Bundes-SPD übergeht mit Beschluss für US-Raketen auch Genossen aus MV
Sollen ab 2026 neue US-Raketen in Deutschland stationiert werden? Die SPD-Spitze hat sich jetzt klar dafür ausgesprochen. Mit dem Beschluss bringt das Präsidium unter Parteichef Lars Klingbeil die ostdeutschen Landesverbände in die Zwickmühle. Die SPD Mecklenburg-Vorpommern vermeidet eine klare Stellungnahme.
Der Beschluss ist eindeutig: "Als SPD übernehmen wir Verantwortung dafür, dass kein Kind, das heute in Deutschland geboren wird, wieder Krieg erleben muss. Die Vereinbarung der SPD-geführten Bundesregierung mit der US-Administration, ab 2026 US-amerikanische Raketen mit größerer Reichweite in Deutschland zu stationieren, ist dafür ein wichtiger Baustein." Das SPD-Präsidium geht auf Kritiker wie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zu und erklärte, die Anschaffung der Raketen bedeuteten keine Aufrüstung.
SPD-Präsidium: Raketen ohne Atomsprengköpfe
Ebenso wie Mützenich hatte auch der stellvertretende Vorsitzende der SPD Mecklenburg-Vorpommerns, der Greifswalder SPD-Bundestagsabgeordnete Erik von Malottki, vor einer Eskalation durch neue Raketen gewarnt. Der Parteilinke befürchtet, dass Waffen am Ende auch genutzt würden. Das SPD-Präsidium hält von diesem Argument nichts: Vielmehr würden die Raketen die Verteidigung Deutschlands und die Bündnisfähigkeit von NATO und EU stärken, denn es gehe um Waffensystemen, die Russland bereits seit Jahren habe. "Die geplanten Waffen werden mit konventionellen Sprengköpfen ausgestattet und in bestehenden US-Militäreinrichtungen im Westen Deutschlands stationiert. Eine nukleare Bewaffnung der Systeme ist nicht vorgesehen", heißt es in dem Beschluss.
Martin: "Werden uns mit diesen Fragen intensiv beschäftigen"
In Mecklenburg-Vorpommern reagiert die SPD eher reserviert. Kulturministerin Bettina Martin - sie ist die einzige SPD-Vertreterin aus Mecklenburg-Vorpommern im SPD-Bundesvorstand - umging eine klare Positionierung. Martin erklärte auf NDR Anfrage, bisher liege der Beschluss des Präsidiums im Vorstand noch nicht vor, sie kündigte aber an: "Wir werden uns noch intensiv mit diesen Fragen beschäftigen." Es gehe um eine stabile Sicherheitsarchitektur, die zum Schutz der Bürger "angesichts der massiven russischen Aufrüstung notwendig ist".
Lob für Kanzler Scholz
Martin erklärte, die aktuelle Debatte beschäftige viele Menschen auch in Mecklenburg-Vorpommern. "Deshalb finde ich das breite Dialogangebot der Parteispitze zu ihrem Beschluss richtig und wichtig." Im Präsidiumsbeschluss heißt es, die SPD werde in den kommenden Wochen und Monaten Raum für den Dialog mit Mitgliedern und Bürgern schaffen. Auch der Bundestag werde sich nach der Sommerpause mit dem Thema beschäftigen. Martin lobte außerdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Der vertrete die Sicherheitsinteressen Deutschlands und Europas klug und besonnen. Scholz befürwortet die Raketen-Stationierung.
Barlen antwortet ausweichend
Die SPD-Landesvorsitzende, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, hat sich bisher nicht zu dem umstrittenen Vorhaben geäußert, womöglich ein Hinweis darauf, dass das Thema parteiintern und in seiner Außenwirkung als delikat gilt. In anderen bundespolitischen Fragen schaltet sich Schwesig dagegen sehr schnell ein - zuletzt beim Haushaltsstreit der Ampel-Koalition. Julian Barlen, SPD-Fraktionschef im Schweriner Landtag, äußerte sich zum Beschluss der Parteispitze in Berlin ausweichend. Entscheidung und Verantwortung für militärische und verteidigungspolitische Fragen lägen bei der Bundesregierung, teilte er auf Anfrage mit.
Keine Beschlüsse in der SPD-Fraktion
In der Fraktion gebe es keine Beschlüsse zu dieser Frage, stellte Barlen klar. Für die Sicherheit der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern sei es aber von entscheidender Bedeutung, dass Deutschland als Ganzes bündnis- und verteidigungsfähig bleibe. "Unser gemeinsames Ziel ist die Wiederherstellung einer stabilen Friedensordnung und die größtmögliche Sicherheit, dass kein junger Mensch mehr in einen Krieg ziehen muss", sagte Barlen. Wie die Fraktion zur geplanten Raketenstationierung und dem Ja des SPD-Präsidiums steht, bleibt offen. Das Thema gilt offenbar auch in der Landtags-SPD als heikel.
Keine Stellungnahmen von Bundestagsabgeordneten
Der Koalitionspartner Die Linke warnte dagegen vor den Raketen-Plänen. Der Landesvorsitzende Hennis Herbst meinte, seine Partei setze auf Diplomatie und Abrüstung, um den Konflikten in der Welt zu begegnen. "Dass die Bundesregierung handstreichartig die Aufrüstungsspirale weiter befeuert, kritisieren wir aufs Schärfste", sagte Herbst. Der Bundestagsabgeordnete von Malottki, der als einziger aus der Landes-SPD die Pläne bisher offen kritisiert hat, äußerte sich auf NDR Anfrage bisher nicht. Auch der Neustrelitzer SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Arlt hat bisher auf Fragen des NDR nicht reagiert. Arlt ist Mitglied im Verteidigungsausschuss. Für die SPD-Wahlkämpfer in Thüringen, wo zeitgleich mit Sachsen am 1. September ein neuer Landtag gewählt wird, ist der SPD-Beschluss eher ein Hemmschuh. Spitzenkandidat Georg Maier, der auch Innenminister ist, sagte im Deutschlandfunk: "Der Beschluss macht es uns im Wahlkampf nicht einfacher."