Alt Tellin - Was ist nach der Brandkatastrophe geschehen?
Vor drei Jahren brennt die Ferkelzuchtanlage in Alt Tellin bei Demmin ab. Rund 60.000 Schweine kommen dabei um. Anschließend steht der Brandschutz in Tierhaltungsanlagen im Fokus. Der soll besser werden. Was ist aus den Ankündigungen geworden?
Es ist der 30. März 2021. Eine riesige schwarze Rauchwolke steigt über Alt Tellin auf. Sie ist kilometerweit zu sehen. Die Ferkelzuchtanlage mit 9.000 Sauen und 55.000 Ferkeln brennt. Zahlreiche Feuerwehren sind vor Ort, müssen Flammen bekämpfen und Tiere retten. Nur 1.300 Schweine überleben die Katastrophe, deren Ursache nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte. Rund 60.000 Schweine kommen um. Landwirtschaftsminister Backhaus spricht von einer "Tragödie". Er bringt im Bundesrat eine Initiative ein mit dem Ziel, das Baugesetzbuch zu ändern, für mehr Brandschutz in großen Tierhaltungsanlagen - ohne Erfolg. Auch der Landtag beschäftigt sich mit Alt Tellin, beschließt einstimmig, dass es bessere Brandschutzkonzepte geben muss und mehr Kontrollen in der Schweinehaltung.
Mehr Fluchtwege, mehr Löschwasser
Drei Jahre später arbeitet das Innenministerium immer noch an einer Richtlinie speziell zum Brandschutz in Tierhaltungsanlagen. Wie das Ministerium mitteilt, ist diese Richtlinie gemeinsam mit Brandschutzsachverständigen und Praktikern der Feuerwehr entwickelt worden. Tierschutzaspekte, landwirtschaftliche und feuerwehrtechnische Fragen müssten berücksichtigt werden, auch das Landwirtschaftsministerium sei involviert gewesen. Aber nun stehe die Richtlinie kurz vor dem Abschluss und könne demnächst veröffentlicht werden.
Im Entwurf dieser Richtlinie, der dem NDR vorliegt, steht zum Beispiel, dass in einem geschlossenen Stall alle 40 Meter Zugangstüren für die Feuerwehren sein müssen. Die Wehren müssen mit ihren Fahrzeugen größere Ställe umfahren können. Es muss genug Löschwasser vorhanden sein und baulich gewährleistet werden, dass sich ein Feuer nicht in der gesamten Anlage ausbreiten kann, wie es in Alt Tellin passiert ist. Das gelingt durch sogenannte Brandabschnitte. Hier sollen besondere Bauteile ein Übergreifen verhindern.
BUND fordert Nachbesserungen
Verschiedene Verbände im Land wurden bereits vor einem Jahr zu Stellungnahmen gebeten, auch der BUND. Der Umweltverband setzt sich seit vielen Jahren für mehr Brandschutz in der Tierhaltung ein und hat seinerzeit gegen den Betrieb der Ferkelzuchtanlage in Alt Tellin geklagt. Die Anlage hätte aufgrund mangelnden Brandschutzes so nie genehmigt werden dürfen, meint der BUND. Mit dem Entwurf der Richtlinie ist der Umweltverband nicht zufrieden und fordert Nachbesserungen. Die vorgeschriebenen Brandabschnitte seien zu groß, erklärt Landesgeschäftsführerin Corinna Cwielag. Im Fall eines Brandes könnten nicht alle Tiere gerettet werden. Ihr Verband fordert außerdem hochwertigere Baumaterialien zu verwenden, die mindestens feuerbeständig sind – den Flammen mindestens 60 Minuten standhalten können. Im Entwurf der Richtlinie werden für tragende Wände und das Tragwerk des Daches lediglich feuerhemmende Materialien vorgeschrieben. Die würden nur eine halbe Stunde den Flammen trotzen. Vom Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern heißt es, es sei richtig, Standards zu setzen. Die Kosten für den Brandschutz müssten allerdings im Rahmen bleiben und dürften die Landwirtschaft nicht stärker belasten als andere Wirtschaftszweige.
Schweinezucht nicht mehr rentabel
Die Richtlinie gilt für Stallneubauten. Aktuell liegt dem Landwirtschaftsministerium kein einziger Bauantrag vor, auch nicht der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, die den Umbau der Tierhaltung mit einem Programm fördert. Ursache dürfte sein, dass Schweine seit drei Jahren nicht mehr rentabel gehalten werden können. Statt zu investieren, geben viele Schweinehalter in Mecklenburg-Vorpommern auf. Aktuell werden im Land noch etwa 580.000 Schweine gehalten. Vor drei Jahren waren es noch 830.000.
Verlängerung beantragt
Der BUND befürchtet, dass in Alt Tellin erneut ein großer Zuchtbetrieb errichtet werden könnte. Die Betreibergesellschaft LFD mit Sitz in Sachsen-Anhalt habe beim zuständigen Landwirtschaft-Amt in Neubrandenburg eine Genehmigungsverlängerung beantragt, so die Umweltschutzorganisation. Nach ihren Angaben wäre nach drei Jahren ohne Betrieb die Genehmigung für die Stallanlage Ende März fristgemäß erloschen.
Die Eigentümerin der Ferkelzuchtanlage, die LFD-Holding, plant nach Angaben ihres Sprechers, statt des Wiederaufbaus die Erweiterung der dortigen Biogasanlage, die beim Brand nicht beschädigt worden war. Seine Pläne hat das Unternehmen bereits der Gemeinde vorgestellt. Künftig könnte in Alt Tellin Biomethan produziert und ins Gasnetz eingespeist werden - unter anderem zur Wärmeversorgung des Dorfes.