Eine Biene fliegt auf eine Blüte zu. © NDR Foto: Clemens Meyer aus Greifswald

Biosphärenreservat Schaalsee: Modellregion für mehr Insektenschutz

Stand: 28.04.2023 09:55 Uhr

In Mecklenburg-Vorpommern leben etwa 340 Wildbienenarten. Die meisten Arten haben es immer schwerer zu überleben. Ihnen fehlt Lebensraum und Nahrung. Am Schaalsee wird erprobt, was den Tieren gut tut.

von Franziska Drewes

Es ist sonnig und mild auf einer Kuhweide bei Zarrentin im Biosphärenreservat Schaalsee. Johann-Christoph Kornmilch sucht eine halbmondförmig ausgebaggerte Insektenwand ab. Dort wimmelt es, viele Bienen und Wespen fliegen herum. Der Diplombiologe möchte herausfinden, ob auch die Frühlings-Seidenbiene eingezogen ist, die Wildbiene des Jahres. "Diese Lehmwand ist erst einmal nicht der typische Lebensraum für diese Biene, sie mag lieber sandige weiche Böden. Aber hier im Nebenbereich und am Klifffuß sammelt sich ganz weiches Material und da kann sie gut ihre Nester anlegen." Und plötzlich schwingt der Greifswalder Wildbienenexperte seinen Insektenkescher. Eine Frühlings-Seidenbiene krabbelt aus einem Erdloch.

Seidenbiene mit Pelz

Deutschlandweit gibt es 14 Seidenbienenarten. Die Frühlings-Seidenbiene ist die größte und erste im Jahr die ausschwirrt, erzählt Kornmilch. "Sie braucht natürlich einen warmen Pelz, weil es jetzt noch kälter ist. Ihr ganzer Körper ist dicht behaart, als hätte sie einen dicken Pullover an." Die Frühlings-Seidenbiene ist zwischen März und Mai unterwegs.

Die Frühlings-Seidenbiene ist die "Wildbiene des Jahres". © privat Foto: Johann-Christoph Kornmilch
Die Frühlings-Seidenbiene ist die "Wildbiene des Jahres".
Seidentapete in Nisthöhlen

Alle Seidenbienen haben die Eigenschaft, dass sie ihre Nester innen mit einer seidenartigen Flüssigkeit auskleiden, die sie selbst bilden. Kornmilch erklärt es sehr bildhaft. "Das ist so, als würden die Tiere eine Tapete auf die Innenwände kleben." Dieses Sekret ist wasserabweisend.

Lebensraum schwindet

Die meisten der rund 340 Wildbienenarten, die in Mecklenburg-Vorpommern leben, gehen in ihrer Population stark zurück. Auch die Frühlings-Seidenbiene hat es immer schwerer. Noch zählt sie deutschlandweit zu den nicht gefährdeten Arten. Dennoch erzählt Kornmilch, dass es früher Kolonien von mehreren hundert oder tausend Tieren gab, vor allem in sandigen Regionen mit viel Weichholz. "Die muss man jetzt schon sehr gut suchen, weil wir die Landschaft immer mehr und stärker nutzen. Aus Wildbienensicht werden die besten Plätze immer weiter bebaut. Früher gab es überall blühende Feldraine und unbefestigte Sandwege. Und das hat sich ganz stark geändert, sodass die Arten stark zurückgedrängt werden." Die Frühlings-Seidenbiene ist zudem auf Weidengewächse spezialisiert.

Modelllandschaft für eine bessere Zukunft

Das Biosphärenreservat Schaalsee gehört deutschlandweit zu fünf Modellregionen, in denen geschaut wird, welche Insektenarten dort leben und wie diese stärker geschützt werden können. Dr. Josephine Kuczyk von der Umweltschutzorganisation WWF koordiniert das Projekt mit dem Namen "Brommi" hierzulande. Es ist eine Abkürzung, die für Biosphärenreservate als Modelllandschaften für den Insektenschutz steht. Die Biologin arbeitet eng mit Kommunen, Landwirten und Vereinen zusammen. "Im Grunde geht es darum, Insektenschutzmaßnahmen in die Landschaft zu bringen."

Steilwände als Nistplätze

Auf der Kuhweide bei Zarrentin wurden im Herbst 2021 sechs Insektenwände geschaffen, indem Sand zu einer Steilwand aufgeschoben wurde. Im vergangenen Jahr haben Experten erstmals Daten erhoben. Insgesamt 67 verschiedene Wildbienen- und Wespenarten wurden nachgewiesen. Erfreulich sei, so Kuczyk, dass auch Arten entdeckt wurden, die auf der Roten Liste stehen, etwa die als gefährdet eingestufte Grabwespenart Tachysphex helveticus, für die es nur einen lateinischen Namen gibt. Eine kleine Sensation ist auch die Filzzahn-Blattschneiderbiene, für die es bislang nur zwei gesicherte Nachweise hierzulande gibt. In Penkun wurde sie 2020 gesichtet und im vergangenen Jahr auf der Kuhweide bei Zarrentin.

Heimische Pflanzen als Nahrung fehlen

Eine Idee ist, künftig mehr heimische Pflanzen als Blühweiden auszusäen. "Gut ein Drittel unserer Wildbienenarten sind auf eine Pflanzenart oder Pflanzenfamilie spezialisiert, auf Flockenblumen zum Beispiel oder auf Ochsenzunge, Natternkopf und Hornklee, die übers ganze Jahr toll aussehen und die den heimischen Wildbienen nützen." Johann-Christoph Kornmilch hofft, dass künftig mehr auf die Wissenschaft gehört wird, damit Wildbienen effektiv geschützt werden können.

Rahmenbedingungen bis 2025

Das "Brommi"-Projekt läuft bis 2025. Es wird aus Bundes- und Landesmitteln finanziert. Deutschlandweit sollen so über 8.000 Insektenarten geschützt werden. Gemeinsam mit dem Bundesamt für Naturschutz, den Verwaltungen der Biosphärenreservate und regionalen Landwirten und Landwirtinnen werden regionale Schutzprojekte realisiert.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 28.04.2023 | 07:30 Uhr

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