeichen
Auf einer Gedenkfeier anlässlich des 75. Jahrestags der Schließung des Speziallagers Fünfeichen hielt Bundespräsident a.D. Joachim Gauck die Festrede. In Neubrandenburg erinnerte er an die Grausamkeit zweier totalitärer Systeme.
Anlässlich des 75. Jahrestags der Schließung der Lager Fünfeichen hat Bundespräsident a.D. Joachim Gauck am Sonnabend an das Leid der Kriegsgefangenen der deutschen Wehrmacht sowie der von Sowjets Inhaftierten erinnert. Die Gedenkstätte Fünfeichen sei ein "Ort, an dem sich die Grausamkeit von zwei totalitären Systemen offenbart", sagte Gauck. Die Veranstaltung erinnere "an die Arroganz und Aggressivität der Diktaturen von einst“. Zugleich dürfe nicht vergessen werden, "dass wir Zeugen gegenwärtiger Arroganz und Brutalität sind, mit denen ein neuer Moskauer Imperialismus Menschen um Recht und Freiheit bringen will“.
Wehrmacht zählte fast 120.000 Kriegsgefangene
Die ersten Kriegsgefangenen seien bereits kurz nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 nach Fünfeichen gekommen - in das Stammlager „Stalag II A“, sagte Gauck. In den weiteren Kriegsjahren seien gefangene Soldaten aus zehn weiteren europäischen Ländern und den USA dazugekommen. Für die Offiziere sei mit dem „Oflag II E“, später „Oflag 67“ genannt, in der Nähe ein eigenes Lager entstanden. Im „Stalag II A“ habe die Wehrmacht zwischen 1939 und 1945 fast 120.000 Kriegsgefangene registriert. Historiker gingen davon aus, dass zwischen 6.000 und 8.000 von ihnen die Gefangenschaft nicht überlebten, erwähnte Gauck.
Nach Kriegsende ging das Leiden weiter
Nicht aufgehört habe die Geschichte des Leids in Fünfeichen mit der Befreiung der Inhaftierten am 28. April 1945: Nachdem das Lager von Mai bis September 1945 auch als Repatriierungslager für ehemalige Zwangsarbeiterinnen, Kriegsgefangene und KZ-Überlebende genutzt worden sei, habe parallel das Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten der Sowjetunion (NKWD) das „Speziallager Nr. 9“ errichtet, erinnerte Gauck.
Schuldeingeständnisse durch Folter erzwungen
"Weiter ging es mit dem Elend und dem Quälen von Menschen.“ Insgesamt 15.400 Personen seien bis Ende 1948 in dem Speziallager interniert gewesen, der überwiegende Teil habe aus ehemaligen NSDAP-Mitgliedern und Angehören der deutschen Straforgane wie Polizeikräften oder KZ-Wachpersonal bestanden. Allerdings habe das NKWD auch lediglich auf Verdacht Unschuldige und auch Jugendliche verhaftet und willkürlich festgehalten. "Sie alle erlebten die Beugung des Rechts durch das Recht des Stärkeren“, sagte Gauck. Es habe keine Gerichtsprozesse gegeben, Schuldeingeständnisse seien durch Folter herbeigeführt worden. "Die Menschen starben durch Hunger und Krankheiten, sie erfroren im Winter“, sagte Gauck. Insgesamt seien fast 5.000 Inhaftierte im „Speziallager Nr. 9“ gestorben.
Vermeintliche Befreier wurden zum Aggressor
Die Einrichtung der Speziallager unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs gehörte laut Gauck systemisch zum kommunistischen Unterdrückungssystem. Gerade an diesem Ort werde deutlich: "Die historische Bewertung, dass die 'Befreier' die Befreiung brachten, traf zwar auf den Westen Deutschlands zu. Doch in Ostdeutschland erwies sich der 'Befreier' als der neue verbrecherische Diktator.“